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Energie für Jessen Energie für Jessen: Warum erst einmal keine neuen Windräder entstehen sollen

Von Frank Grommisch 17.09.2020, 09:35
Fünf neue Windräder könnten bei Linda entstehen, aber einen Antrag auf Ausweisung eines neuen Vorranggebietes wird die Stadt Jessen erst einmal nicht stellen.
Fünf neue Windräder könnten bei Linda entstehen, aber einen Antrag auf Ausweisung eines neuen Vorranggebietes wird die Stadt Jessen erst einmal nicht stellen. Frank Grommisch

Linda/Jessen - Wie steht die Stadt Jessen zum Aufbau neuer Windenergieanlagen? Der Hauptausschuss des Stadtrats hat sich am Dienstagabend in seiner Beratung im Schloss ausführlich damit befasst.

Auslöser dafür ist, dass die Vortex energy Deutschland GmbH beabsichtigt, im Zuge des Repowerings (Ersatz von alten Anlagen durch leistungsfähigere) bei Linda das bestehende Windenergiegebiet zu erweitern und zusätzliche Windenergielangen zu errichten.

Doch damit das möglich wird, muss zuvor der Regionale Entwicklungsplan Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg angepasst und ein zusätzliches Eignungsgebiet ausgewiesen werden, heißt es in der von der Stadtverwaltung vorgelegten Begründung. Von Jessen sei deshalb ein entsprechender Antrag zum Festlegen solch eines Vorranggebietes zu stellen. Von fünf Anlagen ist die Rede.

Ortsteilbeirat anhören

Doch was sagen die Lindaer dazu? Dirk Zarrad (Linke) sprach sich dafür aus, dass ein Vertreter des Ortsteilbeirats in der Stadtratssitzung am Monatsende Rederecht bekommen sollte. Das fand auch die Unterstützung von Dirk Nowak (Vorsitzender der CDU/FDP-Fraktion).

In zwei Beratungen mit Einwohnern in Linda, so ließ er noch wissen, seien bereits die Argumente zu diesem Thema ausgetauscht worden. Er sei für erneuerbare Energien, bekannte Michael Thieme (Wir für Hier), doch „einen Mehrwert für die Anwohner sollte es geben“. Deshalb müssten Zahlen vorgelegt werden, was dabei an Geld rumkommen könnte. Klaus-Dieter Richter (CDU/FDP) sprach sich dafür aus, dass in der Ratssitzung dann sowohl Gegner als auch Befürworter reden sollten, um das Pro und Kontra zu hören.

Michael Jahn (SPD) konnte sich mit diesem Vorschlag nicht anfreunden. Nach seinem Verständnis sollten Stadträte vorab mit betroffenen Leuten reden und sich eine Meinung bilden, die sie dann in der Stadtratssitzung vertreten und nicht darauf warten, was ihnen an Argumenten am Tag der Entscheidung von Personen mit Rederecht etwa dazu vorgetragen wird.

Zur Sprache kamen auch andere Formen, um die Meinung der Anwohner zu ergründen. „Wir werden um eine Bürgerbefragung nicht herumkommen“, meinte Gerd Hintersdorf (CDU/FDP). Dazu müsste mit der Kommunalaufsicht in Wittenberg gesprochen werden, welche Möglichkeiten es gibt, erwiderte der Bürgermeister darauf. Klaus-Dieter Richter hatte eine Unterschriftensammlung dafür und dagegen angeregt.

Doch das sahen Dirk Nowak und andere Stadträte problematisch wegen des Datenschutzes und möglicher Polarisierungen im Ort, wenn bekannt würde, wer wofür sei. Frank Luczak (AfD) beantragte schon mal, dass die mögliche Abstimmung im Stadtrat zu diesem Thema namentlich erfolgen sollte. Zuvor hatte er auf seine E-Mail an die anderen Stadtratsmitglieder hingewiesen, in der habe er seine Bedenken zu den Windpark-Plänen dargelegt. In der Aussprache zeichnete sich keine Mehrheit für die eine wie auch die andere Richtung ab.

Alten Beschluss aufheben?

Zudem sorgte der Beschlussvorschlag der Verwaltung für Diskussionen, dass die Entscheidung des Jessener Stadtrats vom 4. Juni 2002, dass die Stadt gegen die Errichtung von Windkraftanlagen sei, aufgehoben werden sollte. Auch hierzu gingen die Meinungen auseinander. Die Sichtweise hätte sich seitdem geändert, meinte Michael Jahn. „Es war eine andere Zeit.“ Er hätte kein Problem, die Entscheidung aufzuheben, äußerte Klaus-Dieter Richter. Michael Thieme und Frank Luczak sahen das anders.

Es seien noch so viele Fragen offen, sagte Gabriele Wolf (BBP- Bürgerinitiative Jessen). Sie könne zu dem Zeitpunkt nicht ja oder nein sagen. Zudem stünden Aussagen am Dienstag im Widerspruch zum Gesagten im nichtöffentlichen Teil der vorherigen Hauptausschusssitzung, äußerte sie, ohne auf Details einzugehen. Sie sehe keine Möglichkeit, dass jetzt darüber befunden werden kann.

Der Hauptausschuss einigte sich nach längerer Diskussion schließlich auf den Kompromiss, an diesem Abend erst mal im nichtöffentlichen Teil darüber weiter zu diskutieren und dann öffentlich eine Entscheidung zu treffen.

Es müsse noch nachgearbeitet werden, sagte der Bürgermeister am Mittwoch. Das Thema sei hinter verschlossenen Türen intensiv und konstruktiv beraten worden. Zudem sei derzeit noch unklar, was die angekündigte Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes für die Kommunen bringe.

Es sei schließlich im Hauptausschuss einstimmig die Entscheidung gefallen, dass der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung nicht über die Ausweisung eines neuen Vorranggebietes bei Linda für die Nutzung der Windenergie beraten wird. Wann das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt, lässt sich derzeit nicht sagen. (mz)