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Bilder und Gedichte vom Osten Afrikas

Von Detlef Mayer 31.08.2005, 16:15

Seyda/MZ. - Am Dienstagabend schlug der 57-Jährige im Seydaer CVJM-Haus eine relativ kleine Zuhörerrunde von einem reichlichen Dutzend Interessierter in seinen Bann. Aus drei, nein eigentlich vier Komponenten setzte er seinen Vortrag zusammen, zu dem ihn seine Frau Jutta und die beiden Kinder begleitet hatten, die, wenn nicht gerade auf Heimaturlaub wie jetzt, mit ihm in Lugala leben. Zu dem Abend eingeladen hatte Seydas Pfarrer Thomas Meinhof.

Es gab unter der niedrigen Decke des kleinen CVJM-Hauses, welches das älteste Seydas ist und gerade eine neue Dielung erhalten hat, natürlich Dias zu sehen. Über das Hospital, seine einzelnen Räume, die vorhandene Technik, die Leute, die dort arbeiten oder Patienten waren, und die am häufigsten auftretenden Krankheitsbilder. Ebenso wurden Aufnahmen vom Land, typische Pflanzen und Tiere eingeschlossen, von den Straßen, die eigentlich Feldwege sind, und von Brücken, über die sich hierzulande niemand wagen würde, gezeigt. Mit seinen Erläuterungen vermittelte Jörg Pönnighaus sehr anschaulich viele aufschlussreiche Einzelheiten. Daneben aber, und das verlieh dem Treffen eine ganz besondere Qualität und Atmosphäre, las der Mediziner immer wieder mal eine Seite aus seinen Tagebuchaufzeichnungen und trug sogar einige seiner Gedichte vor.

Lyrik scheint in der Abgeschiedenheit schwer zugänglicher afrikanischer Landstriche wie dem der Kilombero-Ebene, in der Lugala (140 Kilometer von der nächsten größeren Stadt Ifakara entfernt) liegt, gut zu gedeihen. So heißt denn auch einer seiner vielleicht fünf oder sechs Gedicht-Bände, die der Arzt im Gepäck hatte, "Kilombero Ebene". Er ist 2005 im Fischer-Verlag erschienen (ISBN 3-8301-0795-1). Eine kurze Leseprobe: "Zeit - ein Kreis, der sich schließt; ein Traum, der verblasst; Wind, den niemand sieht; Zeit, ein Becher, den wir leeren müssen, du, ich"

In Lugala existieren kein Telefon, kein Fernseher, keine Waschmaschine, es funktioniert kein Handy, erreichbar ist Lugala nur über eine Straße, die diese Bezeichnung nicht verdient. Strom liefert entweder ein Generator oder, so die Sonne scheint, eine Batterie Solarzellen. In diesem Jahr wurde ein neuer Brunnen gebohrt, der Wasserturm harrt noch seiner Erneuerung.

Jörg Pönnighaus ist täglich zwölf Stunden im Dienst, die Patienten kommen aus einem Umkreis von etwa 120 Kilometern. 1 200 Entbindungen 2004, 250 Kaiserschnitte pro Jahr, Malaria, offene Tuberkulose, Lepra, Pilzerkrankungen (greifen den Knochen an, bei Nichtbehandlung droht die Amputation), Gürtelrose / Herpes (kann bei Aids-Infizierten zur Erblindung führen), zunehmend Aids, aber auch Zivilisationskrankheiten wie Ölakne - so sieht der Alltag des Mediziners aus. Hinzu kommen Querelen mit Verantwortlichen der Diözese in Ifakara, immer wieder lassen sie Geld in privaten Taschen versickern (Spenden, die direkt ans Lugala-Hospital gehen, sind davon nicht betroffen). Da stellt, Gedichte zu schreiben, sicher so etwas wie einen Fluchtpunkt dar.