87-Jährige pflegt seit Jahren liebevoll ein Soldatengrab
GROSSPASCHLEBEN/MZ. - Dennoch kann man die Seniorin häufig auf dem Friedhof treffen, und das nicht erst, seit ihr Mann Gustav hier begraben liegt.
Gertrud Hanemann ist eine von unzähligen Frauen und Männern, die überall im Lande die Gräber gefallener Soldaten aus beiden Weltkriegen pflegen, deren am Volkstrauertag, dem 15. November, wieder auf zahlreichen Veranstaltungen gedacht wird.
Doch im Unterschied zu manch offiziell in Auftrag gegebener Grabpflege kümmert sich die Großpaschlebenerin aus innerer Überzeugung und ohne großes Aufsehen seit vielen Jahren um die letzte Ruhestätte jener 26 Soldaten, die am 15. April 1945, also kurz vor Kriegsende, ganz in der Nähe ihr Leben ließen.
Rückblick
"Als das passiert ist, habe ich noch nicht in Großpaschleben gewohnt", erzählt Frau Hanemann, die im Saarland geboren und aufgewachsen ist. "Mein erster Mann ist 1943 im Krieg gefallen, kurz vor unserem zweiten Hochzeitstag." Damals war sie gerade mal 25 Jahre alt. Ihr zweiter Mann, Gustav Hanemann, gebürtiger Cosaer, war damals als Kriegsgefangener im Steinkohlebergbau beschäftigt. Als er 1947 zurück nach Großpaschleben ging, wo er ein Haus besaß, folgte sie ihm.
Hier hat sie dann von alt eingessenen Großpaschlebenern wie Herrn Matthias von den Ereignissen des 15. April erfahren. Damals sollen junge Soldaten aus verschiedenen Einheiten zusammengezogen worden sein, um den Ort gegen die Amerikaner zu verteidigen, die mit Panzern anrückten. Die 26 erschossenen Soldaten, die bis auf einen alle Erkennungsmarken bei sich trugen, wurden an der Straße in Richtung Frenz gefunden und später in Großpaschleben beigesetzt, wo ihnen die Familie von Wuthenau einen Grabstein setzen ließ. So habe sie es jedenfalls gehört, sagt Gertrud Hanemann.
Der Grabstein sei irgendwann umgefallen, wieder aufgerichtet und restauriert worden, aber um die Grabfläche habe sich niemand gekümmert, die sei verwildert. Schon zu DDR-Zeiten, als das gar nicht gern gesehen wurde, hat Frau Hanemann das Grab der Soldaten mit Blumen geschmückt. "Ich habe dabei immer an meinen gefallenen Mann gedacht", erzählt sie. Von dessen Grab im fernen Russland hat sie über die Jahre ein Foto aufbewahrt, welches ihr ein Kamerad ihres Mannes schickte. Selbst besuchen konnte sie es nie. "Als ich vor zwei Jahren eine Einladung bekam, da war ich gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage", erzählt sie. Aus einem Brief des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge erfuhr sie, dass die sterblichen Überreste ihres ersten Mannes Johann Konrath inzwischen auf den deutschen Soldatenfriedhof Charkow in der Ukraine umgebettet wurden, zusammen mit denen weiterer 35 000 Gefallener.
Mit viel Liebe
Wer am Sonntag zum Volkstrauertag den Friedhof in Großpaschleben besucht und in der hinteren rechten Ecke den alles überragenden Stein des Soldatengrabes sieht, der wird über die mit viel Liebe gestaltete Grabfläche staunen. "Inzwischen hilft mir meine Großnichte Silke Berlin aus Köthen bei der Pflege, allein könnte ich das nicht mehr", sagt Gertrud Hanemann, die sich auch ein wenig darüber ärgert, dass sich die Gemeinde in den vielen Jahren kaum gekümmert habe. "Um den Blumenschmuck kümmere ich mich ja gern", sagt Gertrud Hanemann, "denn ich liebe Blumen sehr", aber das Verschneiden der Sträucher und das Roden eines Nadelbaumes habe ihr in den vergangenen Jahren viel Laufereien und Arbeit beschert.
Stilles Gedenken
Einmal zu Weihnachten habe sie für all das ein paar Dankesworte von der Gemeinde bekommen. Zwar erstatte diese inzwischen per Quittung einen Teil des Grabschmuckes, und seit dem vergangenen Jahr bekommt die 87-Jährige auch eine kleine Aufwandsentschädigung, aber viel lieber hätte sie es gesehen, wenn sich Jüngere gefunden hätten, um ihre Arbeit fortzusetzen. Denn seit nach der Wende auch im Osten Deutschlands wieder der Volkstrauertag begangen wird, hat Gertrud Hanemann die Pflegearbeiten in immer größerem Umfang übernommen. Stück für Stück habe sie, anfangs noch zusammen mit einer Frau aus der Gemeinde, Streifen um Streifen der Fläche wieder ansehnlich hergerichtet.
Darüber freuen sich mit ihr vor allem jene Männer, die seit der Wende regelmäßig zu dem Grab kamen und mit denen die Großpaschlebenerin nun in Verbindung steht: Rolf Hermann aus Wilhelmshaven betrauert zwei gute Freunde, Rudi Walter und Paul Schultz, die bei Großpaschleben gefallen sind, als er selbst gerade als Melder unterwegs war. Und zwei Männer aus Westberlin gedenken an dieser Stelle ihres gefallenen Bruders Klaus Hilber (auf dem Grabstein steht der Name falsch).