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Ehrenbürger  Ehrenbürger : Hilfe für bedürftige Witwen

Von Frank Grommisch 01.06.2013, 19:10
Ilse Fischer (Mitte) verliest im Prettiner Ratssaal das Testament des Prettiner Ehrenbürgers Gustav Fischer. Links neben ihr Stadtarchivarin Silke Rosenkranz, rechts Ururenkel Heinrich Busse.
Ilse Fischer (Mitte) verliest im Prettiner Ratssaal das Testament des Prettiner Ehrenbürgers Gustav Fischer. Links neben ihr Stadtarchivarin Silke Rosenkranz, rechts Ururenkel Heinrich Busse. Frank Grommisch Lizenz

Prettin/MZ - So etwas hat es in Prettin wohl noch nie gegeben. Und es wird wohl auch nicht wiederholbar sein, meinte Ortsbürgermeisterin Helga Welz (parteilos) am späten Donnerstagnachmittag. Zuvor hatte sie gemeinsam mit Annaburgs Bürgermeister Erich Schmidt (SPD) Nachkommen des Prettiner Ehrenbürgers Gustav Adolph Fischer begrüßt. Der Mann, der von 1836 bis 1912 lebte, hatte sich für etliche in finanzielle Bedrängnis geratene Prettiner Einwohner eingesetzt.

Anfrage zum Vertrag

Nun aber, so meinten die Nachkommen, als sie sich im Rathaus zu einer Gesprächsrunde mit dem Freundeskreis Heimatgeschichte trafen, sollte sich die Stadt erneut für ihren Ehrenbürger einsetzen. Den Anlass lieferte ein Schreiben des Kreiskirchenamtes an die Enkelin von Gustav Fischer, an Ilse Fischer. Darin wird angefragt, ob sie bereit ist, den Grabpflegevertrag für die Begräbnisstätte ihres Großvaters zu verlängern. Doch aufgrund ihres Alters, Ilse Fischer ist 92 Jahre, möchte sie keinen solchen Vertrag mehr eingehen. Hier sehen die Nachkommen jetzt die Stadt in der Pflicht, sich um das Grab ihres Ehrenbürgers zu kümmern, äußerte Rolf-Erich Wandhoff, ein Freund der Familie. Die Stadt, so informierte Erich Schmidt, habe hier Friedhofsunterhaltungsgebühren gezahlt. „Das ist auf jeden Fall in den letzten Jahren gemacht worden.“ Zum weiteren Verfahren mit dem Grab des Ehrenbürgers wird in Ausschüssen und dem Annaburger Stadtrat zu reden sein, teilte er mit.

Der Besuch der Nachkommen wird aber nicht allein deshalb noch eine ganze Weile nachklingen. Zum einen verlas Ilse Fischer das Testament von Gustav Fischer. Darin ist vermerkt das Gustav Fischer der Stadt die damals beträchtliche Summe von zunächst 3 000 Mark (später aufgestockt auf 4 000 Mark) geschenkt hat. Die Zinsen dieses Geldes sollten bis zu ihrem Tode seiner Frau zugute kommen. Danach, so gab er in seinem letzten Willen vor, wollte er, dass mit diesem Geld bedürftigen Witwen sowie Armen geholfen wird. Das Vorschlagsrecht hierfür lag damals beim Bürgermeister und dem Kaufmann Theodor Zander bzw. seinen Nachkommen. Zander soll es übrigens gewesen sein, der vorgeschlagen hatte, eine Straße in Prettin nach Gustav Fischer zu benennen. Diese Absicht, so bekannte Fischer im Testament, habe ihm allerdings nicht sehr gefallen. Was aus dem Geld des Ehrenbürgers und der somit von ihm ins Leben gerufenen Stiftung geworden ist, weiß derzeit wohl niemand.

Für Erstaunen sorgte zudem die von Landeskonservatorin Ulrike Wendland verlesene Antwort auf ein Schreiben der Nachkommen. Demnach sei der städtische Friedhof ein Baudenkmal. Das dies so ist, wurde von Kirchenvertretern und Bürgermeister Erich Schmidt bezweifelt. Weiter schrieb Ulrike Wendland: „Von besonderer geschichtlicher Bedeutung und damit denkmalkonstituierend sind der Grabstein für den Ehrenbürger Gustav Adolph Fischer (1836 bis 1912) geb. in Prettin, Regierungsrat im Justizministerium in Berlin, der durch sein Wirken die Stadt förderte und vielen Bürgern half...“. Erwähnt wird hierbei auch der Grabstein für den im KZ Lichtenburg ermordeten Kommunisten Ernst Richter (1878 bis 1933). Doch diese Grabstelle gebe es nicht mehr, hieß es in der Runde. Das veranlasste Rolf-Erich Wandhoff zu der Feststellung. „Dann haben wir ein Fass aufgemacht.“ Das hieß so viel, das hier noch einige Nachforschungen und Abklärungen notwendig sind.

Große Liebe zur Stadt

Helga Welz wies auf eine große Gemeinsamkeit hin, die Gustav Fischer und die heutigen Prettiner eine, das sei die „unheimliche Liebe zur Stadt“. Und daraus leitete Helga Welz auch die Aufgabe für die Nachkommen ab, sie an ihre Kinder weiterzugeben.

Zum Besuchsprogramm der Nachkommen von Gustav Fischer gehörte neben dem Treffen mit dem Freundeskreis Heimatgeschichte eine Führung in der Stadtkirche. Am Freitagnachmittag wollten sie das Grab Gustav Fischers aufsuchen und anschließend war die Teilnahme am Heimatabend vorgesehen.