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Aue bei Aken Aue bei Aken: Schwarzstorch auf seltenen Besuch

Von Henrik Klemm 17.09.2017, 12:00
Polnische Wissenschaftler haben Schwarzstörche mit Sendern versehen. Einer von diesen (Foto) hält sich derzeit im Landkreis Wittenberg auf, der andere kommt immer wieder an die Elbe bei Aken.
Polnische Wissenschaftler haben Schwarzstörche mit Sendern versehen. Einer von diesen (Foto) hält sich derzeit im Landkreis Wittenberg auf, der andere kommt immer wieder an die Elbe bei Aken. Axel Schonert

Aken/Bleddin - Ingolf Todte ist überrascht. Einen Schwarzstorch, der mit einem Sender versehen ist, dessen Flugroute aufgezeichnet wird, solch ein Exemplar habe er bislang an der Elbe rund um Aken noch nicht beobachten können.

Dabei kann Todte, Mitglied im Ornithologischen Verein Aken und Weißstorchbetreuer für den Altkreis Köthen, mit Fug und Recht als Storchenexperte bezeichnet werden. „Wir hatten schon Ringfunde, aber ohne Sender“, sagt der 54-Jährige, der sich seit fast 40 Jahren der Vogelwelt verschrieben hat. Klar, dass den Akener da die Neugier packt.

Eine absolute Seltenheit

Und so macht er sich an einem Septembermorgen auf, um nachzuschauen, ob er den Schwarzstorch zu Gesicht bekommt. „Ich habe ihn nicht gefunden. Das deutet darauf hin, dass er noch alleine ist. Mehrere zusammen fallen ja eher auf. Dafür waren heute 65 Silberreiher am Neolithteich“, informiert er. Einen Tag später hat Todte dann doch noch Glück. „Habe ihn gefunden. Der Schwarzstorch steht an der Alten Saale bei Klein Rosenburg und ist alleine“, lautet seine Nachricht.

Dass er so gezielt nach dem Vogel suchen kann, das hat er zuallererst den polnischen Wissenschaftlern Joachim Siekiera und Piotr Zielinski sowie dem Ornithologen Axel Schonert aus Bleddin im Landkreis Wittenberg zu verdanken. Der hatte sich im August die Augen gerieben: 23 Schwarzstörche an der Elbe bei Bleddin. Eine absolute Seltenheit. „Das ist deutschlandweit spitze“, sagt er und freut sich sichtlich über diese Beobachtung. Schwarzstörche bilden zwar mit den hierzulande gut bekannten Weißstörchen quasi eine Familie, unterscheiden sich von ihren etwas größeren Verwandten aber deutlich. Sie sind ausgesprochen scheue Tiere, bauen ihre Horste nicht nahe bei Siedlungen, sind keine „Kulturfolger“, wie Schonert bemerkt, sondern eher „Kulturflüchter“. Außerdem sind sie extrem störungsempfindlich, ziehen sich deshalb gerne in Wälder zurück.

Unwahrscheinliches Glück

Dass der Biologe die Vögel überhaupt aufspüren und fotografieren konnte, ist ein Glück. „Ich habe mich den Deich hochgepirscht und vorsichtig über die Krone geschaut.“ Dann sieht Schonert die Störche und macht die entscheidende Entdeckung. Einer von ihnen, allesamt befinden sie sich auf der Reise in ihre afrikanischen Winterquartiere, trägt einen Farbring. Dessen Nummerierung leitet den Ornithologen später zu der Homepage der polnischen Spezialisten, die diesen und auch den Akener Schwarzstorch beringt haben. Im Internet kann Schonert die Flugroute der beiden Exemplare nachvollziehen. Sie werden am 1. Juli 2017 als nestjunge Vögel in einer Viererbrut südöstlich von Wroclaw beringt und mit Sendern versehen.

