Kultursommer Prettin Kultursommer Prettin: Gebildet aufmüpfig oder gerissen

Prettin - Ihr Luther-Roman „Feuer“ liegt auf dem Tisch vor Waltraud Lewin. Doch wird die vor allem in Ostdeutschland bekannte Schriftstellerin, Regisseurin und Dramaturgin Waltraud Lewin in ihrer öffentlichen Lesung zum Auftakt des Prettiner Kunstsommers in der Lichtenburg daraus nur eine Passage zu Gehör bringen.
Darin ist beschrieben, wie sich Katharina von Bora bei Luther „einschleicht“, als der nach der Niederschlagung des Bauernkrieges und der Hinrichtung von Thomas Müntzer einen seelischen Zusammenbruch erlitten hat und krank darniederliegt.
So ist die spätere Ehefrau Luthers vielfach überliefert: gebildet, pragmatisch, schlagfertig und eine kluge Wirtschafterin. An ihr kommt man nicht vorbei, wenn man über die starken Frauen der Reformation sprechen will. Dass es wie von Bora hauptsächlich Adelstöchter sind, ist leicht erklärbar. In Klöstern haben sie umfassende Bildung genossen, waren in Lesen, Schreiben, Latein und Kräuterkunde unterrichtet.
Einem pommerschen Adelsgeschlecht entstammt auch Elisabeth Cruciger (1500 - 1535), die ebenfalls 1522 als Nonne nach Wittenberg, ins Haus des Pfarrers Johannes Bugenhagen, gekommen war. Sie war die erste evangelische Kirchenlieddichterin. Luther ließ „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ zwar umgehend ins Gesangbuch aufnehmen, doch blieb die Schöpferin lange anonym. Immerhin gehörte Crutziger zu Luthers Freundeskreis und durfte auch an dessen Tischrunden teilnehmen.
Zu den starken Frauen gehört für Waltraud Lewin auch Margarete Renner, die „Schwarze Hofmännin“ genannt (1475 - 1535). Sie muss geradezu eine Revolutionärin gewesen sein. Sie weigerte sich, dem Heilbronner Rat eine Art Grunderwerbssteuer zu zahlen und wurde daraufhin ins Gefängnis geworfen. Ihr loses Mundwerk ist in zahlreichen Niederschriften aus jener Zeit belegt.
Im Bauernkrieg unterstützte Margarete Renner Bauernhaufen und wirkte an der Stürmung und Plünderung von Klöstern mit. Nach der Niederschlagung landete sie erneut im Gefängnis, hatte aber einflussreiche Gönner, dank derer sie ihr Leben in Frieden beschließen konnte.
Ein grässliches Ende fand hingegen die Augsburgerin Anna Laminit (geb. 1480). Waltraud Lewin erwägt, einen Schelmenroman über die gerissene Frau zu schreiben, die als lebende Heilige sogar von Kaiser Maximilian I. verehrt wurde. Sie behauptete, nur von der sonntäglichen Hostie zu leben.
Luther traf sie 1512 auf seiner Rückreise von Rom in Augsburg. Ob sich die beiden ob der Wundergläubigkeit der Oberen gemeinsam ins Fäustchen lachten? Der Schwindel flog 1514 auf, danach ging die Frau nach Kaufbeuren. Dort kassierte sie vom reichen Augsburger Kaufmann Anton Welser acht Jahre Alimente für einen gemeinsamen Sohn, obwohl der früh gestorben war. Als der Betrug entdeckt wurde, war das ihr Todesurteil. Sie ist 1518 wie eine Katze im Sack in der Saane ertränkt worden.
Sie überlege, so Waltraud Lewin, ob sie ihrer Romanheldin dann ein anderes Ende beschere. Für eine Lesung aus ihrem Lutherroman will die 79-Jährige im nächsten Jahr erneut nach Prettin kommen. (mz)