Generationswechsel Generationswechsel: Frauenärztin Sarah Kullmann tritt in väterliche Fußstapfen

Jessen - Der Generationswechsel ist vollzogen. Sarah Kullmann hat die Frauenarztpraxis ihres Vaters Dr. Holger Thelen in der Jessener Rosa-Luxemburg-Straße übernommen. Ihre Zulassung wurde zum 1. Mai gültig.
Vor Ostern hatte der 74-jährige Senior seinen offiziell letzten Tag in der Praxis. Dann war erst einmal geschlossen, zwecks Renovierung. „Gründonnerstag haben wir hier den Tresen abgebaut“, erzählt Sarah Kullmann. Frisch und hell wollte sie es haben. Der dunkle Fußboden ist einem hellen Holzton gewichen. Das Lindgrün der Möbel im Empfangsbereich findet sich nun auch in den anderen Praxisräumen wieder.
Den angestammten Patientinnen, die am Mittwochvormittag kommen, um sich beim Arzt ihres Vertrauens zu bedanken und die Nachfolgerin zu begrüßen, fällt das sofort ins Auge. „Schön ist's geworden“, sagt Marlis Kühn, die mit ihrem Ehemann gekommen ist. „Aber natürlich“, sagt sie auf die Frage, ob sie der jungen Gynäkologin ebenso vertraue wie zuvor deren Vater.
Den Jessenern ist die 33-jährige Sarah Kullmann keine Unbekannte, sie ist hier aufgewachsen. Als sie geboren wurde, war die Familie schon nach Jessen gezogen, wo ihr Vater an der Poliklinik die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe leitete. Zuvor war er in Wittenberg am Paul-Gerhardt-Stift tätig und hielt über eine so genannte „Z-Stelle“ des staatlichen Gesundheitswesens zweimal in der Woche Sprechstunden in Jessen ab.
Nach der Wende gründete Holger Thelen seine eigene Niederlassung, zunächst in der Friedensstraße. 1992 zog er dann in die neu errichteten Praxisräume in der Luxemburg-Straße ein. „Ich war also 27 Jahre an diesem Ort“, sagt er. Dass eine seiner drei Töchter in seine Fußstapfen tritt, habe er zwar immer gehofft. „Dazu gezwungen habe ich sie nicht“, sagt er bestimmt.
Den Eindruck macht Sarah Kullmann nun wirklich nicht. Fröhlich und aufgeschlossen begrüßt sie am Mittwoch jeden Ankömmling in der Praxis, ob sie ihn kennt oder nicht. Dass sie Medizin studieren wollte, habe für sie schon frühzeitig festgestanden und sich auch schnell für die Fachrichtung entschieden, erzählt sie freimütig.
Nach dem Studium in Halle hat sie am Torgauer Krankenhaus ihre Facharztausbildung gemacht. Nun zeigt sie stolz einer jungen Berufskollegin von dort ihre Praxisräume.
Kullmanns beiden Kinder, fünf und zwei Jahre alt, wuseln dort an diesem besonderen Vormittag ebenfalls umher. Wird der Ansturm zu groß, hält ihr Ehemann Jens Kullmann den Rücken frei. Wie auch im Alltag. Der ist am Donnerstag in der Praxis wieder eingezogen.
Die Chefin hat das Mitarbeiterteam ihres Vaters übernommen: Sylvia Lehmann und Heidi Thelen - ihre Mutter. Beiden überreicht Holger Thelen zum Abschied und „als Dank für die gute Arbeit“ Blumensträuße.
Langweilig werde ihm keinesfalls, versichert er. Im Team der Leitenden Notärzte für den Rettungsdienst des Kreises Wittenberg ist Thelen für die Dienstpläne verantwortlich. Im Jessener Fitness- und Gesundheitsstudio „Family Gym“ ist er betreuender Arzt der Herzgruppe.
Außerdem singt er im Jessener Männerchor 1859 und verwaltet dessen Finanzen. „Und dann habe ich noch einen großen Garten, eine Frau und Enkelkinder.“ Auch die Praxisinhaberin will nach eigenem Bekunden auf väterlichen Rat und Hilfe nicht verzichten.
Die Praxisübernahme ist für Jessen ein freudiges Ereignis. Die Situation im Hausarztbereich ist noch prekär. Bürgermeister Michael Jahn (SPD) beteiligt sich an der Suche. Wie er nun berichtet, hatte er am 22. April eine Ärztin für Innere Medizin und Geriatrie aus dem Harz, die sich zunächst im Ärztehaus über die Bedingungen informierte, zu einer Stadtrundfahrt eingeladen.
So habe sich die Medizinerin und Mutter zweier Töchter (11 und 13 Jahre) ein Bild von Wohn- Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten sowie über die Angebote des Gymnasiums machen können. Eine Entscheidung ist aber noch nicht zu verkünden. (mz)