Leserärger Beharrlichkeit zahlt sich aus - Schulsekretärin aus Seyda muss hart um Augenarztermin kämpfen
Die Sekretärin der Grundschule Seyda, Bettina Hecht, muss hart um einen Augenarzttermin kämpfen. Warum die 62-Jährige mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit geht.

Seyda/MZ. - Bettina Hecht schaut in den Spiegel. Zumindest mit einem Auge. Das linke ist zugeschwollen und sieht wie nach einem Boxkampf aus. Die Sekretärin der Grundschule Seyda geht trotz dieser Einschränkung zur Arbeit und hofft auf baldige Besserung. Erst auf Anraten ihrer Kollegen, die sogar einen Schlaganfall in Betracht ziehen, macht sich die 62-Jährige auf den Weg in Richtung Apotheke. Hier erhält sie eine umfassende Beratung, Salbe plus Augentropfen. Doch die Sehbeeinträchtigung bleibt. Bettina Hecht will nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Sie probiert es weiter mit Tropfen und Salbe – doch das linke Auge bleibt weiterhin dick.
Bis ins Wartezimmer
Weil die Schulsekretärin hauptsächlich am Computer arbeitet, ist sie auf freie Sicht angewiesen. Ihr Hausarzt empfiehlt ihr nach eingehender Untersuchung den Gang zum Augenarzt. Und dann fängt das Dilemma an. Sie ruft beim ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116117 an, kontaktiert mehrere Ärzte in Wittenberg, Jüterbog oder Bad Belzig, verschickt E-Mails, bekommt sogar eine Antwort und seitens des Notdienstes die Empfehlung, eine Sprechstunde ohne vorherige Terminvergabe zu nutzen.
Bettina Hecht schafft es laut eigenen Angaben bis ins Wartezimmer, doch die Tür zum Behandlungszimmer bleibt zu. „Ich wurde ohne Begründung wieder weggeschickt“, blickt sie zurück. Die 62-Jährige schildert ihrer Krankenkasse und der Ärztekammer den Fall und versucht es permanent auf der 116117. „Ich bin erst einmal in Brandenburg gelandet. Dort haben sie mich nach Sachsen-Anhalt durchgestellt.“ Ihre Beharrlichkeit hat endlich Erfolg. Sie bekommt einen Termin im Augenzentrum der Lutherstadt – und eine Diagnose.

Die Schulsekretärin nennt es „wie ein Gerstenkorn unter dem Lid“, exakt heißt es Lidödem. „Es wird wohl auf eine Operation hinauslaufen“, ist Hecht überzeugt, die nach vielen unruhigen Tagen wieder ihren Seelenfrieden gefunden hat. „Trotzdem“, sagt sie mit einem gewissen Gesichtsausdruck, „habe ich mich in dieser Phase mehrfach verraten und verkauft gefühlt. Da hängt man stundenlang ergebnislos in der Warteschleife.“
Die 62-Jährige will keine schmutzige Wäsche waschen. Es gehe ihr vielmehr darum, aufzuzeigen, wie es im Ernstfall laufen kann. Das Thema Fachärztemangel sorgt zwar deutschlandweit für Schlagzeilen, doch es gibt Menschen, die in Arbeitsprozesse eingebunden sind beziehungsweise ihren Job ernst nehmen. „Ich kann nicht ständig von der Arbeit weglaufen. Das ganze Prozedere hat anderthalb Wochen gedauert“, so Hecht, denn eine Sekretärin sorgt mit für den reibungslosen Ablauf an einer Schule. Zudem findet sie es nicht schön, dass die Krankenkassenbeiträge ständig steigen und die Versorgung zu wünschen übrig lässt.
Schwierige Situation
Die 62-Jährige geht mit ihrem Problem auch an die Öffentlichkeit, damit andere Menschen für den Notfall vielleicht einen Plan B entwickeln. Sie verfügt über den Luxus, einen Partner zu haben, der sie mit dem Auto zum Arzt oder zur Apotheke fährt. Alleinstehende mit Kindern oder ältere Menschen ohne Anschluss sind in solchen Situationen „völlig aufgeschmissen“.
Trotz dieser persönlichen Achterbahnfahrt verteilt Hecht auch Lob. Hausarzt und die Mitarbeiterinnen der Apotheke haben sich sehr bemüht, im Augenzentrum sei sie „sehr, sehr gut aufgenommen“ worden. „Die Ärzte haben eine hohe Kompetenz ausgestrahlt“, sagt sie. Über die „sinnlos verbrachten Stunden am Telefon“ möchte die 62-Jährige nicht mehr explizit sprechen. „Jetzt scheint die Sonne wieder in beide Augen“, betont sie beim Fototermin.