Facebook-Gruppe für Flüchtlinge in Köthen Facebook-Gruppe für Flüchtlinge in Köthen: 14-Jähriger Syrer als Vermittler

köthen - Ameer hat einen Wunsch. Einen großen Wunsch. Er möchte zur Schule gehen. Lesen und schreiben kann der Junge aus Syrien zwar schon. Aber eben Arabisch - und nicht Deutsch. Das will er lernen. Unbedingt.
Mit seiner Schwester und deren Mann ist Ameer nach Deutschland geflohen. Seine Eltern sind in Damaskus geblieben. Die Flucht wäre zu anstrengend gewesen. „Sie wollen auch nach Deutschland kommen“, sagt der 14-Jährige. Er hofft, seine Mutter und seinen Vater bald wiederzusehen, mit ihnen in Sicherheit leben zu können. Und er möchte so schnell wie möglich die Schule besuchen.
Das kann Ameer nämlich noch nicht. Er muss sich gedulden, bis er das entsprechende Okay hat. Die Zeit des Wartens. Sie ist lang - und langweilig.
Wie Ameer geht es auch anderen Jungen und Mädchen. „Deswegen haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir die Kinder in der Zwischenzeit an die deutsche Sprache heranführen können“, sagt Tom Aslan. Er gehört zur Initiative „Willkommen in Köthen“ und kümmert sich um Flüchtlingsfamilien.
Die Initiative bietet Sprachkurse an. Sie organisiert Feste - für Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer. Es wird gemeinsam gebastelt und gekocht. Einfach, um die neuen Mitbürger zu integrieren und sich kennenzulernen.
Für Ameer hat sich Tom Aslan aber noch was anderes überlegt: Er bat den Jungen, eine Facebook-Gruppe für Flüchtlinge zu betreuen. Auf Arabisch. Und damit zu einem Vermittler zwischen der Initiative und den Flüchtlingen zu werden. „Ich mochte die Idee“, sagt der 14-Jährige.
In seiner Landessprache veröffentlicht er seitdem Hinweise auf Veranstaltungen in Köthen, stellt Institutionen der Stadt vor. Er macht auf Gepflogenheiten aufmerksam - zum Beispiel darauf, wie Müll in Deutschland getrennt wird. Und postet Übersichten mit deutschen Vokabeln.
„Willkommen in Köthen“ heißt die Gruppe. Und damit genauso wie die der Initiative. Ameer hat einige Regeln aufgestellt. So darf nichts über die syrische Politik geschrieben werden. Dafür ist die Gruppe schließlich auch nicht da. „Es geht darum, dass er alle Angebote, die es in der Stadt gibt, transparent machen möchte“, sagt Tom Aslan. Und das macht Ameer auch.
Manchmal gibt es Verständigungsprobleme bei der Recherche. Ein wenig Deutsch kann der Junge zwar schon. Das reicht aber nicht immer aus, um sich auch unterhalten zu können. In solchen Fällen helfen die Mitglieder der Initiative weiter. Sie vermitteln zwischen Ameer, der auch gut Englisch sprechen kann, und seinen Ansprechpartnern.
Die Facebook-Gruppe kommt gut an. Bei den Flüchtlingen. Und auch bei Tom Aslan. Er wirft immer mal einen Blick auf die Seite. „Er macht das ziemlich gut“, lobt er. Und ist auch so begeistert von dem Flüchtlingsjungen. „Ameer ist hochbegabt.“ Der Junge habe eine hohe Auffassungsgabe und sei wahnsinnig humorvoll. „Für mich ist er ein junger Matze Bartl in Arabisch“, sagt Tom Aslan in Anspielung auf den Redaktionsleiter der Lokalredaktion in Köthen.
Apropos Köthen: In der Stadt fühlt sich Ameer unheimlich wohl. „Köthen ist ein schöner Platz zum Leben“, sagt er. Die Einwohner hätten ihn und die anderen Flüchtlinge sehr gut aufgenommen. (mz)