Beraubt, gefesselt, gefüttert Beraubt, gefesselt, gefüttert: Köthens Oberbürgermeister Bernd Hauschild fügt sich Schicksal an Weiberfastnacht

Köthen - Bernd Hauschild, der so tut, als käme er gerade zurück von einem Termin, läuft auffallend unmotiviert an seinem Schreibtisch vorbei Richtung Fenster, von dem aus er freie Sicht auf den sonnendurchfluteten Marktplatz hat. Und will gerade sagen: „Das sieht ja aus wie...“
Dabei verliert Köthens Oberbürgermeister die Dramaturgie dieses minutiös geplanten Ereignisses vollkommen aus den Augen. „Nein, noch nicht“, ruft Silke Cäsar, die sich als Indianerin verkleidet hinter dem Vorhang versteckt hält und nur für diese so wichtige Ansage kurz zu erkennen gibt.
Es ist Weiberfastnacht. Und die närrische Damenwelt ist im Rathaus mit einer scharfen Schere auf der Jagd nach mehr oder weniger schmucklosen Bindern. Vor allem nach dem des Hausherrn.
Bernd Hauschild verzichtet auf seinen Urlaub und fügt sich seinem Schicksal an Weiberfastnacht
Für Silke Cäsar, die Vorzimmerdame des stellvertretenden Oberbürgermeisters und der Baudezernentin, ist es alle Jahre wieder eine große Freude, sich Gedanken zum Ablauf der Weiberfastnacht zu machen. Anfang Januar, erzählt sie, habe sie angefangen damit - und doch tatsächlich mitbekommen, dass der Oberbürgermeister just zur Weiberfastnacht Urlaub machen wollte.
Schon in Gedanken an einen auf Hauschilds Stellvertreter gemünzten Ablauf, kommt schließlich die Nachricht aus dem Rathaus: Er ist doch da. Bernd Hauschild, der in seiner Freizeit gern angelt, verzichtet auf seinen Urlaub und fügt sich seinem Schicksal an Weiberfastnacht. Und Silke Cäsar kann ihr Anglerkonzept in die Tat umsetzen.
Karnevalisten des Kukakö und der Keethner Spitzen unterstützen den städtischen Weiberfastnachtsrummel
Zweiter Versuch an diesem Vormittag. Bernd Hauschild soll ein weiteres Mal - gänzlich überrascht - den Raum betreten. Dort sieht er vor dem Fenster eine kleine weiße Plastikbadewanne voll Wasser und mit Fischlein stehen. Er beugt sich neugierig darüber, nicht ahnend, dass Silke Cäsar in ihrem Versteck nur darauf wartet, sich seine Krawatte zu schnappen.
Eigentlich soll er nun auf’s Stichwort sagen: „Was für ein kapitaler Hecht!“ Daraus wird: „Das sieht ja aus wie bei mir am Gütersee!“ Silke Cäsar verzeiht ihm die kleine „künstlerische Freiheit“. Sie ist ja am Ziel; sie hat die Krawatte.
Karnevalisten des Kukakö und der Keethner Spitzen unterstützen den städtischen Weiberfastnachtsrummel, der an diesem Vormittag um 11.11 Uhr beginnt und relativ schnell vorüber ist.
Bernd Hauschild lässt den Weiberfastnachtszirkus tapfer über sich ergehen
Doch nicht ohne das Opfer Hauschild an einen Garderobenständer zu fesseln, gewissermaßen stellvertretend für den Marterpfahl, um den die Indianerfrauen singend tanzen. Damit der arme Mann, der schon seiner Krawatte beraubt wurde, nicht auch noch verhungern muss, wird er mit Pfannkuchen gefüttert.
Bernd Hauschild lässt den Weiberfastnachtszirkus tapfer über sich ergehen. Er, der Nicht-Krawattenträger, trägt an diesem Tag natürlich eine. Vielleicht sogar ein teures Exemplar? Er weiß es nicht. Das orange-gestreifte Exemplar stammt noch aus der Krawattensammlung seines Vorgängers Kurt-Jürgen Zander, die er gnädigerweise und für Tage wie diese übernommen hat.
Zimmer des Oberbürgermeisters ist wieder auf Vordermann gebracht
Schon vor dem Mittag ist das Zimmer des Oberbürgermeisters wieder auf Vordermann gebracht. Die Badewanne, in der Hausmeister Michael Funke schon sein Kind badete, ist wieder entleert - vom Wasser und dem Fisch - und aus dem Büro entfernt, in dem nun wieder Ruhe einkehrt.
Die Ruhe vor dem Sturm. Vor den kommenden tollen karnevalistischen Tagen. „Viel Spaß und gutes Wetter“, wünscht er den Damen dafür. Allerdings: Karnevalisten und Angler wie er, die würden kein schlechtes Wetter kennen. (mz)