Brauchbares Wissen für die Zukunft
KÖTHEN/MZ. - "Gerade in einer Ganztagsschule müssen Lehrer besonders engagiert sein - von früh an bis zum späten Nachmittag gibt es verschiedenste Angebote." Die Leiterin der Sekundarschule in der Rüsternbreite geht noch weiter und behauptet: "Es ist heute unmöglich, als Lehrer zu bestehen, ohne engagiert zu sein."
Marion Kahle bricht für ihre Pädagogen eine Lanze. Und vermutlich ist das nicht nur so, weil das Kultusministerium mit seiner Jahresstatistik über Schulabbrecher zuletzt reichlich Gesprächsstoff geliefert hatte. "Es tut uns um jeden Einzelnen leid, der es nicht schafft", sagt sie. Bei 11,8 Prozent lag die in Magdeburg errechnete Quote derer, die die Sekundarschule Rüsternbreite nach dem Schuljahr 2007 / 2008 ohne Abschluss verlassen haben. Das es ein Jahr zuvor nur 5,4 Prozent gewesen sind, bestärkt Marion Kahle in ihrer Auffassung, "Zahlen sind immer eine Momentaufnahme". Ausschlaggebend sei nicht nur die Zusammensetzung eines Jahrganges, sondern auch das Interesse der Schüler an ihrer Entwicklung sowie der Wille, die Angebote der Schule zur Förderung anzunehmen.
Hochwertige Abschlüsse
Bewusst hebt die Leiterin eine Besonderheit ihres Hauses hervor, um die hier geleistete Arbeit zu bewerten: Die Schule ist Stützpunkt für Aussiedlerkinder, und als solcher habe man es geschafft, diese Mädchen und Jungen so zu integrieren, dass einige von ihnen sogar zum Gymnasium gewechselt sind und dort hochwertige Abschlüsse erreicht haben. Seit einigen Jahren lernen deutlich weniger Kinder ausländischer Herkunft an der Rüsternbreite - was einen möglichen direkten Zusammenhang mit einer hohen Schulabbrecherquote widerlegt. Marion Kahle sieht das so: "Unabhängig von der Herkunft sind die Lerneinstellung sowie Engagement und eigener Leistungsanspruch der Schüler ausschlaggebend für die schulischen Ergebnisse."
Die Rüsternbreite verfolgt in ihrer Arbeit vor allem zwei große Linien: die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit und Berufsorientierung. "Schüler, die miteinander reden, tragen Konflikte seltener mit den Fäusten aus", ist Kahle überzeugt. Wer sich gut auszudrücken wisse, dem falle es zum Beispiel leichter, in Bewerbungsgesprächen zu bestehen. Gleiches gelte für die soziale Anbindung. Auch die gelinge leichter. Die Fähigkeit zu kommunizieren spielt deshalb eine wesentliche Rolle - im Unterricht, in den Pausen, im Freundeskreis, in der Familie.
Mit der Berufsorientierung fängt man in der Rüsterbreite frühzeitig an. Schon in den fünften und sechsten Klassen. Eltern werden hinzugezogen und gebeten, ihre Berufe vorzustellen. Der Kontakt zu den Berufsschulen im Kreis ist besonders eng. Die Jugendlichen sollen aus erster Hand erfahren, welche Fähigkeiten sie benötigen, um ihren Traumberuf zu ergreifen, "dann kommt es auf jeden selber an, wie motiviert er ist".
Gerade hier, weiß Kahle, scheiden sich mitunter die Geister. Viele ihrer Schützlinge wüssten noch nicht, wie ihre Zukunft aussehen soll. "Unsere Schüler müssen erkennen, dass das, was sie hier beigebracht bekommen, brauchbar ist, um ihre eigene Zukunft zu gestalten." Das Stichwort lautet "praxisbezogene Wissensvermittlung".
Umstellung des Unterrichts
Den Ehrgeiz hat die Mannschaft der Ganztagsschule, das zu vermitteln. Nur zeigte deren Arbeit in der Vergangenheit nicht immer die gewünschte Wirkung, gerade in den Prüfungen. Man reagierte mit einer Umstellung des Unterrichts. Seit dem letztem Schuljahr gibt es eine Wochenstunde im Mathematik Unterricht Prüfungsvorbereitung. Dann sind auch Computerkabinett und Schulbibliothek geöffnet. "Das Thema Prüfung ist bei uns vollständig integriert." Niemand könne mehr sagen, die Prüfung hätte ihn überrascht.
Arbeit intensiviert
Obgleich die Leiterin der nächsten Prüfungs- oder Schulabbrecherstatistik nicht angstvoll entgegen sieht, so ärgert sie sich doch über diese 11,8 Prozent, die die Rüsternbreite in keinem guten Licht erscheinen lassen - und für das Kollegium nicht akzeptabel seien. "Klar gefällt uns diese Zahl nicht, deshalb haben wir die Arbeit auch noch einmal intensiviert."
Um zu überprüfen, ob die Mobilisierung von neuen und manchmal vergessenen Ideen etwas gebracht hat, nahm die Ganztagsschule freiwillig an den landesweiten Vergleichsarbeiten teil und stellte sich dieser zentralen Leistungsüberprüfung. Mit ansprechender Leistung sowohl im Real- als auch im Hauptschulbildungsgang. Zahlen, ist Marion Kahle überzeugt, sind eben nicht alles.