Ballettschule in Köthen Ballettschule in Köthen: Step by Step mit Einblick in harte Arbeit vorm großen Auftritt

Köthen - Ballett? Tanzen? „Mädelskram“, würde darauf wohl so mancher Junge sagen und sagt das auch noch. Dennoch gehörte der neunjährige Leon am Wochenende zu den noch zurückhaltenden Besuchern der Tanzschule Step by Step in Köthen. Mehr als 180 Schüler lernen dort das Tanzen und vor allem aber Grundelemente, wie das Halten von Körperspannung und anderes mehr.
Das könnte sich auch Leon aus der Bachstadt vorstellen, der versuchte, die Bewegungen während des Tanzes anderer Grundschulkinder am Rand nachzuahmen. Der Vater des Eleven saß derweil stillvergnügt im Zuschauerraum. „Leon mag das Tanzen; vielleicht entscheiden wir uns für einen Kurs hier“, erzählte Karsten Krüger. Dem Sohn das Tanzen zu verbieten, weil er deshalb Gefahr laufen könnte, Opfer von Hänseleien zu werden? Das kommt für Krüger in keinem Fall in Frage. Klischees à la „tanzende Jungs sind unmännlich“ könne er nicht verstehen.
Die Leiterin der Tanzschule, Antje Streiber-Schon, hat in den letzten Jahren zunehmend eine Veränderung in der elterlichen Einstellung festgestellt. „Die Eltern raten Jungs immer weniger dazu ab, zum Tanzen oder sogar Ballett zu gehen“, sagte sie. Vermeintliche geschlechtstypische Normen verschwinden mehr und mehr. Aber nur langsam: Zwei Jungs - beide in der vierten Klasse - tanzen derzeit zwischen fast 200 Mädchen.
Jahrelanges Training für die Köthener Tänzer
Dass beim Tanz die Mädchenquote übererfüllt ist, konnten die Besucher beim jüngsten Tag der offenen Tanztür sehen. Auf einer Etage arbeitete Victoria Schon, die Tochter der Leiterin, mit Jugendlichen wie Johanna. Diese ist gerade einmal zwölf Jahre alt und zeigte, wie Körperspannung zu elegant aussehenden Bewegungen verhelfen kann. Die Köthenerin hat sich ihre erstaunliche Biegsamkeit jahrelang erarbeitet.
Seit 2008 - also seit elf Jahren - lernt sie in Streiber-Schons Tanzschule. Gerade haben die Übungen für's Tanzen „auf Spitze“ - dem Tanzen auf der Zehenspitze also - begonnen. Dreimal in der Woche trainiert sie dafür. Auch zu ihrer eigenen Sicherheit. Denn beim Tanzen auf den Zehenspitzen ist das Verletzungsrisiko größer als üblich.
Deshalb, hakte Streiber-Schon ein, üben die Kinder etwa ein Jahr lang nur an der Stange, Körperanspannung aufzubauen und ihre Füße korrekt zu bewegen. Dagegen, meinte die Zwölfjährige selbst, sei ein Spagat noch ein Kinderspiel.
Nur mit stetiger Übung wird es einfacher. Und perfekter.
Das Training bei Victoria Schon, einer ausgebildeten Bühnentänzerin, geht stringent durch. Beim Umfassen des Beines mit dem Arm und Nach-oben-Strecken entglitten Johanna und auch ihrer gleichaltrigen Freundin Hanna aus Arensdorf kurz die Gesichtszüge vom Lächeln ins Angespannte. Noch ist es schwer.
Nur mit stetiger Übung wird es einfacher. Und perfekter. „Es könnte schon ein kleines Schwanensee sein“, erwiderte Mutter Judith Zimmer respektvoll. Jetzt habe man erst einmal begriffen, welche Leistungen den Kindern abverlangt werden, setzte die Großmutter Martina Zimmer nach. Erst beim Zuschauen sieht sie leibhaftig vor sich, was sie einst für menschlich unmöglich gehalten hatte - etwa das durchgestreckte Bein in fast allen Lebenslagen.
Selbst eine 80-jährige Dame wohnt den Ballettstunden seit rund einem Jahr bei
Die Biegsamkeit kommt eben nicht von allein. Inzwischen hätten sich außerdem weitere Vorteile bei Johanna und auch Freundin Hanna eingestellt: Konzentrierter seien sie geworden und natürlich selbstbewusster. „Die Mädchen beweisen hier eine unglaubliche Fitness“, zeigte sich Beatrix Gronau als Mutter der zehnjährigen Greta beeindruckt.
Übrigens: Tanz oder Ballett ist nicht nur etwas für jung Gebliebene und Junge. Selbst eine 80-jährige Dame wohnt den Ballettstunden seit rund einem Jahr bei, plaudert die Chefin. Sie hat übrigen schon inklusive Stücke für Tanzaufführungen geschrieben, bei dem unter anderem Rollstuhlfahrer in den Tanzprozess mit einbezogen worden sind. Gleiches könnte auch bei geistig oder körperlich beeinträchtigten Kindern versucht werden. (mz)


