Besuch bei Hahnemann Besuch bei Hahnemann in Köthen: Homöopathen aus Indien besuchen Köthener Gedenkstätten

Köthen - „Namasté!“ Für einen ganz kurzen Moment tritt Ruhe ein, als einige Dutzend indische Homöopathen auf ganz traditionelle Weise mit vor der Brust gefalteten Händen von den Gästeführern der KKM in Köthen begrüßt werden. Aber nach der Erwiderung der leichten Verbeugung bricht sich die Aufregung sofort Bahn und verwandelt die Gruppe weit gereister Ärztinnen und Ärzte in einen summenden Bienenschwarm.
„Und das ist wirklich das Hahnemann-Haus? Dort hat Dr. Hahnemann wirklich gewohnt?“, fragt einer der Mediziner mit leuchtenden Augen und sein Kollege flicht in diesem wunderbar indisch gefärbten englisch ein, dass er schon das fünfte Mal in Köthen sei, um das Hahnemann-Haus zu besuchen.
Homöopathie ist in Indien ganz harmonisch in die Medizin eingebettet
Wobei die Wiederholungsbesucher ganz offensichtlich und sehr eindeutig in der Minderheit sind. Viele der Gäste können es wie der erste Fragesteller noch gar nicht richtig fassen, endlich am Ziel zu sein. „Davon habe ich geträumt, einmal hier her zu kommen und das mit meinen eigenen Augen zu sehen!“, führt eine traditionell indisch gekleidete Ärztin an und dieser Satz wird von den Umstehenden mit lebhaftem Nicken quittiert.
„Gratitude“ – Dankbarkeit, das ist ein Wort, welches immer wieder fällt. Dankbarkeit gegenüber jenem Dr. Samuel Hahnemann, der weltweit als der Begründer der Homöopathie gilt. Diese Heilbehandlung kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Subkontinent und fand dort rasante Verbreitung.
Heute ist die Homöopathie in Indien ganz harmonisch in die Medizin eingebettet, staatlich unterstützt mit sehr guter Ausbildung für die Ärzte. Kein Wunder, dass die indischen Besucher das einzige existierende Wohnhaus jenes Mannes besuchen wollen, dessen Verehrung in Indien weit über das in mitteleuropäischen Gefilden übliche Maß hinaus zelebriert wird.
Aura Hahnemanns erfüllt die Besucher aus Indien förmlich
Das zeigt sich spätestens, als Liane Just vom Hahnemann-Haus vor dem dichtgedrängten Pulk die Reiseapotheke Hahnemanns auf dem originalen Schreibtisch aus Hahnemanns Pariser Zeit öffnet. Zu andächtigem Schweigen allerdings ist in dem Moment kaum Gelegenheit – Tablets, Smartphones und Kameras füllen sich rasant mit Fotos und Videos der Ausstellungsstücke, buchstäblich alles ist von Interesse.
Sogar die Gastgeber werden um Fotos und Einträge in den mitgebrachten Notizblock gebeten, vor allem Liane Just als vielbeneidete ehemalige Bewohnerin des Hauses ist hier Objekt der Begierde. Noch mehr als die Besucher anderer Nationen sehen die indischen Gäste eine gleichsam spirituelle Verbindung zu den gezeigten Objekten und zum Haus. Es ist von der Aura Hahnemanns erfüllt und die Besucher baden förmlich in ihr. So platt es klingen mag, so sind es doch Momente puren Glücks, die der Nichteingeweihte staunend beobachtet.
Von dieser Intensität zeigt sich dann auch der indische Reiseleiter sehr beeindruckt, der auf den nicht eben landestypischen Namen John hört und im Laufe des Besuchs ein Phänomen zur Kenntnis nehmen muss, dass alle Betreuer indischer Reisegruppen in Köthen trifft: „Jetzt sind sie drin und wollen gar nicht wieder raus, dabei müssen wir bald weiter.“
Köthen als Pilgerstätte für Homöopathen
Er berichtet, dass die Gruppe eine vierzehntägige Reise macht und neben Dubai, Italien und Vatikanstadt sowie der Schweiz auch Deutschland besucht. Hier ist Köthen neben dem Torgauer Hahnemann-Zentrum ein absoluter Höhepunkt. Am nächsten Tag werde man nach Paris aufbrechen, um das Grab des großen Homöopathen zu besuchen.
Sogar der Reisezeitpunkt kam nicht von ungefähr. Schließlich ist der mitten in der Reise gelegene 10. April der Welt-Homöopathie-Tag – und der Geburtstag Hahnemanns. Während er erzählt, sammelt er beharrlich und mit Umsicht zusammen mit den Köthener Gästeführern seine „Schäfchen“ wieder ein und gemeinsam geht es noch in die in direkter Nachbarschaft gelegene Europäische Bibliothek für Homöopathie.
Auch hier ist das Interesse natürlich sehr groß, die Fragen konzentrieren sich in dieser Einrichtung auf den Stellenwert der Homöopathie in der deutschen Gesellschaft und die Art und Weise der Ausbildung in Homöopathie hierzulande.
Zum Schluss klickt die Kamera noch für ein Gruppenbild, wobei John achselzuckend zur Kenntnis nimmt, dass wahrscheinlich einige noch dabei sind, selbst zu fotografieren oder Devotionalien zu kaufen. „Ich muss im Bus gründlich durchzählen“, ist seine lakonische Anmerkung dazu. Und er werde schon im Juni mit weiteren Gästen nach Köthen kommen, wenn der Weltverband homöopathischer Ärzte, die Liga Medicorum Homoeopathica Internationalis (LMHI), in Leipzig zur Jahreskonferenz der Mitglieder aus mehr als 70 Ländern ruft.
Tagung war zu groß, um in Köthen stattzufinden
Dabei hätte der Verband gern in Köthen getagt, dies verhindere lediglich die schiere Größe der Tagung, wobei Köthen Korrespondenzstandort mit Veranstaltungszentrum ist.
Immerhin ist der Sitz der LMHI in Köthen und als die Gästeführer der KKM die mittlerweile vollständig im Bus versammelte Gruppe leicht überspitzt aus der „Welthauptstadt der Homöopathie“ verabschieden, ist im Nicken der indischen Gäste keinerlei Ironie zu spüren. (mz)