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Vereinsleben  Vereinsleben : Fischaufzucht in Mühlanger vor dem Aus

Von Aline Gorldt 11.09.2019, 12:30
Joachim Schade, Susann Wichert, Julia Weier und Reiner Heinrich (v.l.) diskutieren mögliche Lösungen, den Aufzuchtteich an der B 187 in Mühlanger zu retten. Der Teich ist ausgetrocknet, im Zahnabach und im Greye-Bach fehlt ebenso Wasser. In beiden Bächen sind Biberdämme zu finden.
Joachim Schade, Susann Wichert, Julia Weier und Reiner Heinrich (v.l.) diskutieren mögliche Lösungen, den Aufzuchtteich an der B 187 in Mühlanger zu retten. Der Teich ist ausgetrocknet, im Zahnabach und im Greye-Bach fehlt ebenso Wasser. In beiden Bächen sind Biberdämme zu finden. Aline Gorldt

Mühlanger - „Das war unser ganzer Stolz“, sagt Reiner Heinrich über die Fischzucht vom Angelverein Mühlanger. In dem 1970 vom Verein angelegten Aufzuchtteich an der B187 in Mühlanger wurden einjährige Karpfen zu zweijährigen aufgezogen. Jetzt scheint damit Schluss zu sein. Im zweiten Jahr in Folge mussten die Fische not-abgefischt werden. Normalerweise bleiben die im April eingesetzten Fische bis Oktober im Teich. 2018 mussten sie schon am 11. August, 2019 sogar schon am 6. Juli gerettet werden.

Der Grund dafür, so ist es auch in beiden Not-Abfischprotokollen niedergeschrieben: Der Zahnabach hat kein Wasser. Da dieser in den Teich einspeist ist die logische Konsequenz, dass dort ebenfalls bald das Wasser fehlen würde. So kam es dann auch. Jetzt ist der Teich eine grüne „Wiese“. Dass hier mal das Wasser 60 bis 180 Zentimeter hoch gestanden haben soll, ist nur schwer vorstellbar.

Schuldfrage geklärt?

Gründe für das Verschwinden des Teiches wissen Joachim Schade, Vorsitzender des Angelvereins Mühlanger, und sein Stellvertreter Reiner Heinrich so einige: Natürlich ist die extreme Trockenheit Schuld, dass der Zahnabach und übrigens auch der Greye-bach kaum Wasser führen. Der Zahnabach selbst und seine Verfassung, erklärt Heinrich, machen zum anderen alles noch schlimmer: „Der Bach ist in einem miserablen Zustand. Da ist nur noch Schilf und Gras“, ein Durchkommen des Wassers ist, da sind sich beide einig, bei diesem Zustand kaum möglich. Last but not least werde das Wasser aber vor allem von einem zurückgehalten: dem Biber!

Entlang des Zahnabaches in Richtung Zahna sind mehrere Biberdämme von den Nagern gebaut worden. Diese, da sind sich die Angler sicher, sind daran Schuld, dass auch das letzte bisschen Wasser nicht mehr den Weg in den Teich finden kann. „Die Angler geben auf, der Biber hat gewonnen!“ steht auf einem Schild im ausgetrockneten Teich. Dieses und noch ein weiteres, am Geländer, sollen auf die Lage der Angler aufmerksam machen.

Die Vereinsmitglieder fühlen sich machtlos. „Der Biber muss immer eine Handbreit Wasser unterm Bauch haben“, sagt Joachim Schade und kritisiert dabei, dass der Schutz des Bibers wichtiger sei, als der von Gewässern oder anderen Tierarten, die ebenso unter dem akuten Wassermangel im Zahnabach leiden.

Die MZ hat nach ersten Gesprächen mit den Vereinsvorsitzenden die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Wittenberg um eine Einschätzung der Sachlage gebeten. Die zuständige Behörde wurde vom Angelverein noch nicht hinzugezogen. Da dem Leiter, Heiko Tschetschorke, und seinen Mitarbeitern dieser Fall gänzlich unbekannt war, beorderte er spontan zwei Kolleginnen nach Mühlanger zum zuvor mit Schade und Heinrich durch Vermittlung der MZ vereinbarten Termin, um sich schnellstmöglich ein Bild von der Situation machen zu können.

