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Rösenhof der Heporö gGmbH Hasen gehen in Meltendorf wieder zur Schule - Der Klassenraum ist für alle Besucher offen

Der Platz gegenüber dem Rösenhof in Meltendorf lockt täglich viele Besucher an. Welche Bitte Ergotherapeutinnen äußern und was Klienten der Heporö gGmbH aus ihrem Leben erzählen.

Von Thomas Tominski 29.03.2024, 06:00
Mira Barth (links) und  Jennifer Müller  arbeiten in  der Heporö gGmbH als  Ergotherapeutinnen.
Mira Barth (links) und Jennifer Müller arbeiten in der Heporö gGmbH als Ergotherapeutinnen. (Foto: Thomas Tominski)

Meltendorf/MZ. - Ramona Göricke und Mario Löbe haben sich gesucht und gefunden. Die beiden Klienten der Heporö gGmbH, eine soziotherapeutische Einrichtung für suchtkranke Menschen, teilen sich im Rösenhof Meltendorf ein Zimmer und denken ernsthaft über eine Trauung nach. Beide haben ihre persönlichen Abstürze erlebt, im letzten Moment die Reißleine gezogen – und gemeinsam neuen Lebensmut gefunden.

Die 60-Jährige blickt auf eine sehr schwierige Partnerschaft mit viel Alkohol zurück. Irgendwann sei sie „aus dem ganzen Schlamassel“ nicht mehr herausgekommen und habe nach dem rettenden Strohhalm Therapie gegriffen. Über die Station Berlin ist Göricke, die ursprünglich aus einem kleinen Ort in der Dübener Heide stammt, in Meltendorf gelandet. Wenn die frühere Köchin auf ihr Leben zurückblickt, stellt sie sich stets die gleiche Frage: Warum habe ich meinen damaligen Partner nicht früher verlassen?

Ramona Göricke und  Mario  Löbe  haben  sich im Rösenhof  Meltendorf  gefunden.   Das Paar denkt  sogar  über  eine Trauung  nach.
Ramona Göricke und Mario Löbe haben sich im Rösenhof Meltendorf gefunden. Das Paar denkt sogar über eine Trauung nach.
(Foto: Thomas Tominski)

Bei Mario Löbe hat der Einstieg in die Sucht mit dem üblichen Feierabendbier angefangen. Als Maschinenführer habe er konsequent darauf geachtet, „dass es am Abend nicht zu spät wird“. Den freien Fall in den Alkoholismus bringt er mit seiner Langzeitarbeitslosigkeit zusammen. Er fühlt sich überflüssig, greift zur Flasche. „Mir hat der geregelte Tagesablauf gefehlt“, so der 62-Jährige, der seit mehr als einem Jahrzehnt Hilfe bei der Bewältigung seines Problems in Anspruch nimmt.

Gegenüber des Rösenhofs ist die Osterhasenschule aufgebaut, die jährlich viele Besucher in den kleinen Ort lockt. Das Paar ist glücklich, seinen Teil bei der Restaurierung der Strohpuppen sowie beim Aufbau der Schule beigetragen zu haben. „Es macht Spaß zu sehen, wenn etwas durch Handarbeit entsteht. Basteln, dekorieren ist unser Ding.“

Großes Interesse

Jennifer Müller und Mira Barth, beide Ergotherapeutinnen im Rösenhof, freuen sich, dass sie mit ihren Angeboten das Interesse der Klienten wecken und die Arbeit zur Teambildung beiträgt. Nach jeder Saison benötigen einige Puppen eine Verschönerungskur, mal sind die Pfoten defekt oder es fehlen die Zähne. Die Klienten haben Anfang März mit dem Aufbau der Schule begonnen, seitdem geht in puncto Besuch die Post ab.

Armin Belitz hat fleißig  beim Aufbau der  Osterhasenschule  mitgewirkt.  Bei den vorbereitenden  Arbeiten  kommt der  68-Jährige zur Ruhe.
Armin Belitz hat fleißig beim Aufbau der Osterhasenschule mitgewirkt. Bei den vorbereitenden Arbeiten kommt der 68-Jährige zur Ruhe.
(Foto: Thomas Tominski)

Was den beiden Ergotherapeutinnen nicht gefällt, ist der Umgang mit dem Inventar. Der Hase mit der Gitarre hat sein Instrument im Rahmen der vielen Fototermine schon des Öfteren verloren. Es sei mit viel Aufwand verbunden, die Gitarre wieder mit Draht zu befestigen. „Wir bitten darum, dass Eltern beim Gang über das Areal mehr auf ihre Kinder achten“, sagen sie unisono. Die traditionelle Osterhasenschule kann kostenlos besucht werden, der Abbau beginnt nicht direkt nach den Feiertagen. Was ist neu? „Spielgeräte wie Schaukel oder Wippe“, verrät Jennifer Müller, die alle Mitwirkenden für die richtig schöne Gestaltung lobt.

Mehr als eine Flasche

Armin Belitz hat Gas-Wasser-Installateur in Kropstädt gelernt und später im Gummiwerk Piesteritz als Vulkaniseur gearbeitet. „Ich war im Jagd-Kollektiv und bei der Feuerwehr, da gab es immer einen Anlass“, so der heute 68-Jährige, der nach dem Tod seiner Frau auf die schiefe Bahn gerät.

Diesem Mümmelmann ist die Gitarre abhanden gekommen.
Diesem Mümmelmann ist die Gitarre abhanden gekommen.
(Foto: Thomas Tominski)

Die Kinder ziehen aus, Belitz gönnt sich vor der Flimmerkiste gern mal ein Bier. Der Konsum nimmt zu, gegen Ende seiner Abhängigkeit trinkt er mehr als eine Flasche Wodka pro Tag. „Ich habe in dieser Zeit völlig die Orientierung verloren und mich total aufgegeben“, meint Belitz, der heute froh ist, dass ihn jemand von der Straße aufgelesen hat. Nach zwei Jahren Therapie fühlt sich Belitz in Meltendorf angekommen. Die Mitarbeit an der Hasenschule trage zur besseren Integration bei. „Bei der Restauration von Gegenständen komme ich zur Ruhe“, so der 68-Jährige, der wie andere in der Runde keinen Besuch zu Ostern erwartet.

Die Klienten der Heporö gGmbH haben das Areal sehr dekorativ  gestaltet.
Die Klienten der Heporö gGmbH haben das Areal sehr dekorativ gestaltet.
(Foto: Thomas Tominski)

Peter Böttcher aus Calbe an der Saale ist mit Alkohol schon früh in Berührung gekommen. „Meine Jugendweihe war der Einstieg“, erzählt der 59-Jährige, auf der Disko sei es regelmäßig weitergegangen. Heute fragt er sich täglich, warum er nicht früher aus dem Teufelskreis ausgebrochen ist. „Mit meinem Kumpel habe ich zwei Flaschen Schnaps am Tag klargemacht. Dazu haben wir aber nur Cola getrunken“, so Böttcher, der nach einem Schlaganfall körperlich eingeschränkt ist. Er sei auf eine Gehhilfe angewiesen und kann deshalb auf dem Gelände der Hasenschule lediglich die Blumen gießen. „Jeder nach seinen Fähigkeiten“, tröstet Müller.

Rings um die Schule halten die ersten Autos. Besucher schlendern über das toll dekorierte Gelände, machen Fotos, schauen sich die Hasen von der Nähe an. Göricke, Löbe, Belitz und Böttcher wissen in diesem Moment: Wir haben gute Arbeit geleistet!Information: Die Osterhasenschule in Meltendorf befindet sich direkt an der Landesstraße 127.