Die Geschwister machen sich am 29. Juli auf die Reise Richtung Afrika und erreichen nach kurzer Bummelei durch Polen und die Niederlausitz am 2. August gemeinsam die Elbaue. Seitdem pendelt der eine zwischen der Dübener Heide, Wittenberg, Torgau und Klöden. Insbesondere die Elbwiesen zwischen Bleddin und Klöden haben es ihm angetan. Der andere, der Akener Schwarzstorch also, fliegt weiter. Erst geht es nach Norden in den Fläming, dann vor die Tore von Magdeburg, um am Folgetag bereits wieder nach Südosten abzudrehen. Seitdem inspiziert er bis heute die Elbaue im Raum Breitenhagen, Lödderitz, Wulfen, Aken und Dessau-Großkühnau. Er macht zudem Abstecher nach Wanzleben, Egeln sowie Staßfurt, fliegt an die Saale nach Alsleben, Plötzkau, Bernburg oder Nienburg (siehe Grafik).

„Der hat erkannt, wo es etwas zu holen gibt“, sagt Ingolf Todte. Das wiederum sei ein klares Zeichen, wie wichtig die Elbaue für die Vögel ist. Kleine Fische, Krebse, Insekten, auch Mäuse, all das könne der Schwarzstorch hier finden, wenn auch die sinkenden Wasserstände nicht wenig Probleme bereiten und das Nahrungsangebot dezimieren.

Es wird immer trockener

Todte erinnert in diesem Zusammenhang an das Hochwasser 2013, als große Flächen überflutet wurden und der Tisch für die Tiere reich gedeckt war. 2013 habe er im August/September 32 Schwarzstörche beobachten können. Einige trugen Ringe, sie kamen aus dem Fläming, dem Erzgebirge, der Niederlausitz und aus Tschechien.

Seitdem kommen die Schwarzstörche Jahr für Jahr wieder, suchen die Flächen um Aken, Susigke, Obselau und bei Wulfen auf, wo einst das Wasser am längsten stand. Heute erwartet sie dort häufig aber nur noch immer trockener werdender Acker. Zudem verlieren die Altarme der Elbe kontinuierlich an Wasser. „Darum werden es in jeder Saison weniger Schwarzstörche, in diesem Jahr habe ich nur zwei beobachtet“, erklärt der Ornithologe. Interessant sei zudem, dass Schwarzstörche viel mehr umherstreichen, als Weißstörche.

„Gerade die jungen Vögel ziehen quer durch Europa, legen relativ große Strecken zurück. Sie suchen sich Lebensräume, die ihnen zum späteren Ansiedeln günstig erscheinen. Nach drei bis vier Jahren, wenn sie geschlechtsreif sind, suchen sie diese auf.“

Deshalb hat Todte die Hoffnung, dass etwa mit der Deichrückverlegung bei Lödderitz eine Ansiedlung dort möglich wird. Vielleicht ist es der Akener Schwarzstorch, von den Polen übrigens mit „Bocian czarny ST84 - Lubienie“ bezeichnet, der irgendwann einmal im Überflutungsgebiet seine Jungen aufzieht. Der Ornithologe würde sich freuen, denn mit Brutpaaren ist die Region nicht wirklich gut bestückt. Zwischen 650 und 750 soll es in Deutschland geben, in Sachsen-Anhalt sind es 30 bis 35 und im Landkreis Anhalt-Bitterfeld steht nur ein einziges Brutpaar im Raum Zerbst in der Statistik.

Seltene Brutvögel

Auch ein Blick in die Vergangenheit bestätigt, dass Schwarzstörche im Altkreis Köthen sehr selten brüten. Nach Angaben von Todte gab es ein Paar, welches in den 1960er Jahren bis Mitte der 1970er Jahre im Lödderitzer Forst Nachwuchs aufzog. Ein weiteres konnte von 1979 bis 1990 im Diebziger Forst beobachtet werden. „Das war hier das letzte Brutpaar. Sie hatten ihren Horst auf einer alten Eiche, die von der Straße zu sehen war. Dann wurde die Eiche gefällt“, erinnert sich Todte, der sich garantiert dieser Tage noch einmal auf den Weg zum Akener Senderstorch machen wird. So einen sieht man eben nicht alle Tage.

Wer die Flugrouten der Schwarzstörche verfolgen möchte, kann dies unter www.ptaki-silesiana.pl/28/2/monitoring-lotow-v20.html# tun.

(mz)