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Wenn das Tenorhorn krächzt

Von H.-Dieter Kunze 30.01.2008, 17:05

Seyda/MZ. - Da ist guter Rat teuer und "Medizinmänner"in dieser Branche äußerst rar. Einer davonist Waldemar Boneki aus Seyda.Seit 35 Jahren repariert er Blechblasinstrumentefast jeder Art. Die Besitzer von Trompete,Tenorhorn, Posaune, Bariton, Jagdhorn, Kornett,dem kleinsten Blechblasinstrument, sowie derbasstongewaltigen Tuba geben sich bei ihmförmlich die Klinke in die Hand, um ihre "Patienten"abzuliefern und heilen zu lassen. Vor allemMusikformationen aus der Region gehören zumKundenstamm. Darunter die Lustigen SeydaerBlasmusikanten, die Wittenberger und SchweinitzerPosaunenchöre, Jagdhornbläserformationen,Blasmusikanten aus Schlieben und Sonnewaldeund das Jugendblasorchester Falkenberg. AuchMusikschulen in Luckenwalde und Jüterbog sowiezahlreiche Privatmusiker bringen ihre Instrumenteseit Jahren nach Seyda. Selbst ein Tubaspieleraus München gehört zu den Stammkunden vonWaldemar Boneki. Ein Exot war vor Jahren derBesitzer eines Sousaphons, dem Blechblasinstrumentzum Reinsteigen mit dem riesigen Resonanztrichter.Trotzdem, mit einer Tuba kommt es nicht mit.Sie erzeugt über drei bis sechs Ventile dietiefsten Töne. Eine davon hängt im Werkstattcontainer.Sie gehörte einem Musiker aus Seyda und stammtaus den dreißiger Jahren. Allerdings, gegendie älteste erhaltene Tuba ist sie ein Benjamin.Ihr "Stammvater" wurde etwa 300 vor Christusgefertigt und ist im Etruskischen Museum inRom zu bewundern.Die ältesten "Patienten", denen Waldemar Bonekiwieder die Töne beibrachte, waren zwei Tenorhörneraus Kaiser Wilhelms Zeiten. Ab und an landetauch einmal ein Saxophon auf der Werkbankund wird repariert. Allerdings, Saxophonesind zwar wie Querflöten überwiegend aus Metallgefertigt, die Töne werden aber durch Rohrblättchenerzeugt. Deshalb gehören sie zu den Holzblasinstrumenten."Ich wollte längst damit aufhören, denn mit74 Jahren sollte man endlich seinen Ruhestandgenießen. Aber die Leute rennen mir förmlichdie Bude ein, und so habe ich mein Gewerbeimmer noch nicht an den Nagel gehängt. Außerdemist kein Nachfolger in Sicht", sagt er. DieBude, damit meint Waldemar Boneki seinen Werkstattcontainerauf dem Hof. Er ist gut ausgestattet, Drehbankund Schleifbock gehören ebenso dazu wie dieHauptwerkzeuge Hammer, überwiegend aus Holzund Gummi, passende Gegenstücke in unterschiedlichenDurchmessern zum Ausbeulen sowie Feilen undanderes hilfreiches Kleinwerkzeug. An einerPinnwand hängen Fotos von Blasmusikformationen,Solospielern und Visitenkarten von Kunden,deren Instrumente in Seyda repariert wurden.Zunächst wird jedes Instrument einer gründlichenUntersuchung unterzogen. Waldemar Boneki überprüftvor allem den Festsitz der Schrauben, dieDichtheit, Ventiltechnik und die Drücker.Ersatzteile fordert er bei Bedarf von dertraditionsreichen Musikinstrumentenfabrikin Markneukirchen im Vogtland an. Sehr arbeitsintensivist das Ausbeulen der blechernen Klangkörper,die aus Messing oder Goldmessing geformt sind.Das ist eine wahre Filigranarbeit. Besondersanfällig dafür sind die schwergewichtigenTuben. "Damit stolpern Musiker häufig, vorallem bei Umzügen. Na ja, liegt sicher meistensam Kopfsteinpflaster", meint Waldemar Bonekietwas hintergründig lächelnd. Oft hilft ihmseine Lebenspartnerin Ruth Schwerdt beim Ausbeulenund hält die Gegenstücke. Zum Abschluss des"Klinikaufenthaltes" in Seyda werden die Instrumentemit Drahtbürste, feinem Schmirgelpapier undLederstreifen poliert, alles in aufwändigerHandarbeit. Viele werden danach verschicktund in einem Spezialbetrieb mit Hochglanzlackbehandelt, bei 110 Grad Celsius eingebrannt.Manche Wehwehchen können umgehend ambulantbehandelt werden. Meist dann, wenn "Spaßvögel"bei Platzkonzerten oder Volksfesten Gegenständein die Resonanztrichter von Tuba & Co. gesteckthaben. Gummibälle, Plastikbecher aber auchGummipuppen hat Waldemar Boneki geschickt"herausoperiert".Aufgeben kann der gelernte Dreher mit Meisterabschlussals Landmaschinen- und Traktorenschlossersowie BMSR-Ingenieur seine ausgefallene Tätigkeitalso noch lange nicht. Zumal ähnliche Werkstätten,so in Potsdam und Dresden, weit entfernt sind.Auch die Lustigen Seydaer Blasmusikanten möchtenihn in ihren Reihen nicht missen, wenn erdie große Trommel schlägt. Seit dem Besucheiner Musikschule ist er als Hobbymusikerdabei. Bei einem Umzug am 1. Mai 1949 trater als Bläser erstmals öffentlich auf. WaldemarBoneki beherrscht neben anderem das Tenorhorn."Trotzdem, das Stimmen der Instrumente überlasseich den Spielern selbst. Ich bin doch nurder Mechaniker und Karosserieklempner", erklärter.