Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kohlenschleppen war beliebte Strafe
GÖRZIG/MZ/AF. - Die Einladungen zu einem besonderen Klassentreffen im Sportlerheim Schortewitz wurde in diesem Jahr verschickt. Fünfzig Jahre nach der Einschulung und vierzig Jahre nach dem Ende der Schulzeit trafen sich die Klassenkameraden von einst am vergangenen Sonnabend wieder und hatten dazu auch sieben ihrer ehemaligen Lehrer eingeladen. Warum es diese Klasse nicht schaffte, sich zwischendurch zu treffen, blieb allen ein Rätsel. Eingeschult wurde sie 1960 in den Grundschulen Schortewitz, Glauzig, Hohnsdorf und Görzig, die zur Polytechnischen Oberschule Görzig gehörten.
Zwei gestandene Männer aus der ehemaligen Klasse, Hans Joachim Märtens und Günter Fiedler, organisierten diese Zusammenkunft. Keine leichte Aufgabe in der heutigen Zeit, denn inzwischen leben viele im Land verstreut und nicht mehr in der näheren Umgebung. Umso erfreulicher, dass nur wenige aus wichtigen persönlichen Gründen absagten. Empfangen wurde die Schar mit einer kleinen Zuckertüte, auf der eine dicke "50" leuchtete und jeden daran erinnerte: "Kinder wie die Zeit vergeht".
In einem kurzen offiziellen Teil stellte Günter Fiedler fest: "Wir alle sind gestandene Leute, jeder hat seinen Platz im Leben gefunden und fast alle nehmen noch aktiv am Arbeits- und gesellschaftlichen Leben teil." Dass es den ehemaligen Direktor der Oberschule, Detlef Bergk, nicht auf dem Stuhl hielt, war klar. In seiner kurzen Ansprache zollte er den Schülern von einst viel Lob und auch ein wenig Stolz schwang mit. Bergk wurde 1959 als stellvertretender Direktor nach Görzig versetzt. 1960 war die nach 50 Jahren wieder Versammelten, die ersten, die er einschulte und damit in die Hände von Klassenlehrerin Anneliese Brauser legte. Erstaunlich, dass sie - bis auf einen Erstklässler, dessen Name auch keiner der Anwesenden mehr wusste - alle ihre Schüler noch mit Vor- und Familiennamen kennt.
Der 1960er-Jahrgang war auch insofern ein besonderer, dass es die erste Klasse an der POS Görzig war, die Direktor Bergk von der ersten bis zur zehnten Klasse begleitete und feierlich im Klubhaus Görzig ins Leben entließ.
Klassentreffen, sind vor allem Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und in alten Erinnerungen zu schwelgen. Viele wurden an diesem Abend wach. Die von Grind gezeichneten Knie, zerrissenen Hosen, die damals noch oft üblichen handfesten Erziehungsmaßnahmen oder der Pionierfüller, mit dem nach Herzenslust Wasser durch den Unterrichtsraum gespritzt wurde oder auch die erste Tanzstunde, ließen die Mitschüler Revue passieren. Das Kohlen-Schleppen für den Hausmeister war eine der Strafen, wenn jemand bei Dummheiten erwischt wurde, denn die Schule hatte noch Ofenheizung.
Von den 35 Schülern gingen nach der achten Klasse vier zur Erweiterten Oberschule, drei verließen die Schule. Im neunten Schuljahr nahmen alle an der "Tanzstunde" teil, die der Klassenlehrer mit seiner Frau im Klubhaus Görzig durchführte. Gesprochen wurde an diesem Abend beim Klassentreffen auch viel von der Einstellung zum lernen und gegenseitiger Hilfe "Wir wollten ja schließlich etwas werden", äußerten viele der Ehemaligen als Begründung.
So kam es, dass der Ruf zur Eröffnung des Büfett mehrmals wiederholt werden musste, bevor die ersten dorthin aufbrachen. Dass auch die sieben Lehrer zum Büfett eingeladen wurden, zeugt vom guten Miteinander. Und es wundert wohl niemanden, dass in Zukunft weitere Treffen folgen sollen.