Aufrüstung im Landkreis Wittenberg Aufrüstung im Landkreis Wittenberg: Kleiner Waffenschein begehrt

Jessen/Wittenberg - Im Landkreis Wittenberg ist ein Anstieg der Anträge auf einen so genannten Kleinen Waffenschein zu verzeichnen. Das bestätigt auf Nachfrage der MZ Andreas Bräse, der bei der Kreisverwaltung Wittenberg der Ansprechpartner ist, wenn es um das Thema Erwerb dieser Erlaubnis geht.
Der Kleine Waffenschein ist seit dem Jahr 2003 als Möglichkeit zum Führen von Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit erforderlich. Beim Transport einer Schreckschusswaffe in einem verschlossenen Behältnis ohne Munition oder dem ausschließlichen Besitz innerhalb der eigenen Wohnung benötigt man keinen Waffenschein. Der Kleine Waffenschein gilt auch nicht für Luftdruckwaffen (Softair) oder Blankwaffen (Messer, Säbel etc.). Trotz Kleinen Waffenscheins ist die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen mit einer Schreckschusswaffe untersagt.
Das Warum nicht erkennbar
Andreas Bräse hütet sich strikt davor, den steigenden Bedarf unmittelbar in Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen zu bringen. „Zum Warum können wir keine konkreten Angaben machen. Denn bei der Beantragung muss kein Grund angegeben werden.“ Also könne die Behörde keine Aussage treffen, ob der tatsächlich signifikante Anstieg der Anträge im neuen Jahr aus einem gestiegenen Sicherheitsbedürfnis bei den Leuten resultiert, möglicherweise im Hinblick auf die Übergriffe in einigen Städten zu Silvester.
Bei manchen Interessenten sei das zweifellos der Fall, wie er mitunter in den persönlichen Gesprächen heraushöre, so Bräse. Aber er nennt noch einen anderen, überraschenden Grund. „Wir leben in einer Region, in der der Wolf immer heimischer wird. Somit gibt es tatsächlich Leute, die eine Schreckschusspistole bei sich tragen wollen, wenn sie im Wald unterwegs sind und meinen, dort vielleicht auf Isegrim treffen zu können.“
Allerdings ist das ganze Thema nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Dies wird beim Gespräch mit Andreas Bräse rasch deutlich. Denn die Besitzer einer solchen Erlaubnis müssen sich mit den gesetzlichen Bestimmungen auskennen und diese strikt einhalten. „Den Kleinen Waffenschein braucht man nun einmal als Erlaubnis zum Führen von Schreckschusswaffen. Sprich, wenn die Waffe zugriffs- und schussbereit außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen befriedeten Besitztums bei sich getragen wird.“ Und das Verbot der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen bedeutet auch, „dass man mit der Waffe keinen Wochenmarkt besuchen darf“.
Nur in reiner Notwehr
Das Schießen mit einer Schreckschusswaffe außerhalb des eigenen Grundstücks oder der Wohnung ist zudem nur in einer Notwehr- oder Notstandssituation straffrei, betont der Landkreis-Mitarbeiter. „Eine Notwehrsituation ist ein gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender, rechtswidriger Angriff auf Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum. Außerhalb einer Notwehr- oder Notstandssituation macht sich der Anwender einer Schreckschusswaffe selbst strafbar.“ Nur welchen Effekt erzielt man letztlich? Eine womöglich bezweckte Abschreckung bewertet Bräse eher skeptisch: „Wenn man in einer kritischen Situation einen Gegenstand aus der Tasche zieht, der aussieht wie eine scharfe Schusswaffe, so entschärft das die Situation keinesfalls, sondern provoziert eventuell sogar eine unverhältnismäßige Gegenreaktion.“ Unter dem Blickwinkel einer möglichen Verteidigungswirkung drückt es Bräse auch so aus: „Wenn man sich eine Schreckschusswaffe zur Selbstverteidigung zulegt, ist das genauso, als ob man sich einen Schaumstoffsäbel umhängt.“
Der Waffenexperte nimmt sich die Zeit, das Wort Schreckschusspistole nochmals genau zu erklären. „Solche Waffen heißen offiziell Schreckschuss-Reizstoff-Signal-Waffen, abgekürzt SRS. Aus diesen Waffen können Knallpatronen, Reizgaspatronen - CS, CN, Pfefferspray - oder Signalpatronen mit pyrotechnischen Sätzen aus Abschussbechern, zum Beispiel zu Silvester, verschossen werden. Schreckschusswaffen müssen einer gemäß Beschussgesetz zugelassenen Bauart entsprechen und ein Zulassungszeichen tragen.“
Nun macht Bräse niemandem Vorschriften, warum und wann man einen Kleinen Waffenschein beantragen möchte. Aber er geht davon aus, dass es der Allgemeinheit dienlicher wäre, wenn die breite Masse darauf verzichte. Der Fachmann sieht etliche Gefahren: „Denken wir doch mal praktisch. Ein Tier könnte man mit dem lauten Knall noch in die Flucht treiben. Aber Menschen? Dazu kommt, dass Schreckschusswaffen so täuschend echt aussehen, dass der Laie in Panik ausbrechen kann, wenn er sie nur sieht. Ob das in Zeiten, in denen die Verunsicherung wächst, sinnvoll ist, darf diskutiert werden.“
Und nicht zu vergessen ist, dass auch Schreckschusswaffen ernsthafte gesundheitliche Schäden hervorrufen können. „Direkt auf die Haut gesetzt, trägt man nicht nur einen Kratzer davon“, verweist Bräse.
Auch die mögliche Alternative, sich in Gefahrensituationen mit Reizgas zu wehren, sei nicht ohne Bedenken einfach zu bejahen: „Der Einsatz von Reizgas will gut überlegt sein, weil man sich bei ungünstigen Windverhältnissen selbst außer Gefecht setzen kann. Außerdem wirkt Reizgas bei Personen, die unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stehen, nicht zuverlässig.“ (mz)
