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Imker in Jessen So ist Imker Thomas Radetzki in Jessen für seinen Einsatz rund um die Biene ausgezeichnet worden

Thomas Radetzki ist für seine Arbeit rund um die Honigbiene und andere Bestäuber geehrt worden. Warum er mittlerweile in Jessen wohnt. Was er erforscht hat.

Von Thomas Keil 26.07.2024, 11:56
Vorfreude auf Honig: Thomas Radetzki puhlt die süße Köstlichkeit aus einem Loch in den Waben seiner Jessener Bienen.
Vorfreude auf Honig: Thomas Radetzki puhlt die süße Köstlichkeit aus einem Loch in den Waben seiner Jessener Bienen. (Foto: Thomas Keil)

Jessen/MZ. - Bienen sind seine Welt. Das ist an diesem sonnigen Julitag bereits an der Grundstückseinfahrt deutlich zu sehen. Das Gras steht einen guten halben Meter hoch im Vorgarten. Dazwischen blühen unterschiedlichste Wiesenblumen. Direkt dahinter stehen die ersten zwei Bienenstöcke. „Aber heute fliegen sie eher schwach“, wundert sich Thomas Radetzki hier im Mühlweg in Jessen.

Über 50 Jahre für die Biene

Der Jessener Imker ist jüngst mit dem Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Langjähriges Engagement“ der Lammsbräu-Brauerei aus Neumarkt in der Oberpfalz ausgezeichnet worden. „Thomas Radetzki steht seit mehr als fünf Jahrzehnten für unabhängige Fachkompetenz und qualifizierte, kreative Projekte zum Wohl der Bienen ebenso wie unserer Gesellschaft“, heißt es in der Laudatio zur Preisverleihung.

Thomas Radetzki setzt auf Naturwabenbau für seine Bienen.
Thomas Radetzki setzt auf Naturwabenbau für seine Bienen.
(Foto: Thomas Keil)

Dabei ist es wohl Zufall, dass die Auszeichnung gerade nach Jessen geht – es hätte auch das Umland Berlins sein können. „Meine Frau und ich wohnen erst seit April vorigen Jahres in Jessen“, macht er klar. Er gehe nun hart auf den Ruhestand zu und habe deshalb ein ruhiges Fleckchen außerhalb der geschäftigen Hauptstadt gesucht. „Ich wollte vom Funktionär wieder zurück zur Bienenhaltung.“

Dazu brauchte es einen Ort, der genügend Platz für seine Bienen bietet. „Eigentlich wollten wir gar nichts kaufen, doch hier das Haus kurz vorm Badeteich hat sofort ideal gepasst“, freut er sich. Das Ehepaar habe abends in Immobilienportalen gestöbert und sei als Erstes auf das Angebot in Jessen gestoßen.

Er sei glücklich, in Jessen die neue Heimat gefunden zu haben. Offensichtlich haben sie sich gut eingelebt – seine Gattin wurde bereits zu einem Beitrag für das diesjährige Schul- und Heimatfest eingeladen. „Wir haben hier schon mehr nette Leute kennengelernt, als in den sechs Jahren Berlin.“ Vor allem seien die Kontakte hier alle auf persönlicher Ebene, in der Bundeshauptstadt dagegen vornehmlich beruflich.

Der lange Weg

Dort landete er 2016. „Mit Gründung der Aurelia-Stiftung“, blickt der gebürtige Hamburger zurück. „Diese Stiftung versteht sich als Anwältin der Bienen, als fachliche und wirtschaftlich unabhängige Institution im Interesse der Bienen“, macht das Vorstandsmitglied klar. Diese Stiftung ist ein Höhepunkt in all seinem Bemühen für ökologischen Wandel und mehr Einklang mit der Natur.

Honigbienen schauen aus dem Einflugsloch eines Stockes.
Honigbienen schauen aus dem Einflugsloch eines Stockes.
(Foto: Thomas Keil)

Schon in seiner Jugend brach sich die Liebe zur Biene und der Honiggewinnung Bahn. „Als Schüler machte ich ein Praktikum bei einem bienenwissenschaftlichen Institut in der Eifel“, blickt er zurück. Damals wohnte er im Ruhrgebiet. Aus Hamburg sei die Familie kurz nach seiner Geburt dorthin gezogen. Nach diesem Praktikum habe er selbst angefangen, Bienen zu halten bis hin zum Nebenerwerb.

„Ich betrieb die Imkerei ganz konventionell“, ordnet er ein. Ob Königinnenzucht oder klassische Magazinbeuten – „Ich habe ganz herkömmlich gewirtschaftet.“ Logischerweise folgte eine Ausbildung zum Imkergehilfen, dem Gesellenstatus unter den Imkern. Im Jahr 1987 sattelt er den Meister oben auf.

Praktische Erfahrungen mit ökologischer Landwirtschaft sammelt er nahe Gemünden am Main in der SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth. „Dort werden rund 160 Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen in einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft betreut.“ Natürlich hat er seine Imkerei dorthin mitgenommen.

Zwei zentrale Fragen

Der wirkliche Bruch mit der konventionellen Bienenhaltung kam Mitte der achtziger Jahre. „Damals begann das Bienensterben aufgrund der sich in Deutschland ausbreitenden Varroa-Milbe“, blickt Thomas Radetzki zurück. Daraufhin formulierte er für sich zwei zentrale Fragen: Wie kann man ökologisch imkern? Wie soll man mit Bienen umgehen?

Um diese zu klären, gründet er 1985 die Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle in Rosenfeld südlich von Stuttgart. Als Träger entsteht ein Jahr darauf der Verein Mellifera. „Ich war von Beginn an Vorstand und hatte auch die unternehmerische Verantwortung.“ Dort entdeckt er die Oxalsäure als ideal für die Varroa-Behandlung.

Schon im Vorgarten wartet eine Blühwiese auf die Bienen.
Schon im Vorgarten wartet eine Blühwiese auf die Bienen.
(Foto: Thomas Keil)

Insgesamt leitet er die Einrichtung ziemlich genau 30 Jahre. In der Zeit schafft er unter anderem ein bundesweites Netzwerk ökologischer Imkerei, organisiert in den USA die erste Conference for Organik Beekeeping und berät in Kanada Imker mit 10.000 bis 15.000 Völkern. „Wir wurden auch unabhängige Berater von Regierungen in Sachen Bienen.“ So hatte er sich immer mehr vom Imker zum Funktionär gewandelt – Höhepunkt ist eben die Aurelia-Stiftung.

In all den Jahren hat er unterschiedliche Haltungsmethoden für Bienen entwickelt. Wie zum Beispiel eine Bienenwohnung aus Stroh aussehen kann, zeigt er an diesem Tag hinter dem Haus. Hier steht bestimmt das nächste Dutzend Bienenstöcke, darunter auch ein paar aus Stroh. „Darin herrscht ideales Klima für die Bienen“, sagt er, öffnet den Kasten, zeigt den Naturwabenbau und nimmt noch eine Kostprobe des Honigs direkt aus der Wabe.