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Fischwilderei Fischwilderei: Mit dem falschen Schein geangelt

Von Thomas Steinberg 22.08.2012, 18:19

Aken/MZ. - Hans-Peter Scholz (Name geändert) sah das Boot kommen, vermutete eine Routinekontrolle, wie er sie schon häufiger erlebt hatte, und warf seine Angel unverdrossen sogar dann noch aus, als die Wasserschutzpolizisten mit ihrem Boot in seiner Höhe hielten. "Wenn ich geahnt hätte, dass etwas nicht stimmt, wäre ich doch abgehauen." Sein Auto parkte, vom Wasser aus nicht zu sehen, gleich hinter dem Deich.

Scholz blieb, und sitzt nun im Landgericht, weil die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz eingelegt hatte. Beim Amtsgericht Köthen war der Akener von Vorwurf der Fischwilderei freigesprochen worden. Seit mehr als 40 Jahren angelt Scholz, nie habe er sich etwas zuschulden kommen lassen, und nun das. Scholz versteht die Welt nicht mehr, wie die Welt die Angler nicht, deren Hobby Nichtanglern zumeist ein Rätsel bleibt.

Dreieinhalb Millionen Angler soll es in Deutschland geben. Wer hier Fische aus dem Wasser ziehen will, muss sich nicht nur auf Ausrüstung, Köder, Schonzeiten und Fische verstehen, sondern ebenso auf Fischereirecht - und Streichlinien.

Streichlinie ist ein Begriff aus der Strömungslehre. Man kann in einem Fluss die Streichlinie markieren, indem man von einem Punkt aus Bojen ins Wasser lässt. Die Streichlinie, sagt Petra Faulhaber von der Bundesanstalt für Wasserbau, markiere die Grenze, bis zu der ein Fluss tatsächlich fließe. Klingt etwas merkwürdig, aber tatsächlich fließt ein Fluss weder zwischen Buhnen noch in einen Hafen; es entstehen Wirbel, gegenläufige Strömungen und mit größeren Abstand bewegt sich das Wasser fast gar nicht mehr. So wie im Industriehafen Aken.

Entlang der Elbe sind die Fischereiausübungsrechte völlig zerstückelt: "Mal sind die von einem Fischer gepachtet, dann von den Anglern, dann wieder von einem Fischer", weiß Bernd Manneck vom Landesanglerverband Sachsen-Anhalt. Zwischen Dessau und Aken liegen die Rechte bei einem Fischer, der für wenig Geld so genannte Fischereierlaubnisscheine für seinen Bereich verkauft. Einen solchen holte sich Scholz im Akener Angelgeschäft und zog an die Elbe.

Immer wieder hatte er beobachtet, wie andere Angler an der Mündung des Industriehafens fette Beute machten. Vor Gericht beteuerte er, sich erkundigt zu haben - niemand habe ihm von Problemen erzählt.

Eine mögliche Erklärung hält Bernd Manneck vom Anglerverband parat: "Die Rechte für den Hafen liegen direkt beim Akener Anglerverein." Wer in Aken die Rute auswirft, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit Mitglied des örtlichen Vereins und braucht für den Industriehafen keine extra Genehmigung. Scholz' Verein hingegen liegt etliche Kilometer stromab, weshalb er einen Schein für den Hafen kaufen müsste. Der Elbabschnitt, für den er eigens eine Genehmigung erworben hatte, endete nämlich an der Streichlinie vorm Hafen.

Alles klar? Falls nicht: So ganz genau haben vermutlich sogar die beteiligten Juristen den Fall nicht verstanden, in die Akten rutschte jedenfalls der Begriff Streif- statt Streichlinie. Am Dienstag machen sie vernünftigerweise kurzen Prozess: Scholz zahlt, auch wenn es ihm als Hartz-IV-Empfänger schwer fällt, 100 Euro, damit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.