Gesundheit Hebammen im Landkreis Wittenberg in der Pandemie
Auch während des Lockdowns müssen Schwangere und frisch gebackene Mütter betreut werden. Wie dies nun aussieht und wo die Frauen Alarm schlagen.

Wittenberg/Klebitz - „Ich muss jetzt noch flexibler und spontaner sein“, fasst Hebamme Klaudia Schulze kurz und knapp die Veränderungen ihres Jobs durch die Coronapandemie zusammen. Schulze betreut seit 21 Jahren werdende Mütter und Frauen im Wochenbett und darüber hinaus, je nach Nachfrage der frisch gebackenen Mütter. Seit Beginn der Pandemie und erst recht zum herrschenden Lockdown werden seitens der Schwangeren immer wieder Beratungsgespräche kurzfristig abgesagt oder verschoben.
Auch Frauenarztpraxen sind mal zeitweise geschlossen. Daher ist sie nun mehr denn je gefragt. „Als freiberufliche Hebamme hat man eh kaum ein Privatleben. Jetzt ist es noch viel schlimmer geworden.“
Wie viele Frauen sie parallel umsorgt, kann sie pauschal nicht sagen. Pro Monat sind es etwa fünf bis zehn - alle aus der Jessener Umgebung, Zahna-Elster und Jüterbog.
Hausbesuche trotz Pandemie
Dafür fährt sie täglich bis zu 120 Kilometer mit dem Auto, denn Hausbesuche sind unumgänglich. Auch in der Pandemie. Ihre Schutzausrüstung, also Masken, Desinfektionsmittel und anderes muss sie sich selbst besorgen. „Am Anfang haben wir ein bisschen was vom Landkreis bekommen. Jetzt gibt es geringe Pandemiezuschläge von den Krankenkassen“, erklärt Schulze. Dafür erhöht sich aber wieder der Verwaltungsaufwand.
Ein Glas Wasser oder eine Tasse Kaffee trinken sei aus Pandemiegründen jetzt tabu bei den Hausbesuchen. „Ich gehe auch nicht in Haushalte mit Infizierten“, sagt Schulze. Dann bleibt nur die Möglichkeit, online zu beraten. „Aber das geht hier auf dem Land ganz schlecht.“ Diese Erfahrung habe sie bereits sammeln müssen, als Schweinitz in Quarantäne war. „Die Leitung ist immer wieder abgebrochen“, erinnert sich die Frau vom Fach an die Wochenbettbetreuung per Videochat. Weil sie beziehungsweise die Technik hier an ihre Grenzen gelangen, bietet sie Onlinekurse mit mehreren Teilnehmerinnen vorerst nicht an.
Anders in der Hebammenpraxis Wundervoll in Wittenberg. Sandy Hintzsch-Donner ist hier für den Bereich Jessen und Umgebung zuständig. Sie hält Onlinekurse - sowohl zur Geburtsvorbereitung als auch zur Rückbildung nach der Schwangerschaft. Dies ist nun bis 30. September möglich. Auch wenn die Kurse gut angenommen werden, „das Zwischenmenschliche fehlt einfach“, weiß Hintzsch-Donner. Der Austausch und das persönliche Kennenlernen zwischen den werdenden Müttern bleibt beim Zoom-Kurs via Laptop oder Smartphone aus.
Und auch sonst leiden die frischgebackenen Mütter und Väter unter der derzeitigen Situation, so Hintzsch-Donner, die die Besuchsregelungen an örtlichen Krankenhäusern kritisiert. „In den letzten Jahren wurde an der Vaterrolle sehr gearbeitet“, sagt sie. Jetzt könnten die Männer teils nicht mal bei der Geburt dabei sein, geschweige denn im Anschluss ihre Frau oder das Kind besuchen. Für viele Frauen sei dies ein Trauma. „Hier fehlt die Aufmerksamkeit und das Feingefühl der Politik!“ Umso wichtiger sei die individuelle Betreuung durch die Hebammen.
Bei Hausbesuchen vertraut Hintzsch-Donner darauf, dass sich die Familien an die Hygieneregeln halten. Dennoch wäre sie beruhigter, wenn sie endlich geimpft wäre. Doch auf einen Termin wartet sie vergeblich. „Was ist, wenn ich ausfalle? Wer kümmert sich dann um die Frauen?“
„Es wäre leichter für uns, wenn wir in den Impfprioritäten mit unserer Berufsbezeichnung aufgeführt würden“ - und nicht allgemein unter „medizinisches Personal“, kritisiert Undine Bielau. Der Deutsche Hebammenverband (DVH), dem sie in Sachsen-Anhalt vorsitzt, beklagt dies seit langem. Auch um Schutzausrüstung musste der DHV anfangs kämpfen.
„Wir Hebammen fühlen uns immer ein bisschen vergessen“, sagt Bielau. Zumal akuter Hebammennotstand in Deutschland herrscht, vor allem in ländlichen Regionen. Dieser belastet die aktiven Kollegen wie Schulze und Hintzsch-Donner zusätzlich. „Hebamme sein ist Berufung, das lebt man Tag und Nacht“, sagt Hintzsch-Donner und sieht schon darin ein Problem. Denn Tag und Nacht, meist an sieben Tagen die Woche - auch an Feiertagen- in Bereitschaft sein, das wollten viele Berufsanwärterinnen nicht mehr.
Akademisierung des Berufes
Die Akademisierung „ist eine große Chance zur Aufwertung des Berufes“, schätzt Undine Bielau vom DHV ein. Es ist künftig ein Studienberuf. Die Verbandschefin gibt aber zu bedenken, „dass wir durch die Akademisierung auch andere Berufsbereiche mit abdecken werden“. Höchstens zwei Drittel der Absolventen würden künftig als Hebammen arbeiten, schätzt sie. Die übrigen würden wohl ein Masterstudium absolvieren, im wissenschaftlichen oder organisatorischen Bereich arbeiten.
So stünden auf Dauer noch weniger Hebammen zur Verfügung. Dazu kommt, dass etliche Frauen bald in Rente gehen, so Bielau. Bisher gab es 20 Ausbildungsplätze in Magdeburg und Halle. Nun sind es genauso viele Studienplätze der Hebammenwissenschaft in Halle. Diese Befürchtungen teilen Hintzsch-Donner und Schulze. Letztere bezweifelt, dass studierte Hebammen noch aufs Land rausfahren wollen. (mz/Aline Gorldt)