Bäckerin aus Berufung Bäckerin aus Berufung: Bäckerei Elze in Hinsdorf wird 140 Jahre alt

Hinsdorf - Die Bäckerei Elze in Hinsdorf ist auf den ersten Blick ein eher unscheinbares Häuschen auf der rechten Seite in der Linkskurve der Landesstraße 136, die von Köthen nach Bitterfeld führt.
Zwischen dem Schaufenster auf der einen und dem Wandbild auf der anderen Seite der Vorderfront ist die Eingangstür, die eine Stufe hinunter in den Laden führt, fast ein wenig klein geraten. Wohl kaum jemand Fremdes würde auf Anhieb annehmen, dass hier ein Familienunternehmen bereits seit mehr als 100 Jahren seinen Handel betreibt. Am 8. September feiert die Bäckerei ihren 140. Geburtstag.
In der fünften Generation führt Bäckermeisterin Elisabeth Elze, die alle nur „Elli“ nennen, das Geschäft. Seit Wochen ist die Chefin neben ihrer Haupttätigkeit Backen damit beschäftigt, sich salbungsvolle Worte für den großen Tag einfallen zu lassen.
Die Brüder Gottfried und Karl Elze haben vor fünf Generationen die Gemeindebäckerei gepachtet
Vier DIN-A4-Seiten hat sie bereits zusammen und der Vortrag, den sich ihre drei Mitarbeiterinnen Manuela Scholze, Karola Matysiak und Azubi Sarah Saalbach schon einmal anhören konnten, passt auch schon ganz gut. Doch immer wieder fällt „Elli“ noch ein wichtiges Detail ein, das sie gern einbauen möchte. Und ein wichtiger Satz, den sie später im Gespräch fallen lässt, fehlt auf jeden Fall. „Backen ist für mich kein Beruf, sondern eine Berufung.“
Als vor fünf Generationen die Brüder Gottfried und Karl Elze die Gemeindebäckerei pachteten, konnte niemand ahnen, dass sie damit den Grundstein für ein bis weit nach der Jahrtausendwende noch florierendes Unternehmen legen würden. Aus den Pächtern wurden 1906 Eigentümer, denn die Elzes kauften die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandene und mittlerweile baufällige Bäckerei für 3.500 Taler.
Am 1. November 1922 übernahm Elisabeths Urgroßvater Carl die Firma. Das ging bis zum Zweiten Weltkrieg gut, aber dann wurden Carl und sein Sohn eingezogen. „Es war ein erster wirtschaftlicher Einbruch, aber die Ururgroßeltern brachten das Geschäft über die schwere Zeit, bis die Soldaten zurückkehrten“, erzählt Elisabeth Elze. Im Jahr 1958 übernahm Otto Gottfried Karl Elze das Geschäft. Der kleine Betrieb wuchs wieder. Und der Verkauf, der früher im Backhaus stattfand, wurde nun in ein separates Ladengeschäft verlegt.
Den größten Umbau gab es zwei Jahre nach der politischen Wende im Jahr 1991
Mehrere Male wurden in den Folgejahren die Backöfen erneuert, um den Kunden auch stets Qualität anbieten zu können. Den größten Umbau gab es zwei Jahre nach der politischen Wende im Jahr 1991. „Wir kauften einen Backofen, der mit Öl betrieben wurde, konnten dann, bedingt durch den Abriss des alten Holzbackofens, die Backstube erweitern und uns neue Maschinen zulegen.
Auch Ausflüge nach Wolfen und Mosigkau sowie ein Verkaufsauto für die Dörfer haben zu unserer Bekanntheit beigetragen“, erzählt Elisabeth Elze. Heute kommt die Kundschaft vor allem aus dem Durchgangsverkehr von Köthen nach Bitterfeld-Wolfen. „Ich freue mich über jeden Stau auf der A9, weil dann alle hier vorbeifahren“, sagt „Elli“ nicht ganz ernst gemeint. Der Zeit, wenn die B6 fertig gebaut ist, blickt sie mit einiger Skepsis entgegen.
Für Elisabeth Elze beginnt der Tag um ein Uhr nachts. Bis um 9 oder 10 Uhr hat sie mit dem Backen zu tun. Zwischen 30 bis 50 Brote pro Tag in bis zu 20 verschiedenen Sorten, Brötchen, Gebäck und auch Torten entstehen in dieser Zeit. Das Angebot reicht von der klassischen Streuselschnecke über Pfannkuchen, Eclair und Schweinsohren bis hin zum Himbeer-Mascarpone.
Der traditionelle Ruhetag am Montag ist für Termine bei Behörden vorgesehen
„Auf Anfrage kreieren wir auch Motivtorten. Etwa zur Einschulung, zur Hochzeit oder auch mal eine Bayern-München-Torte für besondere Fans“, erzählt „Elli“ Elze.
In der Mittagszeit gibt es eine kleine Pause, am Nachmittag ist die Buchführung dran, auch der Haushalt und die Familie - Lebensgefährte Andy und Sohn Karl Ethan - fordern ihr Recht. Um 20 Uhr geht es ins Bett. Der traditionelle Ruhetag am Montag ist für Termine bei Behörden vorgesehen. „Diesen Tagesablauf gibt es, seit ich 16 Jahre alt bin“, sagt die 34 Jahre alte Bäckermeisterin, die auch schwierige Zeiten durchleben musste.
Vor zwei Jahren, als die neue Hygieneverordnung kam, wäre sie fast verzweifelt. „So viele Vorschriften. Wenn ich damals zehn Jahre älter gewesen wäre, hätte ich alles hingeworfen“, erzählt Elisabeth Elze. Vergessen ist mittlerweile auch jene schwere Zeit vor knapp elf Jahren, als ihr Sohn geboren wurde.
Heute hat Elisabeth Elze mit der Personalnot und den schwankenden Kosten zu kämpfen
Elisabeth Elze war seinerzeit privat versichert, bekam während des Mutterschutzes aber kein Geld. „Ich habe viele Türen eingerannt, aber um mein Elterngeld habe ich gekämpft, bis mein Sohn in die Schule gekommen ist“, sagt sie.
Heute hat Elisabeth Elze mit der Personalnot und den schwankenden Kosten zu kämpfen. Doch diesen Kampf meistert sie. Dabei steht eines für sie felsenfest: „Ich werde nie über die eigenen Verhältnissen leben. Verschulden kommt nicht in Frage. Vorher ziehe ich mit Sicherheit die Reißleine und suche mir einen anderen Job“, sagt sie. (mz)
Die Landbäckerei Hinsdorf ist seit fünf Generationen ein privates Unternehmen der Familie Elze. Elisabeth Elze ist die erste Chefin. Die Betreiber im Einzelnen:
1878 - 1922:
Gottfried + Karl Elze
1922 - 1958:
Carl Elze
1958 - 1972:
Otto Gottfried Karl Elze
1972 - 2006:
Karl-Heinz Elze
seit 2006:
Elisabeth Elze
In der Landbäckerei Elze wird am Sonnabend natürlich tüchtig gefeiert. Von 9 bis 15 Uhr ist ein buntes Programm für Groß und Klein geplant. Mit von der Partie sind Klecs Köthen, die Tierhilfe und auch die Freiwillige Feuerwehr, die Überraschungen für die Kinder geplant hat. Auch eine Hüpfburg und das Kinder-Schminken werden in Hinsdorf nicht fehlen.
Natürlichwird auch die Bäckerei mit ihrem umfangreichen Angebot an Backwaren ihren Teil zum Gelingen des Jubiläums leisten.
