Landbäckerei in Großtreben Landbäckerei in Großtreben: Knuspriges seit 95 Jahren

Jessen/Grosstreben - Die Schröders kriegen’s im wahrsten Sinne des Wortes gebacken – und das schon seit 95 Jahren: In vierter Generation betreiben Heiko und Annett Schröder die Landbäckerei in Großtreben, die auch im Jessener Land in mehreren Orten präsent ist. Wie das heutzutage mit dem Backen funktioniert, davon überzeugen sich viele Hundert Besucher zum „Tag der offenen Backstube“. Das Jubiläum beschert dem ostelbischen Dorf ein wahres Volksfest. Freudestrahlend gesteht der Bäckermeister: „Wir haben viele Kunden erwartet, aber dass sie so zahlreich kommen, hätten wir nicht für möglich gehalten.“
41 Mitarbeiter zählt der Handwerksbetrieb, 14 davon sind in der Backstube. Der Großteil arbeitet in den sechs Verkaufsstellen (zwei in Jessen, je eine in Großtreben, Prettin, Torgau und Annaburg). Damit es gut weiter geht, wird auch Nachwuchs ausgebildet. Drei Azubis erlernen das Bäckerhandwerk, einer wird Fachverkäufer. „Zwei der Bäckerlehrlinge wollen noch ihren Konditor machen. Das unterstützen wir“, bekundet die Chefin.
Über Stunden hinweg führt der Chef immer wieder neue Besuchergruppen durch sein Reich. Für die Backstube hat er eigens für diesen Tag Unterstützung von Berufskollegen aus Thüringen und Sachsen erhalten. Wahre Meister der Zunft sind am Werk, wiegen Zutaten ab, mischen Teige, kneten und portionieren: Hier wird hergestellt, was die Gäste – backofenwarm – kosten können: knackige Brötchen, Brot, Baguettes, saftige Blechkuchen, aber auch Stollen und weihnachtliches Gebäck. „Das duftet himmlisch“, schwärmt die kleine Anne aus Torgau und stimmt eine altbekannte Melodie an: „Oh, es riecht gut...“ Allen macht es Spaß, den Bäckern über die Schultern zu schauen. Doch Mitmachen ist noch besser, umso mehr, wenn Lebkuchenhäuser auf ihre Baumeister warten. Da ist auch Anne dabei. Sie verklebt die braunen Wände mit blütenweißem Zuckerguss, dekoriert mit Schokolinsen und Gummibärchen. „Erst zum Nikolaustag knabbere ich daran“, verspricht sie ihrem Vater.
Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen spannend ist ein Blick in die „Kornkammer“. Oliver Lübke hat eine Vielzahl von Getreidesorten aus der Dresdner Mühle mitgebracht. Er erklärt den Weg vom Korn zum Brot, beantwortet jede Menge Fragen zur gesunden Ernährung und zu Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten.
Als der Tag zur Neige geht, bereitet Bäckermeister Heiko Schröder seinen Gästen ein außergewöhnliches Erlebnis. Ein zwei Meter langer Stollen wird mit hochprozentigem Rum übergossen und flambiert. Die Flammen verwandeln die dicke Zuckerschicht in Karamell. Probieren will jeder. So verkürzt sich das Stollenmaß beträchtlich. Der Erlös soll helfen, den Großtrebener Spielplatz instand zu halten. Auch Altmeister Herbert Schröder und Ehefrau Ingrid genießen das bunte Treiben. Die Eltern von Heiko Schröder hatten die Bäckerei von 1974 bis 2009 in dritter Generation geführt. 1920 war das Grundstück inklusive Backofen und Bockwindmühle von Urgroßvater Otto erworben und 1938 an Großvater Willi übergeben worden. Ab 1930 produzierte eine elektrisch angetriebene Mühle. Bauern von diesseits und jenseits der Elbe ließen über Jahrzehnte hinweg ihr Korn bei Schröders schroten und mahlen. Herbert, heute 82-jährig, resümiert: „Die Mühle und der Backofen haben uns in guten und schlechten Zeiten ernährt. Im Krieg und auch danach war mancher Bauer froh, dass er hier einige Pfunde Mehl ohne Brotmarken bekam.“ Den alten Zeiten nachsinnend, verrät er: „Auf dem Weg zur Schule habe ich oft Leberwurstbrötchen verschenkt.“ Jahre später in der DDR-Planwirtschaft hatte er als Bäckermeister andere Herausforderungen zu meistern: „Früchte für den Kuchen waren kaum zu kriegen. Um wenigstens genug Kirschen kaufen zu können, haben wir etliche Zentner selbst gepflückt und eingeweckt.“ Von dem riesigen Backwarensortiment, das heute an der Ladentheke ausliegt, hat Herbert Schröder damals kaum zu träumen gewagt. Allerdings konnte er sich ebenso wenig vorstellen, dass im Ausland als Massenware hergestellte „Teiglinge“ den Markt überschwemmen und dem traditionellen Handwerk schwer zu schaffen machen. „Da schmerzt das Bäckerherz“, sagt Schwiegertochter Annett. Ihr Mann stimmt zu: „In den 95 Jahren unserer Firmengeschichte haben wir Schröders den Betrieb stetig modernisiert und erweitert. Doch nach wie vor wird jeder Teig in unserem Haus nach handwerklicher Tradition selbst zubereitet. Manche Rezepte stammen sogar noch von meinem Großvater.“
Im nächsten Frühjahr, so informiert er, werde die Backstube noch einmal vergrößert und der alte Ofen durch einen neuen ersetzt: „Damit optimiert sich der Produktionsablauf, und unsere Beschäftigten profitieren von besseren Arbeitsbedingungen.“ (mz)
