Netzausbau Netzausbau : 380-kV-Leitung wird zum Umspannwerk Jessen-Nord abgezweigt

Schweinitz - Monteure der deutsch-österreichischen Firma Europten sind in diesen Tagen bei ihren akrobatischen Jobs in luftiger Höhe beim Bauvorhaben des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz Transmission an der Straße nach Großkorga sowie zwischen Schweinitz und Mönchenhöfe zu beobachten. Sie arbeiten an der Einbindung der 380-Kilovolt-Trasse von Ragow bei Lübbenau nach Bad Lauchstädt an das neue Umspannwerk in Jessen Nord.
Dazu wird die aus Richtung Osten kommende Leitung kurz vor dem Umspannwerk nach dorthin abgeschwenkt und etwa 1,5 Kilometer südwestlich neu angebunden. Im Draufblick ist das Umspannwerk der Scheitelpunkt eines Winkels.
„Unser Part hier ist ein kurzer“, bestätigt Mike Wildgrube, bei 50 Hertz Projektleiter für den Leitungsbau. Dennoch ist es ein großes Projekt, zumal dazu auch der Rückbau des nicht mehr benötigten Mittelstücks der 380- KV-Leitung einschließlich der Masten gehört. Sieben neue Masten werden errichtet. Auf dem Acker bei Mönchenhöfe sieht man jetzt noch zwei unmittelbar nebeneinander stehen. An beiden sind Monteure zugange.
Bei fast jedem Wetter
Nach dem Prinzip vier Mann - vier Ecken hängen sie in ihren Sicherungsseilen an den oberen Enden vom Rumpf des neu zu errichtenden Mastes und bereiten das Aufsetzen eines weiteren Teils der in Tschechien vorgefertigten Stahlkonstruktionen vor. Das hängt schon am Haken des Kranes. „Die Winkel mit den Bohrungen müssen genau übereinstimmen, damit sie verschraubt werden können“, erklärt Wildgrube. Als die Stahlkonstruktion über den Köpfen der Monteure schwebt, zurrt der Wind an dem tonnenschweren Teil. Mehrere Männer halten am Boden mit einem Seil dagegen. Die Masten werden etwa 50 Meter hoch.
Auf den Traversen des alten Mastes nebenan bauen die Arbeiter derweil die Isolatoren ab und lösen die Verankerungen der Leiterseile. Der „rückwärtige Seilzug“ erfolgt ebenso wie das Einziehen neuer Seile mit einer Winde. Gut 25 Meter beträgt die Arbeitshöhe der Männer. Bei dem nasskalten und zugigen Wetter am Dienstagmittag friert man schon am Boden, wie mag es den Männern gehen, die auf den anderen alten Masten sitzen und darauf warten, das nächste Seil lösen zu können? „Das ist kein Job für Weicheier“, sagt auch Wildgrubes Mann vor Ort, der Baustellenkontrolleur Peter Bahnemann. Aber außer bei Sturm und Eisregen werde bei jedem Wetter gearbeitet. Allerdings gehe es an solchen nasskalten Tagen auch erst dann herauf, wenn die Stahlteile abgetaut sind. „Sicherheit geht vor“, sagt Bahnemann.
Gemeinschaftsprojekt
Im Mai soll das Umspannwerk für die 380-Kilovolt-Trasse in Betrieb gehen, so Projektsprecher Dirk Mantey. Parallel dazu - auch das ist an der Straße zwischen Schweinitz und Großkorga sichtbar - errichtet die Mitnetz-Strom den 110-Kilovolt-Anlagenteil des Gemeinschaftsprojekts sowie eine zirka 3,5 Kilometer lange Anschlussleitung mit 22 Masten von der bestehenden Hochspannungstrasse zum neuen Umspannwerk. 30 Millionen Euro investiert 50 Hertz und rund neun Millionen Euro die Envia-Tochter Mitnetz ins Projekt.
Das alles dient dem Ziel, mehr Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen aufnehmen und transportieren zu können. „In Jessen-Nord wird dann Strom aus etwa 30 Windparks transformiert“, so Manthey. Zudem werde die Versorgungssicherheit verbessert. „Jeder Knotenpunkt“ - und das ist so ein Umspannwerk - „ist ein Stabilitätsfaktor im Netz und ermöglicht uns größere Flexibilität“. Bei Störungen und Havarien könne der Strom schneller in andere Netze gelenkt werden. Das Umspannwerk Jessen-Nord wird dann von Neuenhagen bei Berlin aus gesteuert. Vor Ort gebe es regelmäßige Kontrollen. „Wir sind aber auch hier in der Lage, die Steuerung einzelner Netze zu übernehmen.“
Freileitung kontra Erdkabel
Bis 2023 will 50 Hertz noch mehr als zehn solcher Umspannwerke errichten. „Es ist volkswirtschaftlich günstiger, in den Netzausbau zu investieren als überall kleinere Windräder hinzustellen“, meint Manthey, auf das Bestreben einzelner Kommunen angesprochen, nicht nur rechnerisch energieautark, sondern den Strom für den Eigenverbrauch tatsächlich selbst herstellen zu wollen. Auch seien zentrale Netze nachhaltiger. Freileitungen hätten eine Lebensdauer von etwa 80 Jahren. „Netzausbau heißt auch, alte Leitungen zu erneuern“, so der Projektsprecher. Mit der geplanten Thüringer Strombrücke zum Beispiel würden veraltete Anlagen von 1960 ersetzt. Forderungen nach Erdverkabelung waren auch in Jessen laut geworden, als die Mitnetz ihr Projekt vorstellte. „Sicher hat Erdverkabelung Vorteile“, meint Manthey. Man sieht sie nicht in der Landschaft und sie sei weniger störanfällig. „Aber es gibt erheblich höhere Kosten. Ökonomisch ist das nicht.“ (mz)