Geschichte in Annaburg Geschichte in Annaburg: 500 Jahre Musik in einem Buch

Jessen - Der Verein für Heimatgeschichte und Denkmalpflege Annaburg – namentlich Detlef Schulze als Autor – hat den Bürgern der Stadt sowie allen musikbegeisterten und heimatgeschichtlich interessierten Menschen der Region ein wunderbares Geschenk beschert, rechtzeitig genug für den weihnachtlichen Gabentisch: Es ist der vierte Band der „Annaburger Hefte“ mit dem Titel „Annaburger Sang & Klang“. Insider wissen, dass es sich dabei um ein richtiges Buch mit festem Einband handelt, herausgegeben vom besagten Verein. Die Aufmachung ist hochwertig, das gilt für die Titelgestaltung ebenso wie für Druck und Papier.
Große Resonanz
Nichts anderes wäre des Werkes würdig, denn die Thematik, die Detlef Schulze, geboren 1953, tiefgründig erforscht, geprüft, zusammengefügt – und schließlich niedergeschrieben hat, umfasst nahezu 500 Jahre Musikgeschichte in der Region um Annaburg und Prettin, zwischen Schwarzer Elster und Elbe.
Die Präsentation des Werkes wird zum Erlebnis. Umrahmt vom wunderschönen Flöten- und Klavierspiel sowie dem Überraschungsauftritt der ehemaligen „Elster-Vokalisten“ (organisiert von Ehefrau Dorothea Schulze und dargeboten mit den Familien Sommer und Glüer) genießen mehr als 100 Besucher auf der Galerie des historischen Amtshauses einen überaus musischen Abend: „So eine Resonanz ist nicht selbstverständlich, schon gar nicht im Advent, wo ohnehin viele Angebote locken“, wertschätzt Vereinsvorsitzender Wolfgang Donath und bekundet: „Seit einiger Zeit vollzieht sich in unserem Land ein gesellschaftlicher Wandel, der einhergeht mit einer medialen Abwertung des Begriffes ,Heimat‘. Umso mehr freue ich mich über das zunehmende Interesse für solche Themen.“
Anfänge im Mittelalter
Das vorliegende Buch, so wird dem geneigten Leser schon beim ersten Durchblättern offenbar, stammt aus der Feder eines Menschen, der tief in der Region verwurzelt sowie heimatgeschichtlich und musisch bewandert ist. Aus dem Zusammenspiel dieser drei Komponenten wächst die Leidenschaft, mit der Detlef Schulze, einst Mitbegründer der „Elster-Vokalisten“, im Zeitraum von etwa vier Jahren mehr als 2.000 Stunden an dem Buch gearbeitet hat. Vorbereitungen gab es schon weit früher.
Auf 192 reich bebilderten Seiten, inklusive Geleitworten, Inhalts- und Quellenangaben, lädt Detlef Schulze zur literarisch-musikalischen Zeitreise ein. Er beginnt sie im späten Mittelalter, dem „Lochau“ der Reformationszeit (heutiges Annaburg) bei Pfarrer Stifel und dessen Weggefährten. Dabei filtert er insbesondere die Bedeutung der frühen Prettiner Kantorei heraus.
Was Schulze in akribischer Forschungsarbeit aus alten Kirchenbüchern, Archiven, Chroniken, Zeitungsartikeln und – für die jüngere Zeit – auch durch Befragung von 80 (!) Zeitzeugen herausgefunden hat, „komponiert“ er mit schriftstellerischem Feingefühl zu einem großen Werk.
Ein Vermächtnis in Buchform
Er spannt darin einen Bogen, der bis in die heutige Zeit klingt. Zur besseren Übersicht gibt es zehn Kapitel, angefangen von: „Musik in alten Tagen“ über „Militärmusik im Knaben-Erziehungsinstitut Annaburg“, „Stadtkapellen und Orchester“, „Marschmusik und Blaskapellen“, „Tanz- und Unterhaltungsmusik ab 1945“, „Instrumentalgruppen, Gesangsvereine und Chöre“, „Musik in Schulen“, „Neue Richtungen“ und „Sonstige Annaburger Musik- und Kulturgruppen“. Es sei schier unmöglich, ein halbes Jahrtausend Musikgeschichte mit allen maßgeblichen Personen und Geschehnissen lückenlos zu erfassen, kommentiert Wolfgang Donath, doch: „Diese Dokumentation ist unseres Wissens die einzige, größere Aufarbeitung des Themas in der Region. Dieses Vermächtnis wollen wir unseren Kindern weitergeben.“
Dass Detlef Schulze – systemunabhängig – das jeweils musikalische Alltagsleben „lebendig, interessant – und wo angebracht auch humorvoll“ widerspiegelt, lernt der Leser sehr bald zu schätzen. Besonderes Augenmerk legt der Autor auf die Darstellung des geselligen Lebens innerhalb der Vereine. Selbst der Männer-Turn-Verein rühmte sich einer „Gesangs-Abteilung“. Das spitzbübisch vorgetragene Geständnis von Detlef Schulze, dass er „schon aus familiären Gründen“ viel fröhliches Jugendleben mitgekommen habe, punktet beim Publikum mit verständnisvollem Lächeln: „Meine Ururgroßeltern mütterlicherseits führten schon den ,Goldenen Ring‘“. Dass die Annaburger nach dem Krieg das gemeinschaftliche Singen nicht verlernt haben, ist unter anderem ein Verdienst des Lehrers Ewald Däumichen (1891 – 1977). Er ist der Großvater von Detlef Schulze. Ihm hat er das Buch gewidmet. (mz)
