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Gefunden: Volker Schmidt Bärbel Sander aus Werdershausen hat nach jahrelanger Suche ihren verlorenen Bruder gefunden

Nach einem Aufruf in der MZ im Sommer 2020 ist Bärbel Sander, die aus Werdershausen stammt, nun tatsächlich wieder mit ihrem Bruder vereint.

Von Doreen Hoyer 26.07.2021, 12:28
Geschwisterbande: Volker Schmidt und Bärbel Sander sind ein Herz und eine Seele.
Geschwisterbande: Volker Schmidt und Bärbel Sander sind ein Herz und eine Seele. (Foto: Ute Nicklisch)

Werdershausen/Bernburg/MZ - Wenn Bärbel Sander und Volker Schmidt zusammen am Tisch sitzen und Kaffee trinken, merkt man gleich: Die zwei verstehen sich. Sie gehören zusammen. Na klar, könnte man sagen. Die zwei sind schließlich Geschwister. Aber so klar und selbstverständlich ist diese Verbindung nicht.

Denn die 38-Jährige hat ihren 44 Jahre alten Bruder erst vor wenigen Monaten zum ersten Mal getroffen. Zuvor hatte Bärbel Sander jahrelang vergeblich nach ihm gesucht. Im August 2020, vor elf Monaten also, erschien in der Köthener MZ ein Artikel über die Suche der jungen Frau.

Der MZ-Artikel war ein Versuch, die verlorene Verwandtschaft vielleicht doch noch aufzuspüren

Sie stammt aus Werdershausen. Ihren Vater nennt sie nur „Erzeuger“, den er spielte in ihrem Leben keine weitere Rolle. Sie wuchs zunächst bei ihrer Mutter Gundula auf. Die starb im Februar 1986 an einer schweren Krankheit, da war Bärbel drei. Danach kam sie in ein Heim in Bad Schmiedeberg und wurde adoptiert. Ihre Adoptiveltern wohnen in Gatersleben, Bärbel selbst zog später nach Warburg in Nordrhein-Westfalen. Sechs Geschwister hat sie ihres Wissens nach.

So titelte die Köthener MZ am 24. August 2020.
So titelte die Köthener MZ am 24. August 2020.
(Foto: MZ)

Der MZ-Artikel war ein Versuch, die verlorene Verwandtschaft vielleicht doch noch aufzuspüren. Besonders auf einen setzte Bärbel Sander große Hoffnungen: ihren Bruder Volker. Mit ihm soll sie zunächst in Werdershausen gelebt haben, hatte sie erfahren. Die anderen Kinder seien schon früher weggegeben worden.

Nach der Veröffentlichung des Textes, erzählt Bärbel Sander, hätten sich eine Menge Leute mit Hinweisen gemeldet. Doch sie alle liefen ins Leere. Sie habe den Artikel dann nochmals über Facebook verbreitet und einen Aufruf gestartet. „Dann meldete sich ein Mann, der sagte, er kennt einen Volker Schmidt aus Hamburg. Dieser Volker würde wohl aus der Gegend um Köthen stammen“, erinnert sich Bärbel Sander.

„Ich habe die Nachricht auf dem Anrufbeantworter gar nicht abgehört, sondern gleich zurückgerufen. Und dann haben wir beide geweint.“

Sie bekam eine Telefonnummer, die aber nicht mehr aktuell war. Dann ein zweiter Versuch mit einer anderen Nummer. Der Anrufbeantworter ging ran. „Ich habe seine Stimme in der Bandansage gehört und wusste sofort: Er ist es“, erinnert sich die 38-Jährige. „Dann musste ich erstmal weinen.“ Obwohl sie drei Jahre alt war, als die Volker zuletzt sah, habe sie den Klang seiner Stimme wiedererkannt, berichtet Bärbel Sander. „Die Verbundenheit war sofort da.“

Ihrem Bruder erging es nicht anders. „Ich habe die Nachricht auf dem Anrufbeantworter gar nicht abgehört, sondern gleich zurückgerufen. Und dann haben wir beide geweint“, berichtet er. Das war im November 2020. Danach schrieben die beiden sich Nachrichten. An manchen Tagen waren es 200 Stück. Anfang Dezember dann das erste Treffen. Volker besuchte seine Schwester. „Danach wollte ich ihn eigentlich in Hamburg besuchen. Aber stattdessen ist er direkt zu mir gezogen“, berichtet Bärbel Sander. Die beiden wohnen nun im selben Mehrfamilienhaus in Warburg. Volker Schmidt ist inzwischen ganz selbstverständlich „Onkel Volker“ für Bärbel Sanders Söhne.

Als Volker vor kurzem einen Arbeitsunfall hatte und ins Krankenhaus musste, wurde Bärbel unruhig, weil er sich nicht meldete

Und sie stehen sich nah. Als Volker vor kurzem einen Arbeitsunfall hatte und ins Krankenhaus musste, wurde Bärbel unruhig, weil er sich nicht meldete. „Ich habe meinem Mann gesagt: Da stimmt was nicht. Irgendetwas ist.“ Genau zu dieser Zeit sei Volker operiert worden.

Inzwischen geht es ihm wieder gut. Ein bisschen aufgeregt ist der 44-Jährige am vergangenen Samstag beim Treffen mit der Reporterin. Denn er und Bärbel sind aus Nordrhein-Westfalen zu Besuch in Sachsen-Anhalt. Später an diesem Tag soll Volker nämlich noch einen älteren Halbbruder zum ersten Mal persönlich treffen, den Bärbel bereits früher aufgespürt hatte. „Da freue ich mich sehr drauf“, sagt der 44-Jährige.

Er und seine Schwester wollen nun einen neuen Anlauf starten, um die übrigen Geschwister ausfindig zu machen. Jahrelang hatte Bärbel Sander schon hartnäckig Unterlagen und Hinweise zusammengetragen. Die Hilfe der Ämter in der Region, sagt sie, sei meistens bescheiden ausgefallen oder nicht existent gewesen. Sonst hätte sie früher erfahren, dass Volker ihr jahrelang ganz nah war.

Volker hat kaum Erinnerungen an seine ersten Lebensjahre in Werdershausen

Er kam nach dem Tod der Mutter in ein Heim in Bernburg. Im Gegensatz zu seiner Schwester wurde er aber nicht adoptiert, sondern blieb dort, bis er volljährig war. Als junger Erwachsener wohnte er zunächst weiter in Bernburg, zog dann nach Latdorf und schließlich nach Hamburg. Zu seinem Vater hatte Volker Kontakt, wenn auch spärlich. Der Vater habe Alzheimer bekommen und zuletzt in einem Heim gelebt, berichtet Volker. „Er konnte oder wollte sich nicht erinnern und etwas über die anderen Kinder erzählen. Inzwischen ist er verstorben.“

Volker hat kaum Erinnerungen an seine ersten Lebensjahre in Werdershausen. Man habe ihm nur erzählt, dass er eine kleine Schwester habe. Dass sie und er unzertrennlich gewesen seien. Das sind er und Bärbel nun wieder. Da Volker nun an ihrer Seite ist, fühle sie sich vollständiger, sagt Bärbel. „Da ist ein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen.“ Aber ihr Traum wäre ein Familientreffen mit allen Geschwistern.