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Sommerferien Farbenfroher Projekttag in Elster

Besucher des Jugendclubs Elster lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Was die Kinder in der Tasche haben und warum ein Bus nach Rheinland-Pfalz fährt.

Von Thomas Tominski 28.07.2021, 09:01
So macht Projekttag Spaß. Thea Rathmann, Pia  Biesgen  und  Matilda  Vorwerg  haben ihre  Farben auch zur  Gestaltung der  Hände   verwendet.
So macht Projekttag Spaß. Thea Rathmann, Pia Biesgen und Matilda Vorwerg haben ihre Farben auch zur Gestaltung der Hände verwendet. (Foto: Thomas Tominski)

Elster - Die Acrylfarbe läuft den Tisch herunter und kleckert auf die Füße. „Ist doch cool“, sagt Pia Biesgen und verteilt mit beiden Händen die restliche Farbe über das Bild. „Ich bin jedes Mal sehr überrascht, wie schön die Bilder werden“, sagt Sebastian Wenzel aus Halle, der mit den Ferienkindern des Jugendclubs „Zuflucht“ Elster auf dem Außengelände den Projekttag „Acrylic Pouring“ durchführt.

Der 35-Jährige Berufsschullehrer erzählt, dass ihn seine Mutter für diese experimentelle Maltechnik begeistert und er bisher nur mit Erwachsenen gearbeitet hat. Das Besondere an der Acryl-Fließtechnik ist: Die Ergebnisse sind nicht vorhersehbar. Alle Kinder schaffen eigene, abstrakte und sehr kreative Werke.

Bevor  die verschiedenen  Acryl-Farben auf  der Leinwand landen,  kann sich jeder  Teilnehmer  seine  Lieblingsfarben zusammenmischen.
Bevor die verschiedenen Acryl-Farben auf der Leinwand landen, kann sich jeder Teilnehmer seine Lieblingsfarben zusammenmischen.
(Foto: Thomas Tominski)

Pia Biesgen und ihre beiden Freundinnen, Matilda Vorwerg und Thea Rathmann, bestaunen ihre kleinen Kunstwerke. Sie stehen farbenfroh beschmiert am Tisch - und sind glücklich. „Wir hätten nie damit gerechnet, dass so etwas Schönes entsteht“, sagen sie im Chor und schwenken ihre Bilder noch etwas hin und her, damit die Farbe auch die letzte Ecke auf der Leinwand erreicht.

„Frustriert über das Endergebnis ist bei solch einem Projekt niemand“, so Wenzel, da keine Vorkenntnisse in puncto Malerei notwendig sind. Die Kinder sind mit Feuereifer bei der Sache. Sie kippen drei bis vier Acrylfarben in einen Becher, geben ein paar Tropfen Öl hinzu und stellen das offene Gefäß ruckzuck auf den Kopf, damit die Farben schnell über die 20 mal 20 Zentimeter große Leinwand laufen. Anschließend kann jeder Teilnehmer seiner Kreativität freien Lauf lassen.

Erfrischung im Pool

Die Leiterin des Jugendclubs, Sabine Hoffmann, hat den Projekttag mit Sebastian Wenzel nicht angekündigt. Jede Woche mindestens eine Überraschung lautet ihre Devise. Die Chefin erzählt, dass sie im Vorfeld einen Großteil des Equipments samt T-Shirts besorgt hat, damit der 35-Jährige sofort durchstarten kann. Die Kinder, die den Vormittagskurs besucht haben, toben bei hochsommerlichen Temperaturen durch zwei Swimmingpools.

Jugendclub-Chefin Sabine  Hoffmann hilft beim  Shirtwechsel.
Jugendclub-Chefin Sabine Hoffmann hilft beim Shirtwechsel.
(Foto: Tominski)

Noah Schumann erzählt, dass sein Bild „cool“ geworden ist, das Mischen der Farben habe riesigen Spaß gemacht. Jetzt genießt er die Erfrischung mit den Kumpels, die er im Jugendclub regelmäßig trifft. Ist eine Urlaubsreise geplant? Noah Schumann zuckt mit den Schultern. „Es geht definitiv an die Ostsee“, ruft Matteo Hohndorf aus dem Hintergrund und schiebt ergänzend hinterher, dass ihre Eltern befreundet sind und gemeinsam auf Reisen gehen.

„Im Pool bereiten wir uns schon auf die Ostsee vor“, sagen die beiden Jungs, die wie alle Ferienkinder einen Schrittzähler in der Hosentasche haben. „Am Ende der Ferien“, so Sabine Hoffmann, „werden die Schritte zusammengezählt und auf einem Transparent sichtbar dargestellt. Viele Kinder haben trotz der Wärme gleich ein paar Extrarunden gedreht.“

Nächtliche Fahrt

Das Projekt, von der Flut betroffenen Kindern eine schöne Ferienwoche zu bieten (die MZ berichtete), ist ins Rollen gekommen. In der Nacht vom Sonntag zum Montag (1./2. August) holen Hoffmann und ihre Mitstreiter mindestens vier Kinder aus Rheinland-Pfalz ab. Den entscheidenden Kontakt in das Katastrophengebiet hat Mandy Bischoff, Leiterin des Horts in der Jessener Grundschule „Max Lingner“, hergestellt. Ihr ehemaliger Klassenkamerad aus Prettin, Marcel Thomas, der inzwischen in Bad Neuenahr lebt, sei vom Hochwasser betroffen, dessen 16-jährige Tochter und (wahrscheinlich) drei weitere Mädchen verbringen nun die kommende Woche in Elster.

So sehen  die Bilder  der Kinder  nach der  Fertigstellung aus.
So sehen die Bilder der Kinder nach der Fertigstellung aus.
(Foto: Tominski)

Mandy Bischoff erzählt, dass der Kontakt unter den ehemaligen Klassenkameraden nie abgerissen sei und der Informationsaustausch über WhatsApp erfolgt. In dieser Chat-Gruppe wird die Hort-Leiterin auch eine Spendenaktion starten, damit für den Jugendclub keine Kosten in Sachen Verpflegung oder Unterbringung entstehen.

Matteo Hohndorf (am Beckenrand rechts) und Noah Schumann (links daneben) fahren  in den  Ferien an die  Ostsee.
Matteo Hohndorf (am Beckenrand rechts) und Noah Schumann (links daneben) fahren in den Ferien an die Ostsee.
(Foto: Thomas Tominski)

Hoffmann betont, dass die nächtliche Fahrt mit mindestens drei Fahrern beginnt, die den Bus von Eintracht Elster abwechselnd steuern. Die Kinder werden nicht direkt im Katastrophengebiet, sondern in Lantershofen, einer Gemeinde im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler abgeholt. Sie sei sehr beeindruckt, welche Welle der Hilfsbereitschaft ihr nach dem Artikel in der MZ entgegengeschwappt sei.

Mehrere Leute aus der Region stellen Quartiere zur Verfügung, andere wiederum signalisieren ihre Spendenbereitschaft. „Sabine“, klingt es langgezogen aus dem Hintergrund. Eine Gruppe Kinder fragt bunt beschmiert nach dem Weg zum Waschraum. (mz)