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Friedhofskultur Friedhofskultur: Gräber verändern ihr Erscheinungsbild

Von Andreas Richter 13.11.2014, 09:09
Länger als gewöhnlich zieren immer noch viele Blumen die Friedhöfe. Die milde Witterung bewirkt, dass mancher auf die herbstliche Zwischenbepflanzung gleich ganz verzichtet.
Länger als gewöhnlich zieren immer noch viele Blumen die Friedhöfe. Die milde Witterung bewirkt, dass mancher auf die herbstliche Zwischenbepflanzung gleich ganz verzichtet. thomas christel Lizenz

Jessen - Seinen verstorbenen Angehörigen fühlt man sich auf dem Friedhof besonders nah. Grabstätten - egal in welcher Form - sind die speziellen Orte des Erinnerns. Und diese pflegt jeder auf seine Art und Weise. Mit dem Herbst und dem näher kommenden Termin des Totensonntags im November verändern Friedhöfe wieder ihr Gesicht. Die Zeiten der Sommerblumen sind vorbei. Es gilt sich zu festzulegen, wie man die Übergangszeit gestaltet, für welche Form des Grabschmucks man sich in diesen Wochen entscheidet.

Es gibt so etwas wie Trends

Die Bepflanzungs- und Gestaltungskultur hat sich verändert. Ja, man könne mittlerweile sogar davon sprechen, dass es Trends gibt, sagt Bettina Schmager-Scheil, Chefin des Jessener „Blumenecks“. „Friedhöfe haben sich zu kreativen Orten entwickelt, an denen die Menschen mit sehr viel Liebe die Gräber ihrer Angehörigen gestalten. Und man ist durchaus mutiger in den vergangenen Jahren geworden, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen.“

Natürlich, schränkt sie ein, sei so manches eine Frage des Geldbeutels. „Es ist leider so, dass nicht jeder in ein Fachgeschäft gehen kann. Wer aber die Möglichkeit hat, sucht sehr oft bewusst nach Alternativen zu den üblichen Dingen und wählt sorgfältig aus.“ Dabei ist oftmals der Spagat zwischen geringerem Pflegeaufwand und besonderer Optik gefragt. Gibt es einen Trend 2014? „Bei uns ja. Natürlich, aber edel würde ich ihn nennen“, erklärt Scheil. Soll heißen? „Für die Herbstbepflanzung nehmen sehr viele das winterharte Erika-Heidekraut, kombiniert mit Alpenveilchen oder anderen Pflanzen bis hin zu Gräsern, die bis zum ersten Frost durchhalten. Aber die Leute achten bewusst darauf, dass alles Ton in Ton ist. Wilde Farbkombinationen sind eher selten, jedenfalls bei uns.“ Kommen dann später die Gestecke aufs Grab, kann es beispielsweise der Kranz aus hellem Birkenholz sein, der mit silberfarbenen Elementen kombiniert wird. Auf jeden Fall bilden fast immer Naturmaterialien die Grundlage. „Das wird bei uns in der Hauptsache verarbeitet“, so die „Blumeneck“-Chefin. Und der klassische Kranz muss es auch nicht immer sein. Die Variante eines Ständers ist noch nicht üblich, aber setzt sich immer mehr durch.

Der Griff zur Schale

Heike Schindler, Chefin von „Recks Blumenboutique“ Jessen, hat die Erfahrung gemacht, dass die Leute aufgrund Zeitmangels nicht mehr die komplette Grabfläche bepflanzen. „Immergrüne Pflanzen bilden sehr oft den zentralen Punkt, darum werden dann die Saisonblumen eingesetzt.“ Doch jetzt im Herbst verzichten nicht wenige gleich ganz auf eine Zwischenbepflanzung und wählen dafür eine Schale als Alternative.

„Bei den Gestecken haben wir festgestellt, dass gewachste Sachen beliebt sind. Ansonsten greifen auch bei uns die meisten auf natürliche Materialien zurück.“ Und, was Heike Schindler gut findet, der Mut zur Farbe nehme zu. „Es muss nicht mehr nur das klassische Weiß sein. Das hat sich auf jeden Fall geändert.“

Laut Angaben des deutschen Bestattungswesens gibt es in Deutschland derzeit circa 32 000 Friedhöfe mit etwa 32 Millionen Grabstellen. Nach wie vor soll die Erdbestattung die am häufigsten gewählte Form der Beisetzung sein.

Allerdings nimmt der Anteil an Urnen- oder anonymen Beisetzungen zu, vor allem in den Städten. Und der Zuspruch, Alternativen zu den kommunalen oder kirchlichen Friedhöfen zu finden, wächst ebenfalls. War die Seebestattung die klassische „Ausweichvariante“, hat sich mit Einführung der sogenannten Waldfriedhöfe auch auf diesem Gebiet etwas geändert.

Und die Anzahl der Friedhöfe ist rückläufig. Vielerorts gibt es auch das große Problem, dass bestehende Anlagen gar nicht mehr komplett ausgelastet sind.

Margit Thalheim, die den gleichnamigen Blumenpavillon in Annaburg betreibt, hat eine generelle Veränderung auf den Friedhöfen festgestellt. „Die kleine Grabstelle oder die anonyme Beisetzung haben zugenommen. Damit gleicht auch die Friedhofskultur nicht mehr der vor 20 Jahren.“ Der Pflegeaufwand soll zeit- und kostengünstig sein. „Das hat für die meisten den Vorrang.“

Bei bestimmten Entscheidungen spiele auch das Wetter eine nicht unwesentliche Rolle, so die Annaburgerin. „Wenn es wie dieses Jahr solange warm ist und Sommerblumen länger als gewöhnlich halten, verzichten viele gleich ganz auf eine Zwischenbepflanzung.“ Stattdessen werden die Gräber sofort nach dem Abräumen der Pflanzen eingedeckt. „Die Gestaltung wird sehr unterschiedlich gehalten. Ältere Bürger lassen sich auf keine Experimente ein. Da wird ganz traditionell vorgegangen. Mutiger sind die jungen Leute. Sie haben Lust zu experimentieren, probieren aus und greifen gern zu sehr farbigen Blumen und Gestecken“, so Margit Thalheim. (mz)