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Eine Chemiestunde auf dem Campus

Von MATTHIAS BARTL 30.05.2010, 18:30

KÖTHEN/MZ. - Und dies nicht nur für Jakob, der dem neugierigen Berichterstatter erzählt, dass er gern einen Chemiebaukasten hätte, wie sein Vater mal einen hatte.

Vorläufig freilich muss er sich auf dem Platz vor der Mensa der Hochschule Anhalt in Köthen mit Gravenhorsts unterhaltsamen Experimenten begnügen. Die allerdings nicht nur beeindruckend in ihren Reaktionen waren, sondern

von dem Experimentator auch mit viel trockenem Humor kommentiert wurden. "Vorsicht, Olaf macht Chemie" war mithin einer der Renner der Veranstaltungen auf dem Campus und da konnte man es nachsehen, dass ausgerechnet der Spaß mit dem "Hexenmehl" nicht funktionierte - die Luftfeuchtigkeit war zu hoch, als dass aus dem Lycopodium Feuer hätte schlagen können.

Aber die "Pharaoschlange" wuchs sich zu respektabler Größe aus, und wer genau aufgepasst hatte, der weiß jetzt, dass bei Feuerwerkskörpern die leuchtend grüne Farbe durch Bariumverbindungen zustande kommt und die rote Farbe durch Strontium. "Wenn Sie Silvester feiern", empfahl Gravenhorst, "dann denken sie an die zweite Hauptgruppe." Gravenhorst wird man in Zukunft sicherlich noch öfter erleben können. Bis dato war der gebürtige Schweriner als Honorarkraft an der Hochschule tätig, demnächst wird er fest angestellt als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Und dass er im "Nebenjob" als Pyrotechniker buchbar ist, sollte sich bei Organisatoren bunter Veranstaltungen aller Art bald herumsprechen.

Während der Platz vor der Mensa gut gefüllt war, hielt sich die Zahl der Besucher auf dem Hochschulgelände am Hubertus ein wenig in Grenzen. Was sehr bedauerlich war, denn dort konnte man allerlei technische Meisterstückchen erleben. Zum Beispiel die Mikrogasturbine, die die Masters-Studenten Jonny Kaars und Martin Kietzmann vorführten. Der dritte im Bunde, Carsten Weihrauch, fehlte an diesem Abend. "Wir sind beim Grillen auf die Idee gekommen, so etwas mal zu bauen", erinnert sich Jonny Kaars. Rund drei Jahre lang habe man an der Turbine gebaut, gegrübelt, umgebaut, bis man sie soweit hatte, dass sie läuft und Leistung bringt. Die Turbine soll schnell Bewegungen ermöglichen, Vorschub erzeugen - und dies konnte man schon eindrucksvoll nachweisen. Wenngleich nicht mit Bewegung selbst, die dieselbetriebene Turbine war fest verankert, aber Kaars hielt - als die Maschine hochgefahren war - ein Papierhandtuch in den Luftstrom, wo es in Sekundenbruchteilen zerbröselt wurde. "Das Ganze ist für uns ein interessantes Studienprojekt", erklärt Kaars, "schon deshalb, weil man hierbei Kenntnisse aus verschiedenen Bereichen benötigt - von der Thermodynamik bis zur Strömungslehre."

In nächster Zeit wolle man die Turbine weiter optimieren und Messungen zur Leistung und zu den Abgaswerten vornehmen. Bis dato habe man daran parallel zum Studium gearbeitet, "jetzt können wir es als Projekt durchführen, das ist schon hilfreich." Primärziel sei im übrigen nicht, daraus einen fahrbaren Untersatz zu bauen, sondern einen Zustand zu erreichen, in dem man reproduzierbar Leistungspunkte anfahren könne. "Bis dahin ist noch genug zu tun, zum Beispiel haben wir noch Probleme mit dem Schmiersystem." Am Freitagabend freilich stand dies nicht im Vordergrund: Da wollte man einfach nur mal die Turbine richtig laufen lassen, was mit Unterstützung eines simplen Laubgebläses auch gelang - ein klein wenig klang es am Rande des Hubertus wie eine startende MiG, ältere Köthener werden sich daran sicher noch erinnern.

Deutlich geräuschärmer ging es im Gebäude 73, Raum 111, zu. Dort zeigte Thomas Seidel, unter dem Motto "Die digitale Fabrik", wie eine Fertigungssimulation erstellt wird. Eine spannende Sache, wenn man sich erst einmal in die Anforderungen eingefühlt hat, die heute an logistische Abläufe gestellt werden. Am PC lassen sich alle Arbeitsabläufe bei der, beispielsweise, Produktion eines Autos nachstellen und optimieren. Thomas Naumann, aus Bitterfeld-Wolfen stammender Student an der Hochschule, schreibt gerade seine Bachelor-Arbeit zu dem Thema. Naumann hat für die Deutsche Biomethanolfabrik in Schwarze Pumpe eine Arbeit gefertigt, die dem Unternehmen helfen soll, die innerbetrieblichen Transportströme zu optimieren. "Die Wege sind dort rund einen Kilometer lang, vieles geht über Förderbrücken." Da sei es sinnvoll, über Prozessoptimierungen nachzudenken. "Aber es läuft gut, ich habe jetzt alle Faktoren bekommen, die ich für die Arbeit brauche", so Thomas Naumann.

Olaf Gravenhorst hat inzwischen seine Experimente beendet, Beifall eingeheimst und ist am Zusammenpacken. Jakob wirft noch einen Blick auf die "Pharaoschlange" und flitzt dann in Richtung seiner Eltern, die ihn längst entdeckt und im Auge behalten haben und jetzt zuwinken. Jede Wette, dass er wieder nach dem Chemiebaukasten fragen wird ...