1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Das kurze Leben der Stefanie Blech

Das kurze Leben der Stefanie Blech

Von Sylvia Czajka 18.07.2008, 15:53

Köthen/MZ. - Sie ist es auch heute noch für ihn, wenn der 52-Jährige von ihr erzählt. Worte, die ihm nicht leicht fallen. Denn Stefanie Blech ist tot. Die 17-Jährige starb in der Nacht zum 20. Juli 2000 an Kreislaufversagen, nachdem sie Drogen konsumiert hatte. Gemixte Ecstasy-Tabletten. So genannte "no name"-Präparate. Die Köthenerin war die erste Drogentote in Sachsen-Anhalt, hieß es in den Schlagzeilen. Für Manfred Blech und seine Frau Erika war sie "unser Ein und Alles".

Tagebücher anvertraut

"Nach der Beerdigung unserer Tochter standen wir vor der Wahl: Entweder wir fahren mit dem Auto in den Tod oder wir leben." Die Blechs haben sich für Letzteres entschieden. Und sie haben sich dafür entschieden, dass das Leben ihrer Tochter Stefanie unvergessen bleibt. Denn es wurde Inhalt eines Buches. "Das Thema hat mich gesucht", meint Siegfried Naujeck in Gedanken. Der Köthener, der gelernter Facharbeiter für Nachrichtentechnik ist und als Zeitungskorrektor arbeitet, sieht sich nicht als Schriftsteller. Denn "beim ersten Buch ist man noch keiner", formuliert er.

"Namenloser Tod" heißt das Buch, das heute erscheinen wird und das kurze Leben der Stefanie Blech erzählt. "Es ist eine Mischung von Erzählung und Dokumentation", sagt der Autor über sein Werk. Die Blechs kannte Naujeck bereits vor dem Tod der Tochter. Manchmal sei er auch Stefanie begegnet. Heute denkt er oft an jene Tage zurück. Ein Buch schreiben, das wollte der 40-Jährige schon immer. Aber es habe sich nie eine Gelegenheit geboten. Bis zu jenem tragischen Zeitpunkt. Er habe viel Unterstützung von Stefanies Eltern erfahren, die ihm Tagebücher und Zeugnisse der Tochter anvertrauten, damit er das Mädchen näher kennen lernen sollte. Manfred Blech sagt heute über Naujeck: "Der kennt ja die Kleine besser als wir."

"Was ich wollte, war, ein durch und durch ehrliches - wenngleich vielleicht auch politisch nicht immer ganz korrektes - Buch zu schreiben, was insofern den Leser ehrlich macht, indem es mitunter seinen Widerwillen herauslockt", so Naujeck.

"Lass ihn doch machen", meinten die Blechs, als sie vom Vorhaben Naujecks erfuhren, ein Buch zu schreiben. Acht Jahre sind seitdem vergangen. "So richtig geglaubt haben wir es nie, dass das Buch über Stefanie fertig wird", verrät Manfred Blech. Doch jetzt ist es soweit.

Mit einer Reiseschreibmaschine im Garten der Blechs brachte Naujeck die ersten Worte zu Papier. "Die Arbeit an meinem Buch ist vergleichbar mit der tranceartigen Tätigkeit eines Anglers: Zu diesem Prozess gehörten lange Perioden gespannter Untätigkeit, die unterbrochen wurden von anfallartiger Erregung, einem plötzlichen hektischen Ausbruch von Aktivität - wenn sozusagen der Fisch anbiss", beschreibt der Autor seine Herangehensweise. Jetzt ist das Buch gedruckt. Erika und Manfred Blech wollen es in aller Stille lesen, erzählen sie im MZ-Gespräch.

Recherche bei Kripo

Naujecks Erkenntnis, die er über die Jahre des Schreibens gewann: "Der Mensch ringt nicht mit der Droge, sondern mit sich." Und: "Wenn das Buch nur einen Menschen davon abhält, Drogen zu nehmen, dann hat es sich allemal gelohnt", hofft der Köthener und zitiert aus dem Talmud: "Wer nur ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt."

Unterstützung bei seinen Recherchen erfuhr Naujeck auch von Norbert Postler, dem einstigen Leiter des Zentralen Kriminaldienstes in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost. Der Tod des jungen Mädchens sei damals ausschlaggebend für die Einrichtung eines neuen Fachkommissariats gewesen, das sich mit der Rauschgiftbekämpfung beschäftigt, erinnert sich Postler. Und Siegfried Naujeck - vom Ehepaar Blech autorisiert - bekam beim Kriminaldienst in Dessau die Möglichkeit zur Akteneinsicht.

"Ich hoffe, dass das Buch auch ein wenig zur Prävention beiträgt", so der Kriminalist. "Der Tod des Mädchens darf nicht umsonst gewesen sein." Aus seiner Erfahrung weiß Postler: "Die meisten Überfälle auf Rentner werden von Rauschgiftabhängigen verübt." Und wenn das Buch nur dazu beitrage, ein Menschenleben zu retten, - es wäre ein Erfolg, findet Postler.

"Wir leben intensiver nach dem Tod unserer Tochter", sagen die Blechs. Damals war Manfred Blech die Arbeit wichtiger. "Ich habe viel gearbeitet. Zu viel." Die Familie musste zurückstecken. Das werde nicht mehr passieren. "Die Familie ist jetzt für mich das Wichtigste auf der Welt. Und die Kleine ist immer noch bei uns."

Das Buch "Namenloser Tod" ist beim "Projekte-Verlag" Halle erschienen. Es kostet 12,80 Euro und kann unter ISBN 978-3-86634-531-7 bestellt werden.