Stimmung im EU-Parlament Besuch im EU-Parlament: Wie ein Ehepaar aus Görzig den Brexit erlebte

Görzig - Der Brexit ist noch immer in aller Munde und wird heftig diskutiert. Hans-Joachim Zerning hat den Tag der Entscheidung in Brüssel im Sitz des Europäischen Parlaments einige Stunden miterlebt. Der Görziger und seine Ehefrau Marianne gehörten zu den Gästen des alljährlichen Sommerfestes des Landes Sachsen-Anhalt, das in der Landesvertretung in Brüssel stattfand.
Anspannung im Parlament
Vor dem Fest hatten Zernings Gelegenheit, sich im Parlamentsgebäude umzuschauen. Auf einem großen Korridor seien Techniker von vielen Fernseh- und Radiosendern dabei gewesen, Kameras und Mikrofone aufzubauen, wurden erste Interviews gemacht.
Die Menschen hätten pausenlos mit ihren Smartphones telefoniert. „Die Parlamentarier und ihre Mitarbeiter waren voller Hoffnung, dass es keinen Austritt Großbritanniens aus der EU geben wird“, schilderte Hans-Joachim Zerning.
Abgeordneter räumt sein Büro
Am Freitagmorgen habe dann die Nachricht vom Ergebnis der Abstimmung die Runde gemacht. „Es herrschte eine große Enttäuschung. Ich hörte immer wieder den Satz: Wenn sie austreten wollen, dann sollen sie schnell gehen“, so der Görziger.
Von seinem Begleiter erfuhr er, dass ein englischer EU-Abgeordneter noch am gleichen Tag seine Arbeit beendete und sein Büro leer räumte.
Der 74-Jährige ist kein Gegner der EU. Er sieht in dem Bündnis einen Garanten für das friedliche Zusammenleben der Völker. Frieden bedeutet für den Agrar-Ingenieur viel. „Ich bin ein Kriegskind. Wir haben an der Autobahn gelebt, wo der Krieg durchzog, haben Verbrechen und Plünderungen gesehen. Ich hatte noch jahrelang Albträume“, blickte Zerning zurück. Er sei deshalb immer für eine friedliche Zusammenarbeit der Menschen gewesen, damit sich die Vergangenheit nicht wiederhole.
EU ein „zu großer Apparat“
Freilich hält er die EU auch für verbesserungswürdig. „Ich finde, es ist ein zu großer Apparat mit zu vielen Abgeordneten und Mitarbeitern. Das Parlament sollte etwas kleiner sein, dann wäre wohl auch die Akzeptanz bei vielen Menschen größer“, meinte der Rentner aus Görzig.
Eingeladen wurden Zernings von Alexander Vogt. Er ist Mitarbeiter eines polnischen EU-Abgeordneten und mit dem Görziger Ehepaar über dessen Enkelsohn David befreundet. „Ich habe erst gezögert und mich gefragt, ob wir überhaupt dahin passen“, räumte Hans-Joachim Zerning ein. Doch er habe es nicht bereut, interessante Gespräche gehabt, den Ministerpräsidenten und weitere hochrangige Politiker kennengelernt. Und als Agrar-Ingenieur fühlte er sich auch gut aufgehoben, war doch die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalts in diesem Jahr Mitveranstalter des Sommerfestes, das unter dem Motto „Sachsen-Anhalt - Land der Ingenieure trifft Europa“ stand. (mz)