1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Wein aus Jessen: Weinbau mit Herz und Hingabe: Beate Trittin bringt Licht in die Reben

Wein aus Jessen Weinbau mit Herz und Hingabe: Beate Trittin bringt Licht in die Reben

Mit jedem Blatt ein Stück Leidenschaft: Winzerin Beate Trittin kämpft sich durch Hitze, Frost und Zeitdruck – und bringt ihre Reben mit Hingabe zum Leuchten. Ein Leben zwischen Wetterextremen und Weinfesten.

Von Thomas Tominski Aktualisiert: 18.07.2025, 10:01
Winzerin Beate Trittin auf ihrer Anbaufläche
Winzerin Beate Trittin auf ihrer Anbaufläche (Foto: Thomas Tominski)

Jessen/MZ. - Beate Trittin läuft ein paar Meter in die Reihe hinein und streckt ihre Arme in Richtung Rebstöcke. „Wenn die Triebe sich in der Mitte treffen, ist es eigentlich zu spät“, so die Winzerin, die seit Juni mit einem Laubsauger über die 1,4 Hektar große Anbaufläche am Jessener Gorrenberg marschiert und die Trauben sozusagen ans Licht befördert.

„Vorher bin ich achtmal ohne maschinelle Unterstützung durch“, erzählt die 60-Jährige, die in Hanglage Scheurebe, Kerner, Muscaris, Cabernet Blanc und Chardonnay anbaut. Bei der Entlaubung spielen die Himmelsrichtungen eine entscheidende Rolle. An der Westseite, im Volksmund die Wetterseite, bleiben die Blätter größtenteils dran, damit die Trauben bei Regen keinen Schaden nehmen und die Nachmittagssonne diesen keinen Sonnenbrand verpasst. „Das möchte kein Winzer. Der Sonnenbrand verändert völlig den Geschmack“, so die Expertin, auf der Ostseite „wird ordentlich gelichtet“.

Sonne, Frost und Familie: Beate Trittin meistert die Herausforderungen des Weinjahres

Wer vom Wetter abhängig ist, führt in puncto Daten Protokoll. Die lange Trockenheit vom 12. Juni bis zum 11. Juli habe den Rebstöcken sehr zugesetzt. Mit Tröpfchenbewässerung können die Pflanzen zwar am Leben erhalten werden, doch ein Winzer verfolgt mehr das Ziel, dass die Wurzel in die Tiefe geht und sich dort die notwendige Feuchtigkeit holt.

Auf der Anbaufläche hat Beate Trittin, die bei ihren Brüdern Frank und Ingo auf dem Weingut Hanke arbeitet und in Axien wohnt, 2010 die ersten 4.000 Rebstöcke gesetzt, neun Jahre später 2.000 weitere. Was in der Region bei Weinfesten immer geht, sagt sie, sei der Kerner. Da auf den Veranstaltungen viel älteres Publikum anzutreffen ist, dürfen die Freunde „des Lieblichen“ nicht vergessen werden.

Auf dieser 1,4 Hektar großen  Anbaufläche  am Jessener Gorrenberg  hat die Winzerin  6.000 Rebstöcke  gesetzt.
Auf dieser 1,4 Hektar großen Anbaufläche am Jessener Gorrenberg hat die Winzerin 6.000 Rebstöcke gesetzt.
(Foto: Thomas Tominski)

Der Spätfrost im April 2024 hat auch auf ihrer Anbaufläche ordentlich Schaden angerichtet. 60 Prozent der früheren Erntemenge sind futsch. In diesem Jahr haben sich Spätfrost und Eisheilige nicht blicken lassen, deshalb geht die Winzerin von einer guten Ernte aus.

Beim Thema Eiswein hält sich Trittin etwas zurück. „Im letzten Winter gab es nur vier Tage richtig Winter.“ Der Eiswein wird aus gefrorenen Trauben hergestellt, die laut Vorschrift in Deutschland bei Temperaturen von minus sieben Grad Celsius oder kälter gefroren geerntet und danach sofort gepresst werden. Nur etwa zehn Prozent der ursprünglichen Ausgangsmenge ergeben Eiswein in der Flasche.

Eiswein bleibt Pokerspiel – Winzerin Trittin entscheidet im Oktober

Das Prädikat verleiht eine für den Winzer zuständige Prüfstelle. Für die 60-Jährige ist es ein Pokerspiel, denn bei einem lauen Winter hat sie schlechte Karten. „Mal sehen“, meint sie, „das entscheide ich erst im Oktober.“

Die Scheurebe ist unter Weinkennern sehr beliebt.
Die Scheurebe ist unter Weinkennern sehr beliebt.
(Foto: Thomas Tominski)

Die Winzerin betont, dass Weinanbau genau ihr Ding sei und sie mit dem Herzen bei der Sache ist. Anderseits: Mit 100 Jahren möchte sie nicht mehr auf den Anbauflächen arbeiten. Deshalb sei sie froh, dass es zwei Nichten gibt, die diese Laufbahn eingeschlagen haben. „Sie werden später alles übernehmen. Es bleibt sozusagen in der Familie.“ Ihre Kinder seien in anderen Berufen glücklich.

Trittin berichtet auch, dass die Arbeit auf den Anbauflächen niemals abreißt. Mit Biegen und Binden der Reben, um eine gleichmäßige Verteilung der Triebe zu erreichen, Entfernen überschüssiger Triebe und Knospen, um die Qualität der Ernte zu sichern, Laubarbeiten, Mulchen der Winterbegrünung zur Verbesserung der Wasserspeicherung oder Erneuerung von Pfählen und Drahtrahmen, zählt sie immer wiederkehrende Abläufe auf, die sie auf Trab halten.

Kerner, Chardonnay & Co.: Warum die Jessener Winzerin den Geschmack ihrer Kundschaft genau trifft.

Mit ihren Weinen scheint Trittin den Geschmack der Kunden getroffen zu haben. Sie ist beim Sommerfest am Wochenende in Axien mit einem Stand präsent, ebenso beim Jessener Weinfest am 5. August sowie beim Prettiner Stadtfest am 14. August.

„Das ist für mich eine Premiere, den Weinausschank an diesem Abend zu übernehmen.“ Am 3. und 8. August stehen jeweils ab 16 Uhr zwei kleine Weinwanderungen rund um ihre Anbaufläche auf dem Programm. Wann ist die Weinlese geplant? „In der zweiten Septemberhälfte“, sagt sie mit Blick auf die Trauben.

Im September steht wieder Weinlese auf dem Programm.
Im September steht wieder Weinlese auf dem Programm.
(Foto: Thomas Tominski)

Bei den Winzern gilt folgende Pi-mal- Daumen-Regel: Weinblüte bis Lese 100 Tage. Um die Ernte macht sich die 60-Jährige keine Gedanken. Seit Jahren steht ihr ein treuer Helferstamm zur Verfügung. Und nach der Arbeit folgt die gesellige Runde.

Wenn Trittin in die Reihen schaut, fällt der Winzerin das Stillsitzen schwer. Sie zupft Blätter ab, entfernt überschüssige Triebe, bezeichnet die grüne Fläche als Laubwand, die in Pfahlhöhe gestutzt wird – und charakterisiert im Schnelldurchgang einige Weine.

Die Stärke der Scheurebe sind Geschmack und Duft, der „unkomplizierte Kerner“ trifft geschmacklich der Nerv der Kunden und der aufstrebende Cabernet Blanc verkörpere den Geist der neuen Zeit.