Jessen Jessen: Diese Frauen wurden vor 75 Jahren konfirmiert

Jessen/MZ - Das ist bisher einmalig in der Geschichte der Jessener Kirchengemeinde: Nach 75 Jahren erfuhren sieben Konfirmandinnen noch einmal den Segen Gottes. Sie wurden als Kronjuwelen-Jubilare geehrt.
Es ist eine schöne Tradition, dass alljährlich zum Schul- und Heimatfest diese beliebte Zeremonie stattfindet. Bei der Vorbereitung und Durchführung halfen in diesem Jahr wiederum Mitglieder vom Gemeindekirchenrat, Küster Lutz Kleinert, Inge Rödiger und Pfarrer Tobias Bernhardt. Vorausgegangen waren umfangreiche Recherchearbeiten, wobei auf Unterlagen aus den vergangenen Jahren zurückgegriffen werden kann.
Grußbotschaften geschickt
Nach den im Vorfeld herausgegebenen Einladungen gab es Zusagen von neun Gold-, 28 Diamant-, sechs Gnaden- und sieben Kronjuwelen-Jubilaren. Die Zahlen sind umso bemerkenswerter, da nicht alle Angeschriebenen, die vielleicht gern gekommen wären, aus Alters- oder Gesundheitsgründen teilnehmen konnten. Zudem wohnen nicht alle in Jessen oder der näheren Umgebung, viele hat es auch in alle Winde verschlagen. Einige von ihnen sandten Grußbotschaften in ihre alte Heimat.
Die Diamantenen (60 Jahre) waren in der Mehrzahl, Goldene (50) eher rar. „Das hängt auch mit den damals aufkommenden Jugendweihen zusammen“, erklärte Pfarrer Tobias Bernhardt. Gnadenjubilare sind auch selten, immerhin liegt ihre Konfirmation 70 Jahre zurück.
Die Feier verlief in zwei Abschnitten. Am Samstagnachmittag gab es an der gemütlichen Kaffeetafel im Gotteshaus eine Kennenlernrunde. Jeder Teilnehmer stellte sich kurz vor. Voller Stolz konnten etliche berichten, wie viele Enkel und auch schon Urenkel sie haben. Die sieben Jessener Kronjuwelenkonfirmanden hatten die Teilnahme selbst angeregt. So saßen sie denn mit in der Runde und tauschten Erinnerungen aus. Am Sonntag zelebrierte Tobias Bernhardt den Gottesdienst und feierte mit ihnen das Abendmahl.
Nachdenkliches, aber auch Lustiges wussten viele zu berichten. Uwe Günther, gebürtiger Elsteraner, vor 50 Jahren nach der Jugendweihe konfirmiert und im Schwarzwald lebend, überraschte die Gäste mit einer Ankündigung: „Ich komme in den Osten, in meine Heimat zurück. Hier sind dieses Jahr die Renten wenigstens kräftig gestiegen“, meinte er schmunzelnd. Doch er gab im MZ-Gespräch zu, dass er Sehnsucht nach der alten Heimat habe. 1989 kehrte der gelernte Bäcker, der 42 Jahre lang Busfahrer war, der DDR den Rücken. Von Budapest aus wurde er problemlos „in den Westen“ gebracht. Er will sich nun in Elster oder Umgebung für den Rest seines Lebens ein altes, neues Zuhause suchen.
Silvia Berndt, geborene Gutewort, ist ein Jessener Urgestein und Tochter eines Tischlermeisters. Ihre Konfirmation war 1943, als der Zweite Weltkrieg noch in vollem Gange war und viele noch immer an den „Endsieg“ glaubten. „Fotos von der kleinen Konfirmationsfeier im engsten Familienkreis habe ich keine. Es gab ja zu dieser Zeit keine Filme mehr für den Normalbürger“, bedauert sie.
Über eine Episode lacht sie heute zwar, ist aber immer noch sauer. Ihr Onkel war aus der umkämpften Sowjetunion auf Fronturlaub nach Jessen gekommen. Er hatte als Konfirmationsgeschenk zwei Flaschen Schnaps, wohl eine Art Kriegsbeute, mitgebracht. „Als ich am Ehrentag von einem Besuch bei meinen Konfirmationsfreundinnen wieder heimkam, waren alle Gäste sehr lustig. Doch die beiden Flaschen waren leer. Nicht mal kosten konnte ich.“
In Jessen Heimat gefunden
Hildegard Knape war wohl mit ihren 90 Lebensjahren eine der ältesten Jubiläumskonfirmandinnen. Eigentlich erhielt sie ihre Konfirmation bereits vor 76 Jahren, aber dafür gibt es noch keine Bezeichnung. Sie ist gebürtige Prettinerin, wurde 1937 konfirmiert und lebt seit dieser Zeit in Jessen. „Ich habe hier meine Heimat gefunden, ein Leben lang war ich mit Leib und Seele Verkäuferin“, erzählt sie. Sie ist zum zweiten Mal verheiratet. Von ihrem ersten Mann hat sie trotz intensiver Nachforschungen nie wieder etwas gehört. Er blieb beim Russlandfeldzug im Zweiten Weltkrieg für immer verschollen.
Mario Riemer aus Niederau bei Meißen in Sachsen ist zwar noch kein Jubelkonfirmand, dafür aber seine Mutter Irmgard Riemer, in Jessen geboren, kam sie extra aus Pforzheim an die Schwarze Elster. Sie und ihr Sohn nutzten das Schul- und Heimatfest zu einem Familientreffen.
Pfarrer Tobias Bernhardt freute sich, dass wieder so viele Ehemalige der Einladung gefolgt waren. „Diese Jubelkonfirmationen sind zu einer schönen Tradition geworden.“ Er sagte den Anwesenden, dass er nun seit zehn Jahren schon die Pfarrstelle in Jessen innehabe und dass es auch ihm und seiner Familie hier sehr gut gefalle.