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Natur Schnurrender Ziegenmelker in Mügeln

Biologen kartieren Vogelarten in der Glücksburger Heide. Wie sie dabei vorgehen und auf welchen Exemplaren das Hauptaugenmerk liegt.

Von Ute Otto 30.04.2021, 07:10
Mit Hilfe des  Vogelstimmenimitators animiert   Martin Schulze die gesuchte Vogelart, sich zu melden.
Mit Hilfe des Vogelstimmenimitators animiert Martin Schulze die gesuchte Vogelart, sich zu melden. Foto: Ute Otto

Mügeln/MZ

- Es ist kein Ausflügler, der sich da am sonnigen, kühlen Vormittag in der Glücksburger Heide an der Heimateiche aufs Fahrrad schwingt. „Ich zähle die Vögel im Auftrag der DBU“ (Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Flächeneigentümer in der Heide), stellt sich Martin Schulze, Diplombiologe und Mitarbeiter eines Umweltbüros aus Merseburg, bei der Zufallsbegegnung mit der MZ vor.

Zeit der Balz

„Ende April ist der Großteil der Zugvögel aus den Winterquartieren zurück, und das Balzen beginnt“, erklärt Schulze den Zeitpunkt. Just in dem Moment meldet sich der Kuckuck. Das Augenmerk bei der Kartierung gilt aber den Charaktervögeln der Sandheide, unter anderen Heidelerche, Ziegenmelker, Raubwürger, Wiedehopf, Schwarzspecht oder Sperbergrasmücke. Die Glücksburger Heide ist für Ziegenmelker und Heidelerche eines der landesbedeutsamsten Brutgebiete. Sie ist europäisches Vogelschutzgebiet.

Das rund 1.800 Hektar große Gebiet habe er sich mit einem Kollegen in Nord- und Südheide aufgeteilt, so Schulze. „Wir fahren alle Wege ab. In die Sperrzonen dürfen wir aber nicht.“ Es geht beim Tagwerk der Biologen nicht ums Strecke machen. Immer wieder steigen sie ab, um das Gelände mit dem Fernglas abzusuchen. Eine Kamera mit starkem Teleobjektiv haben sie ebenfalls dabei. So nimmt die Erfassung mehrere Tage in Anspruch - und eine Nacht für die in der Dunkelheit aktiven Arten.

Das sind nicht nur Eulenvögel wie der Raufußkauz, der in der Glücksburger Heide ebenfalls beheimatet ist, sondern auch der Ziegenmelker, der zur Familie der Schwalmartigen gehört und auch Nachtschwalbe genannt wird. „Er brütet wie die Heidelerche in Bodenmulden zwischen den Büschen“, erklärt der Biologe.

Dafür, und weil der Ziegenmelker zur nächtlichen Jagd auf fliegende Insekten freie Flächen braucht, sei es wichtig, die Heidelandschaft offen zu halten. Mit Rodungen verhindert die DBU, dass sich Kiefern und Birken allzu sehr vermehren und sorgt dafür, dass sich das Heidekraut regenerieren kann. Diesem Zweck dient nicht zuletzt die Beweidung mit Schafen und Ziegen. Seinen Namen verpasste dem Ziegenmelker vor mehr als 2.000 Jahren der römische Naturkundler Plinius der Ältere. Zu seiner Zeit herrschte der Glaube, der Vogel sauge nachts den Ziegen, die auf Heideflächen weideten, das Blut aus. Dabei ist der auf die Insekten scharf, die wiederum vom Geruch der Weidetiere angelockt werden.

Dass der Ziegenmelker heute auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten steht - deutschlandweit gibt es höchstens noch 6.000 Brutpaare - hat nicht nur damit zu tun, dass offene Heidelandschaften verschwinden und es weniger Insekten gibt. Auch werden die Reisen des Langstreckenziehers immer gefährlicher.

Gesang und Rufe

Um den Vögeln auf die Spur zu kommen, arbeitet Martin Schulze mit dem Vogelstimmen-Imitator. Er lässt mit dem kleinen Gerät - „es geht auch ein Handy mit Vogelstimmen-App“ - dort, wo er die jeweilige Vogelart vermutet, den Balzgesang ertönen. Ist ein Vertreter der Art in der Nähe, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten, und der Biologe kann auf seiner Karte den Punkt setzen. Der Balzgesang des Ziegenmelkers zum Beispiel ähnelt einem kleinen, schnurrenden Motor. „Es gibt auch Vogelarten, die den Gesang anderer Arten imitieren“, berichtet Schulze. Erfahrene Vogelkundler können sie aber nicht ins Bockshorn jagen.

Auch die „Unterhaltung“ zweier Vogelmännchen, die durch Rufe oder Gesang ihr Revier kenntlich machen, ist für die Beobachter von Belang. Auf der Karte wird das durch eine Linie zwischen den Konkurrenten vermerkt, so ist es möglich, die Reviere zu zählen.

Das Repertoire der Vögel umfasst auch Warn- und Lockrufe. Die spielen für die Biologen eine größere Rolle, wenn Anfang Juni, nach der ersten Brut, die Erfassung fortgesetzt wird.

Unscheinbar ist der Ziegenmelker. Den Altvorderen war der nachtaktive Vogel suspekt.
Unscheinbar ist der Ziegenmelker. Den Altvorderen war der nachtaktive Vogel suspekt.
Foto: Schonert