1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Die «Spinndüse» verdrängte Scheune der Witwe Kahleis

Die «Spinndüse» verdrängte Scheune der Witwe Kahleis

Von Otto Kappes 29.12.2005, 15:40

Gröbzig/MZ. - Produktion wächst

Noch nach 1900 stand hier eine Scheune der Witwe Kahleis. Der Gröbziger Fabrikant Friedrich Eilfeld (1868-1942), dessen Erfindung der Metallspinndüse im Jahre 1909 der Schlüssel wurde für die weltweite Produktion von Kunstfasern, benötigte ein größeres und zweckentsprechendes Produktionsgebäude. Längst waren die in Privathäusern untergebrachten Produktionsstätten mit damals 27 Mitarbeitern zu klein, um den sprunghaft angestiegenen Bedarf an Spinndüsen im In- und Ausland zu befriedigen.

Eilfeld kauft die Scheune

So kaufte Friedrich Eilfeld in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die oben angeführte Scheune und das Grundstück der Witwe Kahleis in der Halleschen Straße 49. Die Scheune wurde zum Teil abgerissen, verbliebene Lehmmauern mit Stahlträgern verstärkt und zusätzliche Mauern in Ziegelbauweise aufgeführt. Es entstand ein zweietagiges Gebäude, in dem bald die Produktion unter anderem von Düsen für die damals neu entwickelte Viskosestapelfaser (Ersatz für die knappe Baumwolle) erfolgte.

Durch die Realisierung einer Kompletttechnologie - von der Herstellung der Werkstofflegierung über die Prägung der Form bis zur Bohrung - wurde Eilfeld von Zulieferern unabhängig, das Unternehmen erstarkte. Der Umsatz betrug in den Jahren 1929 und 1930 jeweils über eine Million Reichsmark.

1923 wurde in der Gröbziger Manufaktur die erste Profilbohrung entwickelt und gefertigt. Die Fabrik zählte zu dieser Zeit 100 Arbeiter und Angestellte, 170 waren es bereits nach wenigen Jahren. Das Produktionsgebäude wurde durch Aufstockung vergrößert. 1937 / 38 erweiterte Friedrich Eilfeld den Betrieb durch den An- und Neubau eines weiteren Produktionsgebäudes am Köhlerweg. In der äußerlichen Form blieb der Gebäudekomplex bis 2005 erhalten und prägte das Straßenbild zur Halleschen Straße.

Volkseigener Betrieb

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte stufenweise ein weiterer Ausbau des nun volkseigenen Betriebes. Die Produktionsbereiche wurden schrittweise in neu geschaffene Gebäude umgesetzt, so dass in den ehemaligen Gebäuden Eilfelds nur noch die Verwaltung des VEB Gröbziger Spinndüsenfabrik untergebracht war. Die Belegschaft wuchs auf 470 Mitarbeiter an.

Nach der politischen Wende durchlebte der Betrieb die Stationen Treuhandbetrieb, Gröbziger Spinndüsen GmbH, Fa. Wetzel und schließlich bis heute Fa. Enka tecnica. Einher ging damit eine schrittweise Erneuerung der gesamten Produktionslinie durch Investitionen mit modernster Produktionstechnik.

Durch die ökonomischen Zwänge vollzog sich von 1990 an aber auch ein personeller Schrumpfungsprozess von eins 470 auf etwa 110 Mitarbeiter. Die Verwaltung reduzierte sich auf ein Minimum, so dass der Gebäudekomplex des Firmengründers bald leer stand. Der Versuch, darin Wohnungen einzubauen, erwies sich als zu aufwendig. Nachnutzer der Gebäude fanden sich nicht. Schließlich erfolgte gemäß einer Auflage des Landkreises durch den jetzigen Eigentümer im Oktober 2005 der Gefahrenabriss der Gebäude der ehemaligen Spinndüsenfabrik Friedrich Eilfelds.

Erinnerungen bleiben

Trotz aller sicher einleuchtenden Zwänge ist es bedauerlich, dass damit die baulichen Zeugen der ersten industriell geführten Spinndüsenfabrik der Welt nach rund 80 Jahren Bestand nicht mehr existieren. Es bleibt nur noch die Erinnerung an die Pionierleistungen, die in diesen Gebäuden stattfanden und an die vielen Menschen, die unter Friedrich Eilfelds Werksuhr (im Giebelfeld des Hauptgebäudes) ihrer täglichen verantwortungsvollen Arbeit nachgingen.