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Demografischer Wandel in Jessen Demografischer Wandel in Jessen: Zukunftsrezept Umbau

Von Ute Otto 12.04.2018, 09:18
Der Block in der Ludwig-Hosch-Straße 13 - 15 in Jessen wurde vor zwei Jahren aufwändig umgebaut.
Der Block in der Ludwig-Hosch-Straße 13 - 15 in Jessen wurde vor zwei Jahren aufwändig umgebaut. U. Otto

Jessen - In der Jessener Ludwig-Hosch-Straße 13-15 steht ein Mann auf dem Balkon und genießt seinen Kaffee in der Morgensonne. Im Dezember sei er hier eingezogen, eine Zweiraumwohnung, top saniert, mit großen Zimmern und einer großen Küche.

Das Haus ist mit Fahrstuhl ausgestattet.470 Euro Warmmiete bezahle er für die 65 Quadratmeter, das sei ein guter Preis, anderswo würden sie sich die Finger danach lecken. „Ich hatte mich für die Wohnung vormerken lassen, als ich hörte, dass der Vormieter ausziehen will“, erzählt der Jessener, der nicht genannt werden möchte.

Geringe Fluktuation

Die Ludwig-Hosch-Straße 13-15 zählt zu den jüngsten Objekten in der Reihe derer, die die Jessener Wohnungswirtschaft GmbH (Wowi) in den zurückliegenden Jahren nicht schlechthin saniert, sondern grundhaft umgebaut hat, so dass auch ältere Menschen lange darin selbstständig wohnen können, berichtet Geschäftsführer Steve Schimmel. Die Fluktuation in diesen Häusern sei gering, es gebe Wartelisten.

„Der demographische Wandel ist bei uns schon mindestens seit 1999 Thema“, fügt Schimmels Mitarbeiter Peer Rüdiger hinzu. Beginnend mit der Siedlung 24 und Bergweg 13 wurden sukzessive Mehrgeschosser mit Fahrstühlen ausgestattet. Da diese kostenintensiv bei Anschaffung, Betrieb und Unterhaltung seien, „haben wir nicht in jeden Eingang einen Fahrstuhl gebaut, sondern für jedes Objekt einen und diesen über lange Flure erreichbar gemacht“, so Schimmel.

Das lässt erkennen, welche Dimension die Umbauten hatten - „da wurden wirklich Wände verrückt“. So seien seither etwa 60 altengerechte Wohnungen geschaffen worden, die aber bei weitem nicht nur von älteren Mietern bezogen sind. „Die Leute mieten vorausschauend“, sagt der Geschäftsführer. Insgesamt verwaltet die Wowi rund 650 Wohnungen in Objekten mit vier bis 40 Wohnungseinheiten, hauptsächlich in der Kernstadt Jessen, aber auch in Holzdorf, Seyda, Annaburg.

„Hier in der Stadt sind wir gut belegt“, sagt Schimmel, „wir merken, dass es die Leute vom Dorf weg in die Stadt zieht“. Der Wohnungsbestand in Jessen sei noch immer ausreichend, Neubauten habe es nicht gegeben, und seien auch nicht geplant. Geändert hätten sich die Ansprüche der Mieter. „Weniger, dafür großzügigere Zimmer und möglichst ein Abstellraum in der Wohnung sind gefragt.“ Wohnungen würden, wenn sie frei werden, nacheinander saniert.

Das bringe zwar Baulärm für die Nachbarn mit sich, die meisten zeigten dafür aber Verständnis: „Es könnte ja bald auch ihre Wohnung sein“, wie Schimmel sagt. „Sobald eine Wohnung renoviert ist, ist sie auch schon wieder weg.“ So registrieren die Wowi-Mitarbeiter auch häufige Umzüge innerhalb eines Quartiers. Ebenfalls gewachsen sind die Anforderungen an die Energiebilanz.

Der Block in der Alten Wittenberger Straße 35 bis 38 sei nach dem Prinzip eines Niedrigenergiehauses hergerichtet mit Dämmung und dreifacher Fensterverglasung. „Die Bäder dort sind mit Wanne und Dusche ausgestattet“, auch das trage zur Senkung der Nebenkosten bei.

Jessen-Nord sei nicht nur bei älteren Menschen als Wohnlage beliebt - Sekundarschule, Einkaufsmarkt, soziale Einrichtungen, Ärztehaus - das freilich mit Medizinern besser besetzt sein könnte - sind fußläufig zu erreichen. Es gibt mehrere Pflegedienste, die sich in Wowi-Objekte eingemietet haben. Dass das Polizeikommissariat dort sein Domizil hat, ist für das Sicherheitsempfinden älterer Menschen nicht ohne Belang.

Zum guten Wohnen gehöre ein gepflegtes Äußeres. Das gelte auch für die Blöcke, die nicht aufwändig saniert werden können, weil die Wowi auch für sozial schwache Mieter Wohnungen vorhalten muss. Einige Blöcke haben bereits einen frischen Anstrich bekommen.

Stellplatz oder Grünanlage

Vier Hausmeister kümmern sich zudem um das Umfeld der Wowi-Objekte. Grün soll sein, allerdings wünschen die Mieter auch Parkplätze - „mit zwei pro Wohnung müsse man heutzutage kalkulieren“, so Schimmel, aber das gebe in Jessen-Nord der Platz nicht her. „Wir wandeln da auf einem schmalen Grad.“

Zurück zur Ludwig-Hosch-Straße. Dort beklagt ein alter Mann, dass sie in dem altengerechten Haus die Fahrräder in den Keller tragen müssten. Fahrradgaragen könnten eine Lösung sein. Aber das würde die Miete erhöhen. Nicht jeder traue einer Fahrradbox außerhalb des Hauses. Wenn es auch zu wünschen sei, dass die Mieter rundum zufrieden sind. „Es ist kaum möglich, es jedem recht zu machen“, sagt Schimmel. (mz)