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Kein Unterschied zwischen Bäuerin und DDR-Botschafter Große Ehrung: Klödenerin erhält von der Handwerkskammer den diamantenen Meisterbrief

Seit 60 Jahren ist die Klödenerin Alma Lehmann Damenschneiderin.

Von Klaus Adam Aktualisiert: 18.10.2021, 09:49
Alma Lehmann erhielt von der Handwerkskammer den diamantenen Meisterbrief. Hier sitzt sie an ihrer geliebten Nähmaschine mit Fußantrieb.
Alma Lehmann erhielt von der Handwerkskammer den diamantenen Meisterbrief. Hier sitzt sie an ihrer geliebten Nähmaschine mit Fußantrieb. Foto: Klaus Adam

Klöden/MZ - Sie hat zwar auch mit einer modernen Maschine gearbeitet. Mit elektrischem „Gaspedal“. Doch am liebsten saß sie an ihrer mechanischen Nähmaschine mit „Antritt“. Und das 65 Jahre lang. Denn erst mit fünfjähriger Berufserfahrung als Gesellin, damals benutzte man wahrscheinlich noch die männliche Bezeichnung, durfte sich die Klödenerin Alma Lehmann zur Meisterschule als Damenschneiderin in Cottbus anmelden. Mit Erfolg, wie sie ganz stolz anmerkt. Denn wie ihre Lehrausbildung auch, bestand sie ihre Prüfung mit einer glatten Eins.

Und mit dem Erfolg, dass sie nun, da sie 87 ist, die Ehrung mit dem diamantenen Meisterbrief erleben konnte, 60 Jahre also. Zur Feierstunde am vergangenen Dienstag bei der Handwerkskammer Halle ließ sie sich allerdings von Enkelin Angelina Lehmann vertreten. Die Knie wollen nicht mehr so, dass sie sich auf derartige Empfänge begeben wollte, erzählt sie dem MZ-Reporter.

Klödenerin ist Schneiderin mit großer Liebe und Hingabe

Dass sie ihren Beruf als Damenschneiderin aber mit großem Enthusiasmus und Liebe ausführte, daran hat der Reporter nach dem Gespräch mit ihr überhaupt keine Zweifel. Gut aufgelegt erzählt Alma Lehmann, die mit ihrer Mutter und drei Geschwistern 1945 aus dem Sudetenland, genauer aus dem Riesengebirge, nach Klöden kam, eine Anekdote nach der anderen.

Ich habe keine Unterschiede gemacht und für die Bäuerin genauso ordentlich gearbeitet, wie für die Frau vom Botschafter.

Alma Lehmann, Damenschneiderin.

Denn in den 50er Jahren nähte die Neu-Klödenerin auch Garderobe für die Schwägerin ihrer Schwester. Und die war mit einem DDR-Botschafter verheiratet, der lange Jahre vor allem in Südamerika eingesetzt war. Bei Empfängen in Berlin hätten ausländische Botschaftergattinnen bei der Frau des Botschafters schon mal angefragt, in welchem Laden im Westen sie das Kleid erworben hätte, erzählt Alma Lehmann schmunzelnd.

Angelina Lehmann (re.) nimmt stellvertretend für ihre Oma Alma Lehmann die diamantene Meisterurkunde aus den Händen von Bettina Pfeiffer, Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Halle, entgegen.
Angelina Lehmann (re.) nimmt stellvertretend für ihre Oma Alma Lehmann die diamantene Meisterurkunde aus den Händen von Bettina Pfeiffer, Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Halle, entgegen.
Foto: HWK Halle

Anfang der 1950er Jahre war Klödenerin einzige Auszubildende ihrer Meisterin

Der Bedarf an handgeschneiderten Kleidern und Kostümen war seinerzeit groß. Und entsprechend auch das Einzugsgebiet ihrer Kundschaft, erzählt Alma Lehmann. Selbst für Kunden aus Berlin und Leipzig habe sie geschneidert, aber natürlich auch für viele Frauen aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Das Material dafür beschafften ihr nicht selten Rentner, die damals schon in den Westen reisen durften. Und die brachten auch Seiten aus Modekatalogen mit, die es damals noch zuhauf gab.

Als sie Anfang der 1950er Jahre mit 16 ihre Lehre begann, war sie die einzige Auszubildende ihrer Meisterin Luise Steinwender in Klöden. „Sie hat mich wie eine Tochter behandelt“, erzählt Alma Lehmann noch heute davon sehr berührt. Die Zeit wollte es, dass sie mit ihrer Familie heute in genau dem Haus wohnt, in dem sie damals ihre Lehre begann.

Für den Ruhestand als Damenschneiderin half nur der krasse „Schnitt“

Doch zurück zur Meisterschule. Als sie nach zwei Jahren zur Prüfung zugelassen wurde, halfen ihr die Kenntnisse aus der Zuschnittschule in Berlin sehr, die sie während ihrer Lehrzeit besucht hatte. Nicht weniger als sieben Bekleidungsstücke hatte sie unter den Augen der damaligen Obermeisterin in Jessen anzufertigen - einschließlich der kreativen Entwürfe dazu.

Eine Herausforderung, auf die sie stolz ist. Als sie sich dann mit knapp 70 als Damenschneiderin zur Ruhe setzte, half aber nur der krasse „Schnitt“. Wenn sie für diese oder jene Kundin noch etwas gefertigt hätte, würde sie wahrscheinlich noch heute schneidern.