1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Köthen
  6. >
  7. Anhalt-Bitterfeld: Anhalt-Bitterfeld: Wenn der Blitz ins Mittagessen fährt

Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Wenn der Blitz ins Mittagessen fährt

Von LOTHAR GENS 13.07.2010, 17:57

LÖBNITZ/MZ. - Das war die Zeit, in der Firmenchef Boris Bergmann vom Sicherheitsservice per Telefon die ihn elektrisierende Nachricht erhielt, dass das Firmengelände komplett ohne Strom sei. Das ist bei einem Essenslieferanten, bei dem die Vorbereitungen für die Portionen morgens um 3 Uhr losgehen, ganz und gar nicht ohne Belang. Doch Bergmann nahm zu dieser Zeit noch an, dass es sich nur um einen ganz normalen Stromausfall handeln könne, der bald behoben sei. "Und das hatten wir ja schon mal, das wäre nicht so das Problem", sagt er.

Doch es sollte anders kommen. Als der erste Koch, Jan Herold, um 3 Uhr im Betrieb eintraf, rief er sofort den Geschäftsführer an: "Bei uns ist es komplett duster." Und von der EnviaM war zu hören, dass die keine Störung im Netz verzeichnet hatte. Da stand fest: Der Fehler liegt auf dem Betriebsgelände. Die Mitarbeiter kontrollierten alle Sicherungen: Nichts. Die Gröbziger Firma Elektro-Schulze rückte an und grenzte die Fehlerquellen weiter ein. Schließlich blieben noch die Groß-Sicherungen, die die "Schulzes" aber nicht prüfen oder reparieren dürfen. Dafür musste ein dafür ausgebildeter Spezialist kommen. Doch der fand: Nichts. Dann war eigentlich nur noch ein Teil übrig, an dem es liegen konnte: der Hochspannungs-Trafo. Wiederum mussten Spezialisten her, die Köthener Firma Bohnefeld.

Deren Mitarbeiter fanden dann heraus, dass mit dem Trafo nichts mehr geht. Da waren aber schon Stunden ins Land gegangen, in denen die Bergmann-Leute tatenlos verharren mussten. Es trat quasi der Krisenplan in Kraft. Das firmeneigene Notstromaggregat reicht nur aus für die Telefonanlage und einen Computer. Da wurde dann den meisten Kunden telefoniert, dass heute leider kein Essen kommen würde . . .

Aber für die Kühlung der Vorräte - dafür reichte der "Notstromer" nicht. Glücklicherweise kamen die "Elektro-Schulzes" auf die Idee, im

Hof Pfaffendorf nachzufragen. Und der stellte gleich ein großes Notstromaggregat zur Verfügung, das sonst die Elektrizität für die Beregnung von Feldern liefert. Boris Bergmann: "Aber das reichte eben wieder nicht mehr aus fürs Kochen. Wenn alle 20 Kessel laufen, das zieht ganz schön aus der Leitung."

Um die 7 000 Bestellungen liegen in der Ferienzeit an Werktagen an. Wie viele Tausend davon ausgefallen sind, konnte Bergmann nicht exakt sagen. Aber, dass seine Mitarbeiter alles daran gesetzt haben, wenigstens Kindergärten und Schulen zu beliefern. "Für die Kinder haben wir Kaltschale gemacht", so Boris Bergmann über die Bemühungen, "teilweise auch Bockwurst mit Brötchen." Da sind dann die ganzen Fahrer gestartet, die ja nichts auszufahren hatten, und haben Großeinkäufe an Brötchen getätigt. Und außerdem schnippelten die Mitarbeiter in Handarbeit Kartoffelsalat für Einrichtungen der Diakonie. Bergmann: "Was eben noch so ging."

Am Mittwoch wird voraussichtlich wieder alles gehen, denn die Firma Bohnefeld hat sofort einen neuen Trafo, der übrigens "schlappe" zweieinhalb Tonnen wiegt, besorgt. Dessen Lieferung war für Dienstagabend angekündigt. Für das Küchenpersonal unter den rund 70 Mitarbeitern hat der Ausfall von Dienstag natürlich Konsequenzen: Die Leute mussten diesmal nicht 3 Uhr morgens anrücken, sondern schon 24 Uhr - womöglich sogar noch eher -, um die Rückstände aufzuholen. "Zum Glück sind Ferien", ist Boris Bergmann etwas erleichtert. "Da haben wir einen gewissen Puffer." Denn ansonsten wären noch weit mehr als die rund 7 000 Essen auszuliefern.

So können also am Mittwoch, wenn die MZ erschienen ist, die Transporter der Firma Bergmann aller Wahrscheinlichkeit nach wieder rollen. Sollte es mit dem Trafo wider Erwarten nicht klappen, stellt die EnviaM ein containergroßes Notstromaggregat zur Verfügung, und es kann auch gekocht werden.

Doch am Dienstagnachmittag noch mussten sich die "Bergmänner" auch Strom von ihren Firmennachbarn borgen. Durch Leitungen - schnell über die Straße gezogen - floss der "Saft" für die Computer. Boris Bergmann, dankbar für die Hilfe der Nachbarn Löbnitzer Verformungstechnik GmbH und Pulverbeschichtung Domitz GmbH: "Für die ganze Elektronik ist der Notstrom zu unregelmäßig."