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Jugendcamp in Klöden Jugendcamp in Klöden: Jugendliche klettern auf Kirche

Von Gabi Zahn 15.09.2013, 17:24
Mut und Vertrauen braucht diese Aktion: Martin Schubert lässt sich vom Klödener Kirchturm abseilen. Er weiß, dass ihn die Profis gut abgesichert haben.
Mut und Vertrauen braucht diese Aktion: Martin Schubert lässt sich vom Klödener Kirchturm abseilen. Er weiß, dass ihn die Profis gut abgesichert haben. Zahn Lizenz

Klöden/MZ - Risiko und Zwischenfall beim Jugendcamp in Klöden. Hinter dieser Beschreibung stecken allerdings weder halsbrecherische Aktionen noch unliebsame Störungen. 35 Jugendliche aus dem Kirchenkreis Wittenberg haben sich gemeinsam mit dem Betreuerteam um Jugendreferent Ekkehard Bechler ein Wochenende lang mit den Themen „Risiko“ und „Zwischenfall“ beschäftigt.

Wenn eine Porzellantasse zerbricht, ist sie kaputt und nicht mehr zu gebrauchen. Aus den Scherben kann aber Neues entstehen. Ein Mosaik zum Beispiel. Dazu reicht eine Kachel als Unterlage, auf die eine Schicht Mörtel aufgetragen wird. Schon kann eine Scherbe nach der anderen in die Masse gedrückt werden. Wie das am besten funktioniert, haben Theresa Schäde, Svenja Wieser und Lisa Scholkofsky aus Holzdorf sowie Rita Semmner aus Seegrehna schon nach wenigen Handgriffen im Camp gelernt. Die Mädchen sind vertieft in ihre Arbeit. Die Scherben, die sie aneinanderlegen, wechseln in ihren Farben ebenso wie in Form und Größe. Eine Vorlage gibt es nicht. Einzig die Phantasie gibt vor, welches Bild entsteht. Mal wird es ein Baum, ein Herz oder eine Landschaft. Bei anderen nimmt es eher abstrakte Formen an. Ekkehard Bechler kommentiert: „Ihr seht, dass nie wirklich alles verloren ist, wenn etwas entzwei geht. Das lässt sich auch auf eine Beziehung übertragen. Die Scherben, es sind die gewonnenen Erfahrungen, können helfen, neue Verbindungen zu knüpfen.“

Fachmann aus Erfurt

Etwas riskanter mutet eine andere Aktion an: Wer möchte, kann sich vom Turm der Kirche abseilen lassen. Freilich nicht filmreif an einer Wäscheleine oder einem gedrehten Bettlaken, sondern durch Profis gesichert. Nach dem Erfolg der Vorjahre wurden Jens Kretschmann und sein Team von K-Outdoor-Events aus Erfurt angeheuert. Das Gurtzeug, das Georg Bechler und Martin Schubert umgelegt bekommen, erinnert an Bergsteiger-Ausrüstung. Zuletzt wird der Helm aufgesetzt und dessen Halt überprüft. Erst steigt Georg die Turmtreppen hinauf und ist wenig später oben am Fenster zu sehen. Obwohl er die Premiere dieser „Nummer“ aus etwa 20 Meter Höhe schon im Vorjahr gemeistert hat, ist ihm anfangs etwas mulmig. Nachdem die drei Seile fest verankert sind, muss er rückwärts aus dem Fenster steigen und langsam mit den Füßen Halt und Balance suchen. „Am schwierigsten ist es, den Mauervorsprung zu überwinden“, gesteht er. Dann jedoch klappt es ganz gut. Meter für Meter kommt er herunter. An den Fensteröffnungen spreizt er die Beine und verliert zu keiner Zeit den Halt. Aber selbst, wenn dies geschehen wäre, hätte Georg an den Seilen sicher die Erde erreicht, denn jedes der drei Seile trägt ein Vielfaches seines Körpergewichts.

Nervenkitzel macht Spaß

Andere Jugendliche folgen, keiner bereut anschließend, das Risiko gewagt zu heben. Der Nervenkitzel macht Spaß. Ausschlaggebend dafür ist das Vertrauen in die Profis und das Wissen, dass solche Angebote im Camp niemals leichtfertig gemacht werden. Doch niemand spottet, als sich eines der Mädchen zwar den Gurt umlegen lässt, dann aber den Kopf schüttelt. Sie hatte schon vorher mitgeteilt, dass sie unter Höhenangst leidet. „Jeder hat die Möglichkeit auszusteigen, wenn er merkt, dass seine persönlichen Grenzen weit überschritten werden“, macht Ekkehard Bechler klar. Auch das Fahren mit den Fun-Karts, das Kanustechen, die Bolderwand, das „Wandelnde A“ als Koordinationsspiel und andere Aktionen vermitteln Jugendlichen teils unterschiedliche, teils gemeinsame oder ähnliche Erfahrungen.

Am Abend begeistert die Gruppe „zwischenFall“ aus Leipzig mit ihrer eigenwilligen Show, und wer will kann zu später Stunde unterm Dach des alten Pfarrhauses mit Loyda Uri Mamani Salsa tanzen lernen. Die junge Frau aus Bolivien absolviert seit September 2012 ein Praktikum beim Evangelisch-Lutherischen Weltbund in Wittenberg, auch um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.

Die 30-Jährige hat bereits in Argentinien ein Theologie-Studium erfolgreich abgeschlossen und bewirbt sich nun an der Humboldt-Universität in Berlin um ein weiteres Studium mit Master-Abschluss.

Nachgefragt, welche Unterschiede ihr in der Jugendarbeit in Deutschland und in Bolivien auffallen, antwortet sie: „Hier wird sehr darauf geachtet, dass alles, was Jugendlichen angeboten wird, gut geplant ist und eine hohe Sicherheit aufweist. Die Menschen hier sind viel organisierter. Das ist in Lateinamerika etwas anders.“ Auch sei nach ihrer Ansicht hierzulande nicht vordergründig das Geld der Eltern ausschlaggebend dafür, dass die Kinder eine gute Bildung erhalten. Loyda Uri Mamani lässt wissen: „Die Deutschen werden im Ausland mitunter als kaltherzig beschrieben. Das kann ich gar nicht verstehen. Wenn ich auf die Menschen zugehe, dann erlebe ich sie als sehr freundlich und zugewandt.“ Ihre tägliche Arbeit während des Wittenberger Praktikums ist der Vorbereitung der Luther-Feierlichkeiten im Jahr 2017 gewidmet. Unter anderem kümmert sie sich um den Luthergarten, in dem Kirchengemeinden aus aller Welt Bäume pflanzen. Vom erlebnisreichen Wochenende mit den Jugendlichen im alten Klödener Pfarrhaus will die sympathische Frau auch ihrer Familie und den Freunden in ihrer Heimat erzählen.

Mit Phantasie und Fingerspitzengefühl entstehen aus Scherben Kunstwerke. Spaß daran haben Theresa Schäde, Svenja Wieser, Rita Semmner und Lisa Scholkofsky (von links nach rechts)
Mit Phantasie und Fingerspitzengefühl entstehen aus Scherben Kunstwerke. Spaß daran haben Theresa Schäde, Svenja Wieser, Rita Semmner und Lisa Scholkofsky (von links nach rechts)
G. Zahn Lizenz
Loyda Uri Mamani, Praktikantin aus Bolivien
Loyda Uri Mamani, Praktikantin aus Bolivien
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