1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Ministerin bei Hebammen des Waldes

Forstwirtschaft in Annaburg Ministerin bei Hebammen des Waldes

Umweltministerin Claudia Dalbert informiert sich über die Landessamendarre in Annaburg. Welche Ideen sie dort zu hören bekommt.

09.04.2021, 20:44

Annaburg - Das Resümee der Visite von Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalts, in der Landesdarre Annaburg fällt eindeutig aus. „Die Landesdarre ist großartig und einmalig. Hier liegt die Zukunft unseres Waldes in kompetenten Händen.“ Sie dankte dem Personal für seine kompetente und engagierte Arbeit. „Ich bin froh, dass wir als Land Sachsen-Anhalt diese Einrichtung haben.“ Das schreibt sie in das Gästebuch der Samendarre, die bereits seit dem Jahr 1903 immer wieder den Grundstein dafür legt, dass neue Wälder angepflanzt werden können.

Deshalb erklärt Philipp Nahr-stedt, Leiter des Betreuungsforstamtes Annaburg, der Ministerin, dass sie bei den Hebammen des Waldes zu Besuch sei, die einen großen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zum Erhalt des Waldes in Deutschland leisten.

Historische Technik

Gemeinsam mit Heike Borchardt, Leiterin der Einrichtung und der Forstsaatgutberatungsstelle, unternehmen beide mit der Ministerin nicht allein einen Rundgang, sondern zugleich eine Zeitreise, denn am Prinzip, wie die Samen etwa aus Zapfen oder anderen Blütenständen gewonnen werden, hat sich seit der Inbetriebnahme der Darre nicht viel verändert. Das ist zum einen reizvoll, birgt aber auch Probleme in sich, auf die Schritt für Schritt reagiert werden muss, wie Philipp Nahrstedt und Heike Borchardt der Ministerin erläutern. Denn die Arbeitsbedingungen sind nicht einfach, Staub, Lärm und in einigen Bereichen muss auch kräftig zugepackt werden. Einiges konnte im Laufe der Jahre verändert werden, anderes müsse jetzt in Angriff genommen werden. Dazu stellt der Leiter des Betreuungsforstamtes Annaburg der Ministerin seine Ideen vor.

Dazu gehört, dass die Heizung umgestellt werden muss. Der Ofen ist zwar erst 20 Jahre alt, aber die Firma, die ihn errichtete und für den es auch mal einen Bundespreis gab, besteht nicht mehr und damit auch kein Service. Zudem müsse der Ofen auch an Feiertagen mit Holz beschickt werden, „auch Weihnachten und Silvester“, merkt Nahrstedt an. Das sollte endlich der Geschichte angehören. Er stellt sich eine Alternativanlage vor, die mit Gas und Holz betrieben werden kann. Das Thema Energie beschäftigt ihn und die Darrleiterin auch in anderer Hinsicht. Denn es wird viel Elektroenergie benötigt, vor allem zum Betrieb der Kühlzelle, in der das wertvolle Saatgut über Jahre gelagert werden kann, damit es dann zur Verfügung steht, wenn es benötigt wird. Er könne sich vorstellen, dass die Energiekosten durch den Aufbau einer Photovoltaikanlage gesenkt werden. Diese Module könnten ihren Platz auf einer Halle am Betreuungsforstamt finden. Bei der Ministerin stößt Philipp Nahrstedt mit diesem Vorschlag auf offene Ohren.

Nach Magdeburg nimmt sie zudem mit, dass in den nächsten Jahren Personal zum Betrieb der Landesdarre benötigt wird. Sie hatte schon davon gehört, sagt sie. Mitglieder der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die vor längerem Annaburg besuchten, hatten ihr davon berichtet. Jetzt wolle sie selbst mehr dazu erfahren, sagt sie. So kommt es zum ersten Besuch einer Landesministerin in der Darre, wie der Forstamtsleiter feststellt. Von ihren männlichen Vorgängern habe niemand den Weg bis an den Stadtrand von Annaburg gefunden, obwohl das Land die Verantwortung für die Darre und die Forstsaatgutberatungsstelle trägt.

Hilfe für den Harz

Nachdem Heike Borchardt der Ministerin eine moderne Maschine zum Reinigen von Saatgut erklärt hat, zeigt ihr Philipp Nahrstedt einen Bottich, dessen Inhalt bei Claudia Dalbert auf großes Interesse stößt. Denn in ihm finden sind etwa zehn Kilogramm Fichtensamen. Daraus könnten Pflanzen gezogen werden, die zum Aufforsten einer etwa 100 Hektar großen Fläche reichen würden. Damit sei es möglich, fügt der Forstamtsleiter an, zwar nicht den Nachschub für die gesamte Wiederaufforstung des Harzes nach Schäden durch Dürre, Stürme und Schädlinge zu leisten, aber einen wesentlichen Teil. In Annaburg sei alles an Fichtenzapfen zusammengekratzt worden, was irgendwo verfügbar war. So wird an dem zunächst unscheinbaren Bottich die große Bedeutung der Landesdarre für die Wälder der Zukunft deutlich.

Das Engagement und die Technik in Annaburg werden auch vom Nachbarland Brandenburg genutzt, das in Lohnarbeit ebenfalls Saatgut aus Zapfen gewinnen lässt, erfährt Claudia Dalbert. Doch aufgrund der vergangenen schwierigen Jahre ist das Aufkommen an Zapfen nicht so hoch wie gewünscht. Als die Darre gebaut wurde, bestand das Ziel, im Jahr 200 Tonnen Kiefernzapfen zu darren. „Davon sind wir heute weit entfernt“, äußert Nahrstedt In Spitzenjahren sind es 70 Tonnen. Aber daran ist derzeit nicht zu denken. „Wir hoffen, dass wir bald mal wieder so ein gutes Jahr haben.“ (mz/Frank Grommisch)