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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Aufregende Zeiten erlebt

Von KLAUS ADAM 04.08.2011, 18:08

ANNABURG/MZ. - Tochter Nadine (Lehnert) führt das Gespräch immer mal wieder auf den familiären Rahmen zurück, wenn sich Vater Eduard mit dem MZ-Reporter zu lange in politischen und gesellschaftlichen Themen verlieren. Denn es geht doch um die Familie. Roswitha - die alle nur als Röschen kennen - und Eduard Korschat sind am Freitag 50 Jahre verheiratet.

Dennoch, die politische und gesellschaftliche Arbeit des heute 72-Jährigen prägte natürlich auch das Familienleben ganz erheblich mit. Doch dazu später. Erstmal müssen die beiden sich ja kennen lernen. Das passiert 1960 mehr oder weniger auf dem Acker. Eduard Korschat, der geborene Barther, ist als Offiziersschüler der Luftstreitkräfte in hiesige Region abkommandiert, der sozialistischen Landwirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Und Röschen ist mit für die Versorgung der Erntehelfer zuständig. Zuerst fällt der junge Eduard allerdings ihrer Mutter auf, erzählt Roswitha Korschat. Die erste Besichtigung fällt für den schneidigen Epaulettenanwärter der Nationalen Volksarmee aber gar nicht so positiv aus. Das hatte den Grund im Ergebnis eines jugendlichen Dumme-Jungen-Streiches, der die Nase des knapp 20-Jährigen etwas lädierte. Die heilt bis zum Abschluss des Einsatzes, so dass sich die beiden dann doch noch sehr nahe kommen.

Hochzeit in Uniform

Schon ein Jahr später setzen die beiden frisch Verliebten dann mit ihrem gemeinsamen Ja den Grundstock dafür, dass sie am Freitag goldene Hochzeit feiern können. Und erschüttern damit ein ganzes Dorf in seinen Grundfesten: "die erste sozialistische Hochzeit in Wörblitz, also ohne Kirchgang, die erste Hochzeit in Uniform und wenig später die erste Namensweihe, wie die nichtkirchliche Art der Taufe genannt wurde", resümiert Eduard Korschat mit Schmunzeln. Denn Tochter Angela kommt schon vier Monate nach der Trauung zur Welt.

Die junge Familie braucht eine Wohnung. In Annaburg sind AWG-Wohnungen zu haben (Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft - der Vorgänger der heutigen Wohnungsgenossenschaft), Korschats greifen zu. Dann ein großer Schlag ins Kontor, der junge Gatte bekommt Tuberkulose und muss sie zwei Jahre lang im Sanatorium in Dresden auskurieren. Das ist das Aus für die Offizierskarriere. Korschat wird nach seiner Genesung zum Rat des Bezirkes vermittelt und studiert Finanzen. Seine Frau Roswitha bleibt der Versorgung treu, leitet erst in Wörblitz den Dorfkonsum und ist später in Annaburg Verkäuferin, leitet später auch einige Verkaufsstellen und kümmert sich um die Tochter. "Das war damals keine rosige Zeit", erinnert sie sich.

Neuer Berufsstart

Nach dem Studium landet Eduard Korschat beim Rat des Kreises und ist fürderhin für den Haushalt zuständig. Doch es soll nicht lange dauern, dass ihm seine Eigenheit, Dinge deutlich zu sagen, und sei es dem Annaburger Bürgermeister, neue Perspektiven eröffnen. Nach einer etwas heftigeren Diskussion mit dem "durfte ich beim Ratsvorsitzenden antanzen, der sagte: du wirst Bürgermeister in Annaburg. Damals wurde man bekanntlich erst eingesetzt und dann gewählt".

Gut zwanzig Jahre bestimmt der Mann von der Küste die Geschicke Annaburgs mit. "Die Zeit, als zum Jahreswechsel 1978 / 79 die Kohleproduktion in Schwarze Pumpe wegen des ungewohnt harten Winters ausfiel, ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben. Da hattest du als Bürgermeister wirklich mal die volle Macht über die Stadt." Weil es damals Strom nur zu bestimmten Zeiten gab, hat er zum Beispiel einzuteilen, wann welcher Betrieb produziert, und wann der nächste. "Du hattest es aber auch zu verantworten."

"Jetzt sind wir schon 1978. Im Jahr 1971 bin ich geboren", bringt Tochter Nadine das Gespräch auf ein weiteres prägendes Ereignis in der Familie. Die mag er in Sicherheit wiegen, da sie seinerzeit in der Bürgermeisterwohnung im Rathaus lebt. Korschats kämpfen durch, dass sie ein Eigenheim bauen können. Ende der 70er steht der Umzug an.

Die Wende 1989 / 90 bringt eine große Zäsur in das Leben der Familie. "Die HO (Handelsorganisation) wird als erstes abgewickelt", erzählt Roswitha Korschat. Sie bewirbt sich, bleibt aber zunächst arbeitslos. Ihrem Mann geht es zunächst nicht anders. Bei den ersten Kommunalwahlen wieder angetreten, entscheidet sich der Stadtrat mit einer Stimme Mehrheit gegen ihn. "Damals wählte noch der Rat den Bürgermeister aus der Ratsrunde heraus", erinnert er.

Eigenes Geschäft

Zaudern gilt nicht. Klagen erst recht nicht. Korschat besinnt sich darauf, dass er schon seit Jahren weltliche Trauerreden in Annaburg hält. Er setzt sich ins Auto, fährt nach Cottbus zum Gewerbeamt und kommt mit der Bewilligung zum Eröffnen eines Beerdigungsinstitutes wieder. Fortan hat auch Ehefrau Roswitha wieder einen Job. Dreizehn Jahre ackern beide alleine. Bis sich Tochter Nadine, inzwischen selbst verheiratet, entscheidet, nach Annaburg zurückzukommen. Sie und ihr Mann André steigen mit ein und zum Januar 2004 zieht sich die Elterngeneration aus dem Geschäft voll ins Rentnerleben zurück. Ein Schritt, für den ihnen ihre Tochter große Hochachtung zollt.