„Dass beide Gräben trocken sind, liegt am Biber“, meint der Vereinsvorsitzende zu Julia Weier, Sachbearbeiterin für Artenschutz, und Susann Wichert, Sachbearbeiterin für Oberflächengewässer. Wichert wiederum erläutert, dass die Wetterlage ausschlaggebend dafür sei und untermauert dies mit den seit Jahren durch Messungen nachgewiesenen, sinkenden Wasserständen im Zahnabach.

Schade hingegen bleibt bei seiner Einschätzung, dass die Biberdämme einen freien Abfluss unmöglich machen und deshalb dringend etwas passieren müsse. Der Aussage Heinrichs, dass nur der Biber geschützt werde, widerspricht Julia Weier ausdrücklich. Bei der momentanen Wetterlage, erklärt die Sachbearbeiterin für Artenschutz weiter, sehe sie keine Notwendigkeit die Biberdämme zu schlitzen oder gar zu entfernen.

Das Wasser würde auf dem Weg zum Teich versickern. Für die Sorgen der Angler, hat sie Verständnis. Trotzdem muss eine langfristige und vor allem gewinnbringende Lösung her. Denn den Anglern geht es, das betonen sie, nicht nur um das Wohlergehen ihres Aufzuchtteiches. Sowohl der Greyebach als auch der Zahnabach an sich, samt Fischen und anderen Wasserbewohnern, liege den Anglern am Herzen. Auch deshalb bereitet ihnen der zugewucherte Zahnabach Sorgen. Schnell wird klar, dass es sich hier um mehrere Probleme und Konflikte zwischen Arten- und Umweltschutz sowie unterschiedliche Zuständigkeiten und Schwerpunkte handelt: Für die Unterhaltung des Zahnabaches ist der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) zuständig.

Die jährliche Unterhaltung findet im Zeitraum September bis Oktober statt. Eine zeitigere Unterhaltung sei aufgrund des extrem trockenen Sommers kontraproduktiv, da das geringe Rückhaltevermögen dann wegfallen würde, informiert Frank Beisitzer, der LHW-Fachbereichsleiter Wittenberg, auf MZ-Anfrage.

Die Zukunft ist ungewiss

Der Greyebach soll im Falle eines Hochwassers als Umfluter dienen. Doch auch hier hat sich der Biber niedergelassen und fleißig gebaut. Bei derzeitigem Stand der Dinge befürchten Reiner Heinrich und Joachim Schade eine Katastrophe. Dass allein deshalb eine genauere Betrachtung des Baches und dessen Dämme notwendig ist, darin scheinen sich alle einig. Das letzte Wort bezüglich der Dämme hat die Untere Naturschutzbehörde. Sie hat also die schwierige Aufgabe abzuwägen und nach vorgegebenen Richtlinien eine Entscheidung zu treffen. In einer Gefahrensituation werde man die Dämme schlitzen, erklärt Julia Weier.

Sie schlägt vor, wenn sich die Wetterlage entspannen sollte, und wieder Wasser im Bach ist, die Dämme probeweise, wahrscheinlich im Frühjahr, zu regulieren und dann die Lage neu einzuschätzen. Mit dieser Lösung kann Joachim Schade gut leben. Im nächsten Jahr, so hat es der Vorstand entschieden, wolle man sowieso keine Fische einsetzen. Ob es danach mit der Fischaufzucht weiter gehe, hänge von den Maßnahmen der Behörden und der Wetterlage ab: „Wenn sich nichts bewegt, hören wir auf“.

(mz)

Der Aufzuchtteich ist völlig trocken. Hier, wo der örtliche Angelverein früher von April bis Oktober Fische züchtete, wächst nun Gras.
Der Aufzuchtteich ist völlig trocken. Hier, wo der örtliche Angelverein früher von April bis Oktober Fische züchtete, wächst nun Gras.
 Aline Gorld
In den Augen der Angler trägt der Biber die Hauptschuld.
In den Augen der Angler trägt der Biber die Hauptschuld.
Aline Gorld