Künstlerisch wertvoll Ein besonderes Aushängeschild: Kirche Radegast freut sich über 15 Fenster von Thomas Kuzio
Jetzt wurden die letzten eingebaut.

Radegast/MZ - Gerade ist Anke Zimmermann in Radegast eingetroffen, schnappt sich den Staubsauger, um im Eingangsbereich ein wenig Klarschiff zu machen. Noch sind die Maler zwar nicht fertig, die Fensterbauer schon. Und die Pfarrerin erzählt voller Stolz, dass Radegasts Backsteinkirche nun insgesamt 15 Fenster von Thomas Kuzio vorweisen könne - mehr als das Ulmer Münster, wo zuletzt acht Fenster eingebaut worden.
Die mögen zwar größer sein, „aber wir haben mehr“, betont sie. Und der Naumburger Dom, der könne gerade mal mit zwei Fenstern aufwarten, die der 1959 in Altentreptow (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Künstler entworfen hat.
Radegasts Kirche, 1875 entstanden, ist ein Teil des „Lichtungen“-Projektes der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Hier sind Gotteshäuser zusammengeführt, die mit besonderen und außergewöhnlichen Fenstergestaltungen auf sich aufmerksam machen. Doch auch in Radegast, einem neoromanischen Backsteinbau, sind die Fenster nur Teil eines langwierigen Vorhabens. Von 2007 bis 2010 ist der Chorraum umfassend saniert worden - vor fast 15 Jahren der Auftakt für die komplette Neugestaltung des Innenraumes. Zuvor ist bereits die Winterkirche in ihrer heutigen Optik entstanden, inklusive einer kleinen Küche und Toilette.

Die drei schmalen Fenster im Chorraum seien damals die Initialzündung für Thomas Kuzios internationalen Durchbruch gewesen
Die drei schmalen Fenster im Chorraum seien damals die Initialzündung für Thomas Kuzios internationalen Durchbruch gewesen, heißt es. Und die Entwürfe, erinnert die Pfarrerin, ursprünglich für St. Jakob in Köthen entstanden. Sie ist froh, dass sich stattdessen Radegast damit schmücken darf. Auch sollten es nicht die letzten Arbeiten des Künstlers in ihrer Kirche bleiben: Ab 2013 kamen die Fenster in den Querhäusern hinzu, die anders als die bernsteinfarbenen im Chorraum mehr blaue Elemente bieten. Später waren dann die entschieden kleineren im oberen Bereich des Bauwerks an der Reihe. Hier habe man sogar noch Elemente aus der Bauzeit der Kirche verarbeitet, weiß Anke Zimmermann.
Seit diesem Frühjahr wurde sie wieder häufiger auf der Kirchenbaustelle in Radegast gesehen. Im März ist das Gerüst gestellt worden, um die Decke sanieren zu können. Das Holz der Empore ist nach ursprünglichen Entwürfen mit einer Bierlasur gestrichen worden, hat sie sich von Experten im Architekturbüro von Dietmar Sauer, das das Gesamtvorhaben betreut hat, erklären lassen. Auch die Bänke - früher in einem undefinierbaren Farbton, der sich zwischen grau-grün-beige bewegte - sind aufgearbeitet. Alles, ist sie stolz, wirke nun „sehr harmonisch“. Und wenn die Sonne hereinscheine, sei das Licht beeindruckend.
Für Pfarrerin Anke Zimmermann verbergen sich dort nach ihrer Interpretation die Themen Passion, Ostern und Pfingsten
Die in den vergangenen Tagen als Schlusspunkt eingesetzten Fenster von Thomas Kuzio hatte der bereits 2013 mit den anderen entworfen. Deutlich schlichter, in zartem Gelb und Grau gehalten. Die Pfarrerin findet das angemessen, weil die Fenster schlichtweg nicht die Wahrnehmung erfahren würden, wie etwa die im Chorraum. Für Anke Zimmermann verbergen sich dort nach ihrer Interpretation die Themen Passion, Ostern und Pfingsten. Andere Betrachter würden andere Sichtweisen haben. Kinder etwa hätten bei Thomas Kuzios Arbeiten für Radegast schon einen Hund entdeckt, erzählt sie.
Dass es am Ende mit dem Einbau der letzten Fenster so schnell gegangen ist, hätte Anke Zimmerman gar nicht gedacht. Doch sie ist auch erleichtert, nun einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen zu können. Es gibt, deutet sie an, genügend andere Baustellen: Acht Kirchen und eine Ruine, zwei Pfarrhäuser, vier Friedhöfe in insgesamt fünf Kirchengemeinden zählen zu ihrem Zuständigkeitsbereich, in dem sie rund 600 Gemeindeglieder betreut.

Das Projekt der Kirche Radegast hat viele Fördermittel erhalten
Nun ist es an der Zeit, sich die Finanzen genauer anzusehen. „Es ist alles ein bisschen teurer geworden“, gesteht sie. Von der Decke mussten erst noch alte Farbschichten abgebrannt werden, weil der frische Anstrich ansonsten nicht gehalten hätte. Auch bei der Elektrik sei ein Mehraufwand zu verzeichnen. Selbst die Lampen („keine, die man im Baumarkt kaufen kann“) kosten nicht mehr das, was einmal veranschlagt war.
All das sieht Anke Zimmermann einigermaßen gelassen. Wegen vieler verschiedener Fördermittelgeber. Darunter das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, das die Arbeiten in Radegast aus dem Förderprogramm Regio Sachsen-Anhalt allein mit 80.000 Euro unterstützte. Die Landeskirche beteiligte sich mit fast 50.000 Euro. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit 12.000 Euro, die aus dem Programm „Erhalt und Pflege von Kulturdenkmalen“ kommen. Außerdem stammen über 40.000 Euro aus der Gemeinde.
Wahrscheinlich wollen Anke Zimmermann und die Gemeinde am Samstag vor dem 1. Advent mit vielen Beteiligten feiern, dass die Kirche nun fertig saniert ist. Und damit auch, „dass wir Thomas Kuzio ein bisschen bekannter gemacht haben“, wie die Pfarrerin mit einem zufriedenen Lächeln berichtet.