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Existenzgründung Existenzgründung in Köthen: Jugendclub macht Platz für Pflegebedürftige

Von Katrin Noack 13.06.2016, 16:34
Jessica Singer richtet im ehemaligen Jugendclub „Enno Sander“ eine Tagespflegestation und drei altersgerechte Wohnungen für Senioren ein.
Jessica Singer richtet im ehemaligen Jugendclub „Enno Sander“ eine Tagespflegestation und drei altersgerechte Wohnungen für Senioren ein. Heiko Rebsch

Köthen - „Hier war die Jugend, als Kind kam ich oft hier vorbei. Meine Großeltern wohnten in der Rüsternbreite.“ Jessica Singer ist sich der Geschichte des Gebäudes, in dem sie jetzt Hausherrin ist, bewusst. Früher verbrachten hier Jugendliche im Jugendklub „Enno Sander“ ihre Freizeit, später besuchten auch Kinder die Einrichtung. Seit dem 1. Juni ist es ein Ort für Pflegebedürftige. Jessica Singer hat hier die Tagespflege „An der Rüsternbreite“ eröffnet.

"Warmes" Gefühl für Patienten

Anstelle der gräulich-weißen Fassade, leuchtet das Haus nun in hellem Mintgrün. Die Räume des Flachbaus sind hell gestrichen und gemütlich eingerichtet. Im Fernsehraum und im Ruheraum stehen bequeme Sessel, im Gemeinschaftsraum steht ein langer Tisch mit Blumen, kleinen Decken und dunklen Stühlen. Eine Anrichte mit Sammeltassen, eine historische Singer-Nähmaschine oder das Gemälde des „Schokoladenmädchens“ versetzen die Besucher in die Vergangenheit. Das ist beabsichtigt. „Wir wollen unseren Gästen ein warmes Gefühl vermitteln“, erklärt die Wulfenerin. Die alten Gegenstände erinnerten die Patienten an ihre Jugend und so fühlten sie sich im Haus wohl.

Die ersten Gäste kommen schon in die Tagespflege. Walther Peter zum Beispiel. Beim MZ-Besuch liest er mit Betreuungsfachkraft Simone Kaaden und Altenpflegerin Anja Kretschmann Zeitung oder spielt „Mensch ärgere dich nicht“. „Hier ist es einwandfrei“, findet der Dessauer. Ein Fahrdienst bringt ihn morgens nach Köthen und nachmittags zurück. Dazwischen werden die Gäste, pflegebedürftige Menschen, in der Rüsternbreite betreut. Sie essen gemeinsam, bekommen nach individuellen Wünschen Behandlungen. Auch Ausflüge oder ein wenig Gartenarbeit am Hochbeet stehen auf dem Tagesplan. „Herr Peter freut sich jeden Tag herzukommen“, erzählt die Chefin der Tagespflege.

Heimaufenthalt hinauszögern

Seine Frau sei froh, dass sie nun tagsüber mehr Zeit für sich finde. „Ziel ist es, den Heimaufenthalt so lange wie möglich zu vermeiden“, erklärt Singer die Idee der Tagespflege. Die Angehörigen würden entlastet und die Pflegebedürftigen fänden einen strukturierten Tagesablauf und eine Aufgabe. 15 Plätze hat Singers Tagespflege. „Es sind Plätze frei, aber die Nachfrage ist da“, sagt sie. Der Betrieb laufe gut, das Team sei schon nach kurzer Zeit gut eingespielt.

Jessica Singer ist froh, dass ihre Tagespflege so gut angelaufen ist. Es ist ihr Projekt, das viel Vorbereitung brauchte. „Ich habe mich schon vor drei Jahren damit befasst“, schildert die gelernte Krankenschwester. In eigener Verantwortung wollte sie arbeiten und raus aus dem Schichtdienst - auch wegen ihrer kleinen Tochter. Eine eigene Tagespflege mit familiärer Atmosphäre war die Idee.

Bekannter kaufte das Haus

Nachdem sie Erfahrung in der Pflegedienstleitung gesammelt und ein Studium absolviert hatte, wandte sie sich an die Egopilotin Claudia Leier. Sie empfahl der Wulfenerin die Vorgründungsqualifizierung der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises. „Das ist eine ganz tolle Sache. Ich habe da viel mitgenommen“, betont sie. Etwa, wie es ist, wenn man Arbeitgeber ist. Welche Unterlagen es zur Firmengründung braucht und wie bürokratische Hürden genommen werden. Davon habe es viele gegeben, bevor die 28-Jährige ihre Firma startete.

Doch wie kam die Wulfenerin auf den ehemaligen Jugendclub? Das Gebäude gehörte bis zum Herbst vergangenen Jahres dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Der verkaufte es an einen Mann aus Wulfen. Ein Bekannter von Singer. „Er kannte meine Ideen und meinte, das Gebäude wäre geeignet“, schildert sie. Das fand auch Singer: Das Haus ist groß, ebenerdig und barrierefrei. Passend für eine Tagespflege. Im Januar mietete sie das Objekt, dann gab es viel Arbeit: neuer Anstrich, neue Einrichtung, Vorbereitung für den Betrieb. Nun ist es geschafft: Zur Eröffnung gab es Glückwünsche und viele Anfragen. „Enno Sander“ ist nun ein Platz für Senioren.

(mz)