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Überblick Wie sich der Bestand an Wölfen im Kreis Wittenberg und Umgebung entwickelt - und wo sie heimisch sind

Bei dem Rudel in der Annaburger Heide bleibt der Nachwuchs aus. Was Experten und Ehrenamtler außerdem aus Revieren des Kreises Wittenberg festhielten. Ein Blick ins Monitoring

Von Ute Otto Aktualisiert: 17.01.2022, 16:02
Auge in Auge mit dem Wolf - zwischen Linda und Dixförda gelang 2021 dem Tierfotografen Jan  Janisch diese Aufnahme.
Auge in Auge mit dem Wolf - zwischen Linda und Dixförda gelang 2021 dem Tierfotografen Jan Janisch diese Aufnahme. Foto: Jan Janisch

Jessen/MZ - Sieben Wolfsrudel mit Stärken zwischen vier und zwölf Tieren sowie drei Paarterritorien (insgesamt 61 Tiere) waren im Wolfsmonitoring des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Mai 2020 bis 30. April 2021 erfasst worden. 35 Welpen wurden gezählt. Allerdings überlebten nicht alle. Fünf Wölfe, die den Rudeln zugeordnet werden konnten, stehen auf der Verlustseite. Über die Entwicklung der Rudel in der Dübener Heide und Oranienbaumer Heide, die mit zwölf beziehungsweise elf Mitgliedern die stärksten waren, hat die MZ bereits berichtet. Aus den anderen Territorien gibt es ebenfalls spannende Neuigkeiten.

Linda wird im Monitoringbericht des Landes Sachsen-Anhalt 2020/21 als neues Paarterritorium geführt. Allerdings nimmt die Geschichte einen tragischen Ausgang, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Seit Herbst 2020 hatte es Hinweise aus der Bevölkerung und von Jägern gegeben, dass sich im Umfeld von Linda ein Wolfspaar aufhält.

Im März wurde an der Bahnstrecke bei Kleinkorga eine tote Fähe gefunden, die Opfer eines Unfalls geworden war. Das Tier, das nachweislich dem Rudel in der Glücksburger Heide entstammte, war tragend mit vier Embryonen - also muss es einen Partner gegeben haben. In der Folgezeit sei in der Gegend gelegentlich noch ein einzelner Wolf zu beobachten gewesen.

Aus diesem Grund hat der Bereich den Status eines Paarterritoriums „auch wenn sich das Territorium unter Umständen auch gleich wieder auflösen könnte“, wie es im Bericht heißt.

Die Annaburger Heide ist ebenfalls nur noch als Paarterritorium eingestuft. Das Vorhandensein eines unbekannter dritten Wolfes sei nicht auszuschließen, es könnte laut Einschätzung der Experten auch ein Durchzieher sein, der von der Fotofalle erfasst wurde. Weil er nicht identifiziert ist, zählt er für dieses Territorium nicht mit. Zum ersten Mal seit 2013/14 wurden keine Welpen nachgewiesen.

Die Lausiger Mark gilt als drittes neues Paarterritorium. Rüde Felix, in diesem Monitoringjahr besendert, und seine Partnerin haben sich südlich der Stadt Bad Schmiedeberg niedergelassen. Woher Felix stammt, sei noch nicht zweifelsfrei geklärt. Die Wölfin entstamme dem Rudel im Nachbarterritorium der Dübener Heide. Das Monitoring wird von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNNE) sowie vom Landesforst und Landratsamt Nordsachsen unterstützt.

Dritte Vaterschaft registriert

In der Glücksburger Heide ruht das Rudel „stabil in sich“, heißt es im Bericht. Fünf Welpen waren 2020/21 die Nachkommen einer 2014 aus Polen zugewanderten Fähe. Für den Rüden unbekannter Herkunft sei es die nunmehr dritte Vaterschaft. Bei der Aufzucht der Jungen unterstütze Elsa. Die große Schwester aus dem Vorjahreswurf war im Herbst 2021 vom Forscherteam der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde besendert worden. Neun Wölfe gehörten zum Rudel.

Am Golmer Berg, zwischen Bad Schmiedeberg und Wartenburg, hat sich 2019/20 ein Wolfspaar niedergelassen. Fünf Welpen gab es im Berichtszeitraum. Anfang April 2021 war in diesem Territorium eine illegal abgeschossene erwachsene Fähe gefunden worden. Die Experten haben herausgefunden, dass diese nicht zum siebenköpfigen Rudel gehörte, sondern eine Wanderin aus der Glücksburger Heide war.

