Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Mysteriöse Baugenehmigung in Elsdorf?
Elsdorf/MZ. - Der Begriff "Außenbereich" ist für so manchen ein Reizwort. Vor allem, wenn er auf dem Grundstück der Eltern für seine Familie ein Eigenheim bauen möchte. Beginnt nämlich hinter dem elterlichen Haus der "Außenbereich" des Ortes, so gibt es keine Baugenehmigung, selbst wenn man auf dem Grundstück für ein zweites Haus noch 1 000 Quadratmeter Platz hätte. Im Köthener Ortsteil Elsdorf scheint es eine Ausnahme von dieser Vorschrift zu geben. Doch die Umstände sind mysteriös.
Vor zehn Jahren hatte der Köthener Sascha Kusmin ein Grundstück in der Klietzener Straße in Elsdorf entdeckt. Am Ortsrand gelegen, mit unverbautem Blick auf die Landschaft, entsprach es so recht seinen Vorstellungen von einem Zuhause für seine Familie. "Ich bin ein Naturfreund und möchte auf meinen Grundstück Tiere halten, ohne Nachbarn damit zu belästigen", begründete der Kriminalbeamte, warum er beim Bauordnungsamt der Stadt nachfragte, ob hinter diesem Grundstück jemand bauen dürfte. Die Mitarbeiterin der Behörde habe ihn beruhigt: Dahinter befinde sich der Außenbereich, da dürfe nicht gebaut werden, "nicht heute und nicht in Zukunft". Mit dieser Begründung sei auch Kusmins Ansinnen abgelehnt worden, sein Haus einige Meter von der Straße entfernt zu errichten. Dann hätte es nämlich in den Außenbereich hineingeragt. Auch Bauanträge zweier Nachbarn seien unter Hinweis auf den Außenbereich nicht genehmigt worden.
Im März 2010 beobachtete Kusmin, wie auf dem Nachbargrundstück Bäume einer Streuobstwiese gefällt wurden. Sascha Kusmin erfuhr, dass genau dort, wo laut Bauordnungsamt nicht gebaut werden durfte, die neuen Besitzer den Bau eines Wohnhauses vorbereiten würden. Wieder fragte er beim Bauordnungsamt nach und erfuhr zu seinem Erstaunen, auf eine Bauvoranfrage für dieses Grundstück habe man eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt. Auf seine Frage, wie das möglich sei, habe Kusmin von dem Mitarbeiter, der mit der Anfrage befasst war, ausweichende Antworten erhalten. Eine habe gelautet, die Gesetze hätten sich geändert. "Aber als Kriminalist merke ich, wenn mich jemand belügt", äußerte der Familienvater.
Sein Widerspruch beim Köthener Bauordnungsamt gegen die Genehmigung der Bauvoranfrage sei abgelehnt worden - von dem gleichen Mitarbeiter, der diese bearbeitet hatte. Ein weiterer Widerspruch - diesmal beim Landesverwaltungsamt - brachte nur scheinbar Erfolg. Die Genehmigung sei zwar nicht rechtmäßig, jedoch würde sie nicht zurückgezogen. Bürger müssten sich schließlich auf behördliche Entscheidungen verlassen können, hieß es in der Begründung. "Ich bin doch auch Bürger und habe mich auf die Auskünfte des Bauordnungsamtes verlassen", gibt Sascha Kusmin zu bedenken. Er ließ die Sache nicht auf sich beruhen, wandte sich an das Innenministerium und an den Petitionsausschuss des Landtages.
Inzwischen hat das Köthener Bauordnungsamt die Baugenehmigung erteilt. Dort an der Klietzener Straße in Elsdorf wird ein zweistöckiges Wohnhaus errichtet.
Die Stadtverwaltung bestätigt sowohl den Bauvorbescheid aus dem Jahr 2009 als auch Baugenehmigungen vom September 2011 und für einen geänderten Antrag im Januar 2012. Gegen beide habe Kusmin Widerspruch eingelegt. Kusmins Widerspruch sei an das Landesverwaltungsamt Magdeburg übergeben worden und werde dort noch bearbeitet. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne die Verwaltung keine weiteren Informationen erteilen.
Auf MZ-Anfrage wird noch mitgeteilt, jenes Grundstück liege "im unbeplanten Innenbereich" und sei nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches genehmigt worden. Dieser geht von einem Bauvorhaben innerhalb von "im Zusammenhang bebauten Ortsteilen", also im Innenbereich aus.
Interessant ist, dass sich der Hauptausschuss des Stadtrates am 4. September ab 18.30 Uhr unter anderem mit einer Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Köthen für "Elsdorf westlich der Klietzener Straße" entsprechend des Paragrafen 2 des Baugesetzbuches befassen wird. Davon betroffen sei besagtes Grundstück, war aus dem Rathaus zu erfahren.
In jenem Paragrafen ist die Bauleitplanung geregelt, in der auch Bebauungspläne für Teilbereiche aufgestellt werden. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Verwaltung mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes für das umstrittene Grundstück in der Klietzener Straße ihr Handeln von den Stadträten nachträglich legalisieren lassen möchte. Der Bauausschuss hat am Donnerstag bereits zugestimmt - ohne Diskussion. Allerdings wäre ein Baubeginn während der Planaufstellung laut Paragraf 33 des Baugesetzbuches erst nach Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung zulässig.
"Strukturelle Veränderungen" würden es erforderlich machen, die "Festsetzungen zur Art der Bodennutzungen den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen", heißt es aus der Stadtverwaltung. Zu jenen "Gegebenheiten" dürfte der dort an der Klietzener Straße ohne Bauleitplanung und Bebauungsplan genehmigte und bereits begonnene Hausbau gehören.
Da das Baugesetzbuch in einem solchen Planungsverfahren die Beteiligung der Öffentlichkeit vorsieht, können interessierte Bürger die Unterlagen der Planänderung zu gegebener Zeit in der Stadtverwaltung einsehen und sich auf einer noch vorgesehenen Informationsveranstaltung selbst ein Urteil bilden.