Obsthof Zwicker in Schweinitz Obsthof Zwicker in Schweinitz: Auf den Apfel gekommen

Schweinitz - Ein Vierteljahrhundert ist schon eine ganz schöne Zeitspanne, möchte man meinen. Dennoch sind gerade die zurückliegenden 25 Jahre mit ihren teils turbulenten Wende- und Nachwende-Ereignissen für viele Menschen und Unternehmen der hiesigen Region sprichwörtlich wie im Fluge vergangen. Auch für Familie Zwicker, deren an der B 187 gelegener Obsthof am 20. Dezember 1990 seinen Betrieb aufnahm, aber ebenso für ihre Kundschaft.
Veränderungen durchlaufen
„Bis heute treffen wir Leute, die verwundert feststellen, dass es hier keine Pfirsich-Selbstpflücke mehr gibt“, berichtet Sylke Zwicker. Als das Familienunternehmen seine ersten Schritte tat, waren Pfirsiche wie schon zu DDR-Tagen noch ein Markenzeichen des traditionsreichen Obstbaus auf den Jessen-Schweinitzer Bergen. Nicht ohne Grund galt die Region vor der Wende als das größte zusammenhängende Pfirsich-Anbaugebiet von ganz Deutschland. Heute sind es - obwohl Pfirsiche hier weiter gedeihen - vor allem Äpfel, welche die modernen Kühlhallen des Schweinitzer Obsthofes füllen - und die in jedem Herbst auch per Selbstpflücke vermarktet werden.
Apropos Kühlhallen - als jüngstes Kapitel der 25-jährigen Wirtschafts- und Investitionsgeschichte des Betriebes nennt dessen Chef, Diplom-Gartenbauingenieur Oliver Zwicker, die „nahezu fertiggestellte neue Lagerhalle mit weiteren drei Kühlzellen, die Platz für 150 Tonnen Pflückgut, hauptsächlich Äpfel, bieten werden. Anfang 2016 sollen die letzten Arbeiten daran abgeschlossen sein.“ Dessen ungeachtet darf man sie wohl als riesiges Geburtstagsgeschenk bezeichnen, das sich Zwickers selbst gemacht haben bzw. machen.
Während besagte mehrere hunderttausend Euro schwere Investition - sie wird übrigens ohne Fördermittel gestemmt - am vorläufigen oberen Ende der Betriebshistorie steht, reichen die Anfänge genau genommen bis ins Jahr 1855 zurück. Seit dieser Zeit sind Zwickers die Besitzer des Bauernhofes, dessen Landwirtschaft damals mit Viehhaltung und Weinbau funktionierte und welcher der - zugegeben weit entfernte - Vorläufer des heutigen Obsthofes war.
Ab 1920 ließ der Weinbau nach und der Obstbau gewann zusehends an Bedeutung. 1939 wurde Heinz Zwicker - aufgrund des Erbfolgegesetzes nach dem frühen Tod seines Vaters schon mit Kindesbeinen - eingetragener Eigentümer des Hofes, der Birnen, Äpfel, Himbeeren und nach 1949 eben auch Pfirsiche anbaute. Mit der sozialistischen Zwangskollektivierung ging der Betrieb 1959 in der LPG „Bergfrieden Jessen“ auf. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands traten Heinz und seine Frau Ilse Zwicker aus der Genossenschaft aus und gründeten als Wiedereinrichter ihren Obstbau-Familienbetrieb. Am 20. Dezember 1990 begannen sie mit 6,5 Hektar eigenen und zugepachteten Flächen zu wirtschaften.
„Der Anfang war schwer“, wie sich Ilse Zwicker im Gespräch mit der MZ lebhaft erinnert. Dennoch wurde bei Zwickers nicht gekleckert, sondern geklotzt. Dazu einige Stichpunkte: 1991 pflanzte man auf drei Hektar neue Äpfel (etwa 10 000 Bäume) und installierte für sie eine moderne computergesteuerte Tröpfchenbewässerung. 1992 entstand das erste hofeigene Kühllager mit 200 Tonnen Kapazität. Oliver Zwicker, Jahrgang 1966, beendete sein Studium zum Diplom-Agraringenieur für Gartenbau an der Humboldt-Uni in Berlin erfolgreich. 1993 erfolgte die Umwandlung des Einzelbetriebs in die Heinz und Oliver Zwicker GbR, da schon mit 21,5 Hektar Anbaufläche für Äpfel, Pfirsiche, Erdbeeren, Süßkirschen, Birnen und Pflaumen. 1996 eröffnete die Familie ihren ersten Hofladen, 1997 wurden weitere zehn Hektar Land hinzugepachtet.
1998 legte man sich das erste von drei Foliengewächshäusern (1 500 Quadratmeter) für die Erdbeerkulturen zu. Im September 1999 begannen die Bauarbeiten für den heutigen großen Hofladen. Das war erforderlich geworden, weil sich die Produktpalette deutlich erweitert hatte, bis hin zu Säften, Konfitüren, Wein und Obstler. Im November 1999 verstarb Heinz Zwicker nach kurzer schwerer Krankheit. Seit 2000 führt Oliver Zwicker daraufhin den Obsthof mit seiner Frau Sylke als Einzelfirma fort.
Der neue Hofladen erlebte im März 2000 seine Eröffnung. Ab 2002 wurden erste Angebote für Schüler im so genannten „Grünen Klassenzimmer“ unterbreitet. Im selben Jahr wuchs die mit Foliengewächshäusern überdachte Fläche für Erdbeeren auf 3 000 Quadratmeter an. Die ständige Obstbauausstellung auf dem Gelände hinter dem Hofladen kam - in Zusammenarbeit mit dem Verein zur eigenständigen Regionalentwicklung im Jessener Land - 2005 dazu.
Auf 30 Hektar gewachsen
Pachtflächen aus dem Vermögen der Treuhand konnten Zwickers 2006 erwerben, wodurch das Eigentum der Familie an Grund und Boden auf rund 30 Hektar anwuchs. 2007/08 wurde der Hofladen erweitert, Sozialgebäude und Büro erfuhren einen Umbau und das Kühllager wuchs auf 250 Tonnen Kapazität. 2012/13 kauften Zwickers das Nachbargrundstück, das so genannte Nebelhaus, um es nach und nach für Übernachtungen, als Gäste- und Seminarhaus auszubauen und Platz für neue Verarbeitungsräume zu schaffen. 2014 trat die mittlerweile dritte Generation in die Obsthof-Familientradition ein: Marvin Zwicker, Jahrgang 1998, begann seine gärtnerische Ausbildung in Konstanz am Bodensee.
Neben dem eigenen Hofladen in Schweinitz sind Zwickers Früchte ebenfalls an Ständen auf den Wochenmärkten in Wittenberg und Luckenwalde zu finden. Auch dieser Teil der Selbstvermarktung reiht sich in die nunmehr 25-jährige Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens ein und inspiriert Sylke Zwicker zu folgendem Gedanken: „Bei aller Globalisierung und dem Entstehen riesiger Handelsketten - am Ende wollen die Leute mit einem Verkäufer reden, einem verlässlichen Ansprechpartner vor Ort.“ Worin der Obsthof, natürlich parallel zu einer entsprechenden Qualität seiner Produktpalette, die Basis für die nächsten 25 Jahre sieht. (mz)