Im Hohen Fläming, nördlich von Coswig, seien die Wölfe allein durch Fotonachweise schwer zuzuordnen, da ihr Territorium dicht am grenzübergreifenden Wolfsgebiet Göritz-Klepzig liege. Um so wichtiger sei die Auswertung genetischer Spuren wie etwa Kot. Der Rüde des vierköpfigen Rudels war während der Ranzzeit überfahren worden, so dass bisher nicht geklärt werden konnte, ob er noch der Vater der Welpen war, die allerdings erst spät einzeln festgestellt wurden. Weil nicht zweifelsfrei feststehe, ob die Welpen überhaupt zum Rudel gehören, steht in der Statistik bei der Welpenzahl eine Null.

Das Coswiger Rudel (sechs Tiere) ist von Wölfen umzingelt. In allen Himmelsrichtungen grenzen die Territorien der Artgenossen an das Revier, das seinen Schwerpunkt mehr in den Osten von Roßlau verlagert hat. Es ist laut Experten die nunmehr dritte Verpaarung in dem Territorium. Die Mutter stammt aus der Oranienbaumer Heide. Drei Welpen wurden von Fotofallen erfasst, von denen einer im September 2020 bei Klieken überfahren wurde, der zweite im Frühjahr 2021 auf seiner Wanderschaft in Niedersachsen.

In Wittenberg Nord ist der Rüde des Rudels durch eine alte Verletzung gekennzeichnet. Weil es für Experten leicht ist, ihn auf Fotos zu identifizieren; könne das östlich von Göritz-Klepzig, westlich der Glücksburger Heide und südlich von Treuenbrietzen gelegene Wolfsrevier gut abgegrenzt werden. 2019 war hier das erste Rudel nachgewiesen worden. Nicht aufgeklärt sei das Verwandtschaftsverhältnis von sechs der insgesamt neun Wölfe im Rudel, die genetisch auf jeden Fall zusammen gehörten. „Möglich sind eine Mutter-Nachkommen-Kombination oder eine reine Geschwistergruppe“, heißt es im Bericht. Die detaillierte Entschlüsselung der genetischen Verpaarung anhand von Proben wird daher als Aufgabe für das weitere Monitoring genannt. Nachgewiesen wurden in dem Territorium zudem Durchwanderer aus Babben-Wanichen in Brandenburg und aus der Glücksburger Heide.

Die Wölfe des in das Brandenburgische hineinreichenden Territoriums Göritz-Klepzig werden vom Land Brandenburg gezählt. Für das Monitoring arbeiten aber haupt- und ehrenamtliche Experten beider Länder zusammen. Das seit 2012/13 bestehende Rudel werde bereits von der dritten Generation angeführt, der letzte Wechsel sei nach dem illegalen Abschuss des Rüden im April 2020 vorzeitig erfolgt. Das Rudel besteht aus fünf Tieren, davon drei Welpen. Das Treuenbrietzener Rudel - zwei Alttiere, drei Welpen - tangiert ebenfalls Sachsen-Anhalt, so dass mitunter nordöstlich von Zahna Wölfe zu beobachten waren, sichtbare genetisch auswertbare Spuren hätten sie aber im Berichtszeitraum nicht hinterlassen.

Weniger Risse

Als bemerkenswert wird im Monitoringbericht die positive Entwicklung bei den Zahlen der Nutztierrisse durch Wölfe gemeldet. Das sei ein Zeichen, dass Aufklärung und Förderung des Herdenschutzes fruchten. Aus dem Kreis Wittenberg sind demnach 2020/21 vier Vorfälle gemeldet worden. „Ich finde es schade, dass die Berichterstattung über Wölfe auf die Nutztierrisse reduziert wird“, sagt Nils Schumann.

Als Revierförster in Göritz unterstützt er das Monitoring im Großraum Raum Coswig. „Nutztierrisse sind nicht schön“, so der Forstmann. „Aber für die Waldbewirtschaftung sind die Wölfe ein absoluter Gewinn. Sie regulieren die Wildbestände und wir haben deutlich weniger Schäden durch Wildverbiss, und damit auch weniger Kosten“, erklärt Revierförster Schumann.