Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kapitäne der Landstraße erobern Arensdorf
ARENSDORF/MZ. - Die Freunde der SR 2-Mopeds treffen sich in Wulfen, die Trabi-Fahrer in Reppichau, die BMW-Fans in Radegast. Nun scheint sich auch Arensdorf als Stammplatz einer ganz speziellen Fahrzeugliebhaberschar zu entwickeln: Nach dem ersten Trucker-Treffen vor einem Jahr rollten am Wochenende zum zweiten Mal die Kapitäne der Landstraße durch den Ort, um auf dem Gelände der Firma Paletten-Ulrich ihre stattlichen Zugmaschinen zu platzieren. Waren es vor einem Jahr zwölf Fernfahrer, fanden sich zur zweiten Auflage bereits 25 Trucker aus ganz Deutschland zusammen.
"Und nächstes Jahr werden es sicher noch mehr", zeigt sich Rico Single überzeugt. Er wird von seiner Truppe kurzerhand zum Pressesprecher bestimmt, um die Reporter-Fragen zu beantworten. Rico kommt vom Autohof Berg in Franken, der an der A 9 kurz hinter der ehemaligen innerdeutschen Grenze liegt. Nach Arensdorf ist er mit seinem schwarz lackierten Scania gefahren, einem Truck, unter dessen Motorhaube 640 Pferdestärken werkeln.
"Black Warrior" steht auf dem Windabweiser über der Fahrerkabine, was schwarzer Krieger heißt. Mit dem Krieger ist wohl eher Ricos Zugmaschine gemeint, die zur Waffe werden kann, wenn der Fahrer sie nicht mehr beherrscht. Single selbst strahlt Ruhe und Freundlichkeit aus und ist, wie er erklärt, "Trucker mit Leib und Seele". Um die 160 000 Kilometer schrubbt er im Laufe eines Jahres mit seinem Sattelschlepper auf den Straßen kreuz und quer durch Deutschland und Europa herunter.
So wie sich Skatfreunde oder Modellbauer regelmäßig treffen, um in der Gemeinschaft ihrem Faible nachzugehen, haben auch Fernfahrer das Bedürfnis, sich mit ihresgleichen auszutauschen. Das ist allerdings schwierig. Wie soll man ein Treffen organisieren, wenn die Zeit knapp und jeder in einer anderen Himmelsrichtung unterwegs ist?
"Raststätten und Parkplätze an Autobahnen, das sind so ziemlich die einzigen Orte, wo man miteinander ins Gespräch kommen kann. Viel Zeit bleibt aber nicht, jeder muss ja seine Fracht pünktlich zum Ziel bringen", schildert Rico Single die besondere Situation der Trucker. Immerhin: Diejenigen, die sich unterwegs kennen lernen und merken, dass sie gut miteinander können, tauschen ihre Handynummern aus und bleiben in Kontakt. "Alle, die heute nach Arensdorf gekommen sind, haben sich irgendwann mal kennen gelernt und verstehen sich gut. Und alle haben gesagt, wir sollten uns mal wieder treffen", erklärt der "Black Warrior"-Fahrer.
Aus neun größeren und kleineren Lkw besteht der Fuhrpark der Firma Paletten-Ulrich. "Wir holen aus Polen Paletten, fahren auch nach Holland. Ostdeutschland ist aber unsere Domäne", erzählt Junior-Chef Gregor Ulrich. Auch er hat sich bei den Fernfahrten mit anderen Kollegen angefreundet. So war es für das Arensdorfer Unternehmen selbstverständlich, Gastgeber des Treffens zu sein.
Freitagabend rangieren die ersten Trucker ihre Fahrzeuge rückwärts auf den Hof. Sonnabend ist der Platz nahezu voll. Die meisten Fahrer kommen mit beladenen Sattelzügen nach Arensdorf, haben ihre Tour extra so geplant. Solo mit der Zugmaschine anreisen, das kann sich keiner leisten. Rico beispielsweise fährt gerade Sammelgut von Österreich nach Norwegen. Steven Richter von der Chemnitzer Spedition Bonitz lädt seine Fracht ganz in der Nähe ab. "Ich konnte den Zwischenstopp mit einer Fahrt nach Bayern verbinden", sagt Matthias Platz vom Transportunternehmen Korff aus Mecklenburg.
Sie alle haben nun zwei Tage ganz für sich. Die Zeit wird genutzt zum Quatschen, zum Fachsimpeln und um kleinere Verschönerungen an den Fahrzeugen vorzunehmen. Matthias Platz beispielsweise bringt akribisch einen Aufkleber an, der verrät, dass der junge Mann im mecklenburgischen Genzkow zu Hause ist. Mit dem Zollstock wird genau gemessen, dass die Abstände stimmen. "Hier ist es zwei Millimeter zu hoch", bemerkt Rico, der seinem Kollegen zur Hand geht. Zum Korrigieren ist es aber zu spät. Und wer nimmt schon zwei Millimeter wahr, wenn der Truck über die Autobahn rollt?
Die auffällig lackierten Trucks, teils sogar mit kleinen Kunstwerken aus Airbrush versehen - sie sind der ganze Stolz der Männer. Die Fahrerkabine ist quasi das Heiligtum. Die meisten Trucker betreten sie barfuß, weil der Fußboden mit feinem Leder ausgestattet ist wie auch die Verkleidungen der Türen. Mancher hat kleine Lämpchen in Türrahmen oder um die Radiolautsprecher eingebaut. "Wir sind halt Freaks", bemerkt der Pressesprecher knapp. Für die Ausstattung seines Fahrerhauses hat Rico fast 6 000 Euro investiert. "Das ist doch meine Wohnstube, wenn ich tagelang unterwegs bin."
Samstagabend lassen die Trucker die Hupen ihrer Autos ertönen. Und sie schalten alle Scheinwerfer und bunten Lämpchen an. In der Dunkelheit entfalten die großen Autos ihre ganze Pracht. Die Arensdorfer kommen und staunen. "Ich hoffe, sie sind nicht böse über unser Hupkonzert", sagt Rico.
Ein Abstimmung der Besucher zum schönsten Truck gibt es auch: Gewonnen hat "Bombe" aus Mecklenburg mit seinem roten Scania. Zweiter wird Andreas Hunkert aus Görlitz mit seinem silbergrauen Volvo. Bronze holt sich Rico.