Ausschuss-Mehrheit dafür Ausschuss-Mehrheit dafür: Bekommt Aken nach jahrelanger Diskussion eine Kneipp-Anlage?

Aken - Was Birgit Diedering jetzt sagen will, scheint ihr so wichtig, dass sie dafür aufsteht. Sie appelliert an die Mitglieder der Fraktion Frei & Fair für Aken (FFA), in sich zu gehen, bevor sie eine Entscheidung fällen. Die FDP-Abgeordnete hat den Eindruck, FFA würde das Projekt „niederreden“ - und das findet sie „nicht fair“.
Katja Meyer (FFA) fühlt sich angesprochen. Und will diesen Vorwurf auf keinen Fall gelten lassen. Niemand rede hier irgendetwas nieder.
Sie habe lediglich ihre Meinung gesagt.
Der Ausschuss für Bau, Planung, Sanierung und Ordnung des Akener Stadtrates trifft sich in der vergangenen Woche, um die Planung der Kneipp-Anlage auf den Weg zu bringen. Ein Thema, das seinen Ursprung bereits in der Legislaturperiode des alten Stadtrates hat.
Kneipp-Anlage ist schon wieder Teil einer wochenlangen Debatte
Nun ist die Kneipp-Anlage seit Wochen wieder in der Diskussion. Die Kosten explodieren. Ein Sonderstadtrat, der sich ausschließlich mit dem Wasser- und Gesundheitspark an der Elbe befassen soll, wird kurzfristig abgesagt. Denn in einem Fachgespräch beim Bürgermeister mit dem Planer, mit Vertretern aus dem Stadtrat wird wenige Tage zuvor entschieden, die Planung noch einmal zu überarbeiten.
Und die liegt dem Ausschuss jetzt vor. Gewissermaßen als Vorplanung, wie man sie von normalen Straßenbaumaßnahmen kenne, erläutert Oliver Reinke (CDU), der Vorsitzende des Ausschusses. Weil es inhaltliche Änderungen gegeben hat, sollen die Leistungen neu ausgeschrieben werden.
Katja Meyer begrüßt grundsätzlich den Ansatz, einen Standort - die einstige Kohlehandlung nahe des Ausflugslokals „Naumanns Schuppen“ - aufzuwerten. Aber ihr ist das Projekt zu eng gefasst. Zu sehr auf Kneipp fokussiert, was ihrer Meinung nicht zu Aken passe. Sie hätte sich eine „anspruchsvolle Freiflächensanierung“ vorgestellt. Ein Platz mit mehr Aufenthaltsqualität. Ein paar Bänke reichen ihr da nicht. Ihr sei allerdings bewusst, dass es für umfassende Änderungen zu spät sein dürfte.
Im Zentrum steht ein Wassertretbecken aus Edelstahl: 5,2 mal 2,6 Meter groß
Bürgermeister Jan-Hendrik Bahn (parteilos) erinnert an den Förderzweck - und der ist Kneipp. Dafür bekomme man die Fördermittel über Leader. Im Zentrum steht ein Wassertretbecken aus Edelstahl: 5,2 mal 2,6 Meter groß und 55 Zentimeter tief. Zusätzlich bekommt die Anlage eine Wassererlebnisfläche und eine Kräuterspirale. Der neue Wasser- und Gesundheitspark ist Teil eines touristischen Gesamtkonzeptes, ergänzt der Bürgermeister.
Mit Ladestationen für Elektrofahrräder. Mit Fahrradboxen. Auch mit hoher Aufenthaltsqualität, wie er findet. Man brauche „einen markanten Punkt“, „ein Highlight“ für Touristen. Einen Grund, hier Station zu machen. Letztlich soll die Kneipp-Anlage dazu beitragen, die Innenstadt weiter zu beleben.
Er kenne viele Leute, die sich auf die neue Kneipp-Anlage freuen, sagt Lothar Seibt (FDP). Außerdem habe man jetzt „die Chance, einen Batzen Fördermittel abgreifen zu können“. Für die FFA-Stadträtin Katja Meyer allerdings ist „Kneipp nicht der Schlüssel für Förderung“.
Die Stadt Aken hatte für die Kneipp-Anlage an der Elbe Fördermittel aus dem Leader-Fonds der Europäischen Union für den ländlichen Raum beantragt. Bei der Angebotsauswertung wird klar: Das Geld reicht nicht aus. Rund 56.700 Euro stehen im September 2018 auf dem ursprünglichen Fördermittelbescheid. Doch die Baukosten steigen enorm: Letztlich werden circa 65.000 Euro mehr benötigt.
Die Stadt Aken stellt einen Mehrkostenänderungsantrag. Ende August 2020 schickt das Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten Anhalt den Änderungsbescheid und erklärt damit, dass die zusätzlichen Kosten auch zusätzlich gefördert werden: Der geänderte Bescheid beläuft sich jetzt auf knapp 140.000 Euro Gesamtkosten, die förderfähig sind.
Die Stadt bekommt den Kneipp-Park am Ende mit fast 105.000 Euro gefördert. Das sind 75 Prozent. Die restlichen knapp 35.000 Euro muss Aken aus dem eigenen Haushalt stemmen.
Das Schlimmste, was passieren könnte: Die Anlage steht zwei Jahre, verdreckt und muss wieder abgerissen werden
Die beschriebenen touristischen Effekte ließen sich „auch mit einer anderen Widmung erreichen“. In ihren Augen fehlt „das Fundament“ für dieses Projekt. Zum Beispiel ein Verein, der sich darum kümmert. Ihr Fraktionskollege Siegfried Mehl bringt den hohen Pflegeaufwand gerade im Sommer ins Spiel. Das sei Arbeit für mindestens eine Person im Bauhof. Das Schlimmste, was aus seiner Sicht passieren könnte: Die Anlage steht zwei Jahre, verdreckt und muss wieder abgerissen werden. „Wir blamieren uns bis auf die Knochen.“
Anke Nielebock (Linke) fragt sich, ob die Fördermittel weg wären, würde man die Planung jetzt nicht beschließen. In dem Fall, bestätigt Jan-Hendrik Bahn, würde das Kneipp-Projekt tatsächlich enden. Eine Idee, die überregional als „Wahnsinnsprojekt“ angesehen werde. Aus Sicht des Bürgermeisters steigere man mit der Kneipp-Anlage „die Attraktivität nach außen und nach innen“, für Touristen wie für Einheimische.
Nachdem der Ausschuss mehrheitlich bei einer Gegenstimme, drei Enthaltungen und drei Ja-Stimmen die Planung bestätigt, können die Leistungen ausgeschrieben werden - allerdings unter Vorbehalt. Die Stadt muss abwarten, wie sich der Haushalts- und Finanzausschuss zur überplanmäßigen Ausgabe von circa 35.000 Euro positioniert. (mz)