Nach dem Brand in Jessen Nach dem Brand in Jessen: Der nächste Umzug

Jessen - Hündin „Lucie“ läuft noch täglich zur Eingangstür. „Dort hat ihr Körbchen immer gestanden“, zeigt Simone Kitzhofer auf die Schaufenster in der unteren Etage. Seit der Brandnacht am 4. Mai hat sich das Leben des Duos verändert. „Das ist jetzt unser Umzugshund“, meint die 57-Jährige, die schon wieder auf „gepackten Koffern“ sitzt.
Simone Kitzhofer schmerzt es, wenn sie vor ihrem Wohn- und Geschäftshaus am Jessener Markt steht. Sie fühlt sich selber wie abgebrannt und hat keine Lust, durch das Gebäude zu gehen. Cockapoo-Dame (Kreuzung zwischen Cocker Spaniel-Rassen und Pudel) „Daisy“ schaut Frauchen traurig an.
Doch das Kommando „Platz“ lässt keinen Spielraum für Eventualitäten. Der Sprung der vierjährigen Hündin endet auf dem Beifahrersitz ihres Autos.
Komplette Entkernung
Laut Einschätzungen des Brandgutachters geht die Geschäftsfrau davon aus, dass ihr Haus „komplett entkernt“ werden muss. Sie sei zwar keine Bauexpertin, kann sich aber vorstellen, dass im Endeffekt nur die Grundmauern stehen bleiben. Bis das Gebäude bezugsfertig ist, werden schätzungsweise neun Monate vergehen.
Die 57-Jährige rechnet nicht damit, dass sie die Kosten aus eigener Tasche bezahlen muss. Das Gebäude sei ordentlich versichert gewesen. Kitzhofer betont, dass es wichtig ist, Rauchmelder in Häusern oder Mietwohnungen zu installieren. „Die Feuerwehrleute haben mir in der Brandnacht versichert, dass diese kleinen Signalgeräte Leben gerettet haben.“
Der vorübergehende Umzug zwei Häuser weiter ist sozusagen auf dem kurzen Dienstweg passiert. „Ich habe vom Brand aus den sozialen Medien erfahren“, sagt Jens Zumpe, der in Herzberg Chef einer Fahrschule ist und die gemieteten Räume im Untergeschoss erst im dritten Quartal bezieht. „Als mir Frau Kitzhofer ihre Situation am Telefon geschildert hat, habe ich sofort zugesagt. Das bin ich unkompliziert“, so Zumpe.
Dass sich ihre Wege nach einer Woche wieder trennen, damit haben beide nicht gerechnet. „Wir hatten schon Strom und Telefon organisiert. Jetzt müssen wir weiterziehen“, meint die Geschäftsfrau, die seit dem Brand weiß: Auf mein Team ist Verlass!
Montagmittag stehen noch Schreibtisch, Stuhl und ein wenig Kleinkram im Übergangsdomizil. Kitzhofers Söhne, die mit in der Serviceagentur arbeiten, tragen Umzugskartons zu ihren Autos. „Künftig sind wir in der Jessener Bahnhofstraße 1 ansässig“, sagt die Chefin, die den Markt mit einem weinenden Auge verlässt. Die neuen Büroräume bieten in puncto Kundenservice zwar alles was das Herz begehrt, doch aus dem „eigenen Wohnzimmer“ auszuziehen, sei schmerzhaft.
„Ich habe dort sehr gern gearbeitet. Die Lage ist top“, so Kitzhofer, die seit dem 4. Mai versucht, die Katastrophe scheibchenweise zu verarbeiten. Die Tränen sind getrocknet, doch der Stachel, schlagartig vor den Trümmern seines Lebenswerks zu stehen, verursacht weiter Schmerzen.
Hilfe bei Wohnungssuche
Trotz Umzugs, Geschäftsalltag und eigenen Problemen hält die 57-Jährige Kontakt zu ihren Mietern, die in der Brandnacht fluchtartig die Wohnungen verlassen mussten. Sie ist behilflich bei der Wohnungssuche, recherchiert täglich im Internet. Allein der Gedanke, alle persönlichen Sachen zu verlieren, macht sie traurig. Ob die Mieter sie wieder mit zurück an den Markt begleiten, steht in den Sternen. Voraussichtlich neun Monate Wartezeit sind lang.
Eine Postfrau kommt über den Markt und fragt Kitzhofer, ob sie hier noch drei Pakete entgegen nimmt. „Kein Problem“, sagt diese und schließt das fast leere Büro zu. Ihr Blick sagt mehr als tausend Worte. (mz)