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Lichtenburg mit «Scharnierfunktion»

Von H.-Dieter Kunze 16.01.2005, 15:57

Prettin/MZ. - Die Grundidee bildet eine kreisförmige Anordnung von 15 Stahlkonstruktionen als Ausstellungsraum im Freien. "Der Besucher betritt den Innenraum und kann auf 15 Ausstellungstafeln die Inhalte betrachten", erläuterte Designer Norbert Günther sein Projekt. Die Tafeln werden aus wetterfestem Aluminium gestaltet und zweisprachig - in Deutsch und Englisch - über die Historie der Lichtenburg zunächst als Gefängnis und dann als Konzentrationslager informieren. "Diese Vergangenheit hat nicht nur eine deutsche Bedeutung, sondern eine europäische und internationale. Deshalb die Zweisprachigkeit" erläuterte Sigrid Jacobeit.

Das Vorhaben ist hoch angebunden. Edzard Reuter, einst Mercedes-Chef und Sohn des ersten Regierenden Bürgermeisters von Berlin Ernst Reuter (er war in der Lichtenburg inhaftiert), engagiert sich sehr für die Gedenkstätte Lichtenburg. Mit im Boot beim Gedenkstättenausbau sind auch das Land Sachsen-Anhalt, der Landkreis und die Verwaltungsgemeinschaft Annaburg-Prettin. Der Bürgermeister der Trägergemeinde Annaburg, Erich Schmidt, und Prettins Stadtrat Henning Kirmse begrüßten während der Beratung am Samstag ausdrücklich das Projekt und sicherten Unterstützung zu. Henning Kirmse zeigte sich erleichtert, dass "die Grabenkämpfe um die Gedenkstätte" nun endlich beigelegt seien.

Auch die Öffentlichkeit solle in die Gestaltung mit einbezogen werden, betonte Sigrid Jacobeit. Es gäbe nur noch sehr wenige Überlebende des KZ Lichtenburg. Allerdings sei man es den Angehörigen mehr als schuldig, den einst hier Inhaftierten ein würdiges Vermächtnis zu setzen. Die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bescheinigte der Lichtenburg eine "Scharnier- und Schlüsselfunktion" im Ausbau des KZ-Netzes in Deutschland, beispielsweise von Buchenwald und Sachsenhausen. Zahlreiche berüchtigte Aufseher seien hier ausgebildet worden. Das wurde anhand zahlreicher Dokumente, unter anderem Kopien von Dienstausweisen, nachgewiesen. Obwohl es im Raum des heutigen Sachsen-Anhalt etwa 20 KZ gegeben habe, sei Prettin das einzige Stammlager gewesen. "Deshalb ist es gut, dass das Bundesland jetzt Verantwortung für unser Projekt übernimmt", äußerte Sigrid Jacobeit. Ihr Ziel und das der Projektgruppe ist es, zur Eröffnung der Freilichtausstellung im Hof der Lichtenburg auch Ministerpräsident Wolfgang Böhmer begrüßen zu können. Den Termin im Vorfeld des 60. Jahrestages der Befreiung zu halten, wäre eine harte, aber lösbare Aufgabe, ist sich die Professorin sicher. Weiß sie doch ein hochmotiviertes Team von Mitarbeitern und Studenten des Institutes für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität sowie der Bauhaus-Universität Weimar hinter sich.

Mit der Open-Air-Ausstellung im Hof endet das Projekt keinesfalls. Allerdings gehe es dann nur in kleinen Schritten weiter. Frühestens 2008 könne es eine Fortsetzung geben. Dann sollen Ausstellungsräume im Bereich des Nordhofes der Lichtenburg hergerichtet werden, kündigte Sigrid Jacobeit an.